Das beste von Nikolai Gogol. Nikolai GogolЧитать онлайн книгу.
Rock und die Jacke einer Bäuerin, sondern irgendein städtisches Morgenkleid getragen, so würde bei ihr wohl keine einzige Zofe aushalten können. Die Burschen liefen ihr scharenweise nach; sie verloren aber die Geduld, verließen einer nach dem anderen die eigensinnige Schöne und wandten sich anderen, weniger launischen Mädchen zu. Nur der Schmied allein war eigensinnig und gab seine Bemühungen nicht auf, obwohl sie ihn nicht besser als die anderen behandelte. Als der Vater gegangen war, putzte und zierte sich Oksana noch lange vor dem kleinen Spiegel im Zinnrahmen und konnte sich gar nicht genug bewundern.
»Warum ist es den Leuten bloß eingefallen, zu verbreiten, daß ich hübsch sei?« sagte sie gleichsam zerstreut, nur um über irgendwas mit sich selber zu plaudern. »Die Leute lügen, ich bin gar nicht hübsch.«
Aber das frische, lebhafte, kindlich jugendliche Gesicht mit den glänzenden schwarzen Augen und dem unsagbar angenehmen Lächeln, das die Seele versengte, bewies ihr plötzlich das Gegenteil.
»Sind denn meine schwarzen Brauen und Augen«, fuhr die Schöne fort, ohne den Spiegel fortzulassen, »wirklich so schön, daß es nicht ihresgleichen auf der Welt geben soll? Was ist denn an dieser Stumpfnase so hübsch? Was an den Wangen, an den Lippen? Sind denn meine schwarzen Zöpfe wirklich so schön? Ach, man könnte vor ihnen am Abend erschrecken: sie winden sich wie lange Schlangen um meinen Kopf. Jetzt sehe ich, daß ich gar nicht hübsch bin!« Sie rückte den Spiegel etwas von sich fort und rief: »Nein, ich bin schön! Ach, wie schön! Wunderbar! Welch eine Freude bringe ich dem, dessen Frau ich werde! Wie wird mich mein Mann bewundern! Er wird vor Freude ganz außer sich sein! Er wird mich zu Tode küssen.«
»Ein wunderliches Mädel!« flüsterte der Schmied, der leise eingetreten war. »Sie ist so gar nicht eitel! Eine ganze Stunde steht sie vor dem Spiegel, kann sich gar nicht sattsehen und rühmt sich dabei ganz laut!«
»Ja, ihr Burschen, passe ich denn zu euch? Schaut mich nur an«, fuhr die hübsche Kokette fort. »Wie schwebend ist mein Gang. Mein Hemd ist mit roter Seide gestickt. Und was für Bänder habe ich auf dem Kopfe! Euer Lebtag werdet ihr keine so schönen Tressen sehen. Das alles hat mir mein Vater gekauft, damit mich der schönste Bursche der Welt heiratet.« Sie lächelte, drehte sich um und erblickte den Schmied…
Sie schrie auf und blieb mit strenger Miene vor ihm stehen.
Der Schmied ließ seine Hände sinken.
Es läßt sich schwer sagen, was das braune Gesicht des herrlichen Mädchens ausdrückte: es war Strenge darin, und durch die Strenge hindurch ließ sich auch ein eigentümlicher Hohn über den verblüfften Schmied erkennen; auch hatte der Verdruß ihr Gesicht mit kaum wahrnehmbarer Röte gefärbt, und alles zusammen war so unbeschreiblich schön, daß man sie eine Million mal küssen könnte: das wäre das beste, was man hätte tun können.
»Warum bist du hergekommen?« begann Oksana. »Möchtest du denn, daß ich dich mit der Schaufel hinausjage? Ihr versteht es alle gut, euch an uns heranzumachen. Ihr wittert es gleich, wenn die Väter nicht zu Hause sind. Oh, ich kenne euch! Ist mein Koffer fertig?«
»Er wird fertig, mein Herzchen, nach den Feiertagen wird er fertig. Wenn du nur wüßtest, wieviel ich an ihm herumgearbeitet habe: zwei Nächte habe ich meine Schmiede nicht verlassen. Dafür hat auch keine Popentochter so einen Koffer. Zu den Beschlägen nahm ich ein Eisen, wie ich es nicht mal zum Wagen des Hauptmanns genommen habe, als ich bei ihm in Poltawa arbeitete. Und wie schön er bemalt sein wird! Du kannst mit deinen weißen Füßchen die ganze Gegend durchlaufen und wirst keinen ähnlichen Koffer finden! Über den ganzen Grund werden rote und blaue Blumen verstreut sein. Es wird leuchten wie Feuer. Sei mir also nicht böse! Laß mich wenigstens mit dir sprechen, dich wenigstens anschauen!«
»Wer verbietet dir das? Sprich und schau!«
Sie setzte sich auf die Bank, blickte wieder in den Spiegel und begann ihre Zöpfe auf dem Kopfe zu ordnen. Sie blickte auf ihren Hals, auf das neue, mit Seide gestickte Hemd, und ein leises Gefühl von Selbstzufriedenheit spiegelte sich auf ihren Lippen, auf den frischen Wangen und leuchtete aus ihren Augen.
