Das beste von Nikolai Gogol. Nikolai GogolЧитать онлайн книгу.
Satans! Für dich ist kein Platz hier!«
Der seltsame Greis zischte, knirschte wie ein Wolf mit den Zähnen und verschwand.
Wie das Meer im Sturme, erbrauste es in der Menge; man lärmte, man schrie, man sprach durcheinander.
»Was ist das für ein Zauberer?« fragten die Jungen und Unerfahrenen.
»Unheil droht!« sprachen die Alten und schüttelten die Köpfe. Und überall auf dem weiten Gehöfte des Hauptmanns sammelten sich die Leute zu Haufen und lauschten den Geschichten von dem wunderlichen Zauberer. Aber fast jeder erzählte anderes, und niemand wußte etwas Sicheres zu sagen.
Ein Faß Met wurde auf den Hof gerollt und mancher Eimer griechischen Weines daneben gestellt. Und wieder wurden alle lustig. Die Spielleute schmetterten, die jungen Mädchen und Frauen und die wackeren Kosaken in bunten Röcken flogen im Tanze dahin. Selbst die neunzigjährigen und hundertjährigen Greise, die auch schon etwas bezecht waren, rührten die Beine im Tanze und ließen ihre alten Jahre, die sie nicht umsonst verlebt hatten, wieder aufleben. Man zechte bis spät in die Nacht hinein, und man zechte so, wie man es heute nicht mehr tut. Endlich brachen die Gäste auf; aber nur wenige von ihnen gingen nach Hause: viele blieben beim Hauptmann über Nacht; und noch viel mehr Kosaken schliefen ungebeten unter den Bänken, auf dem Fußboden, neben den Pferden und vor den Ställen ein: wo ein berauschter Kosakenkopf gerade hinfiel, da blieb er schon liegen und schnarchte über ganz Kiew.
II
Still leuchtet es über die ganze Welt: der Mond zeigt sich hinter dem Berge. Wie mit einem Tuch aus Damast, wie mit einem schneeweißen Schleier verhüllt er das gebirgige Ufer des Dnjepr, und die Schatten ziehen sich in das Dickicht der Fichten zurück.
Inmitten des Dnjepr schwimmt ein eichener Einbaum. Zwei Burschen sitzen vorn, die schwarzen Kosakenmützen schief auf die Seite gerückt, und unter ihren Rudern sprüht der Wasserstaub empor, wie unter dem Feuerstahl die Funken.
Warum singen die Kosaken nicht? Warum sprechen sie nicht davon, daß die römischen Pfaffen die Ukraine durchziehen und das Kosakenvolk in Katholiken umtaufen? Davon, wie sie am Salzsee zwei Tage lang gegen die Tatarenhorde kämpften? Wie sollen sie auch singen und von den kühnen Taten sprechen! Ihr Pan Danilo ist ja in Gedanken versunken, und der Ärmel seines karmesinroten Kaftans hängt aus dem Boote hinaus und badet im Flusse; ihre Herrin Pani Katerina wiegt leise ihr Kind und wendet keinen