»Erlaube mir, daß ich mich neben dich setze!« sagte der Schmied.
»Setz dich«, versetzte Oksana, den gleichen Ausdruck auf den Lippen und in den selbstzufriedenen Augen bewahrend.
»Wunderbare, herrliche Oksana, erlaube, daß ich dich küsse!« sagte der Schmied ermutigt und drückte sie an sich, mit der Absicht, einen Kuß zu erwischen. Aber Oksana zog ihre Wangen, die sich schon in nächster Nähe der Lippen des Schmiedes befanden, zurück und stieß ihn von sich. »Was möchtest du noch? Wenn er Honig hat, muß er auch gleich einen Löffel haben! Geh weg, deine Hände sind härter als Eisen. Auch du selbst riechst nach Rauch. Ich glaube, du hast mich ganz mit Ruß beschmiert.«
Sie nahm wieder den Spiegel vor und begann sich von neuem zu putzen.
– Sie liebt mich nicht! – dachte der Schmied bei sich und ließ den Kopf sinken. – Für sie ist alles eine Spielerei, ich stehe aber vor ihr wie ein Narr und kann von ihr kein Auge wenden! Ein wunderliches Mädel! Was gäbe ich nicht alles darum, zu erfahren, was sie im Herzen hat und wen sie liebt. Aber nein, sie kümmert sich um niemand. Sie bewundert nur sich selbst; sie quält mich Armen, und ich kann vor Trauer die Welt nicht sehen. Ich liebe sie aber so, wie noch kein Mensch auf der Welt geliebt hat oder lieben wird. –
»Ist es wahr, daß deine Mutter eine Hexe ist?« fragte Oksana und lachte. Der Schmied fühlte, wie in seinem Innern alles zu lachen anfing. Dieses Lachen hallte plötzlich in seinem Herzen und in den leise erzitternden Adern wider; gleich darauf spürte er aber wieder Ärger, daß es nicht in seiner Gewalt war, dieses so hübsch lachende Gesicht zu küssen.
»Was geht mich meine Mutter an? Du bist mir Mutter und Vater und alles, was mir auf der Welt teuer ist. Wenn mich der Zar zu sich riefe und mir sagte: ›Schmied Wakula, bitte mich um alles, was es in meinem Zarenreiche Schönes gibt, ich will dir alles geben. Ich werde dir eine goldene Schmiede bauen lassen, und du wirst mit silbernen Hämmern schmieden.‹ – ›Ich will nicht‹, würde ich dem Zaren sagen, ›ich will weder Edelsteine, noch eine goldene Schmiede, noch dein ganzes Zarenreich. Gib mir lieber meine Oksana!‹«
»Siehst du, was du für einer bist: Aber mein Vater ist auch nicht so dumm. Paß auf, er wird noch deine Mutter heiraten!« sagte Oksana mit schelmischem Lächeln. »Aber warum kommen die Mädchen nicht … Was soll das bedeuten? Es ist schon längst Zeit, vor den Fenstern Weihnachtslieder zu singen, mir wird es langweilig!«
»Denk nicht an sie, meine Schöne!«
»Warum nicht gar! Mit ihnen werden wohl auch die Burschen mitkommen. Da wird es einen Ball geben. Ich stelle mir vor, was für spaßige Geschichten sie erzählen werden!«
»Es ist dir also lustig mit ihnen?«
»Jedenfalls lustiger als mit dir. Ah! Jemand klopft; es sind sicher die Mädchen mit den Burschen.«
– Was soll ich noch länger warten? – sagte der Schmied zu sich selbst. – Sie macht sich über mich lustig. Ich bin ihr ebensoviel wert wie ein verrostetes Hufeisen. Wenn dem aber wirklich so ist, so soll wenigstens kein anderer über mich lachen. Wenn ich nur sicher merke, daß ihr ein anderer besser gefällt als ich, so will ich es ihm schon austreiben …
Ein Klopfen an der Tür und ein scharf in der kalten Luft klingender Ruf »Mach auf!« unterbrachen seine Gedanken.
»Wart, ich mache selbst auf«, sagte der Schmied und trat in den Flur mit der Absicht, dem ersten besten, der ihm vor die Augen kam, die Rippen einzuschlagen.
Der Frost nahm zu, und oben in der Höhe wurde es so kalt, daß der Teufel von einem Huf auf den anderen sprang und sich in die Faust blies, um seine erfrorenen Hände ein wenig zu erwärmen. Es ist auch kein Wunder, wenn es einen fror, der sich Tag für Tag in der Hölle herumtrieb, wo es bekanntlich nicht so kalt ist wie bei uns im Winter, und wo er mit einer weißen Mütze auf dem Kopfe wie ein Koch vor dem Herde stand und die Sünder mit solchem Vergnügen briet, wie ein Weib zu Weihnachten eine Wurst brät.
Die Hexe spürte auch den Frost, obwohl sie warm gekleidet war; darum hob sie die Arme in die Höhe, schob ein Bein zurück, nahm die Haltung eines auf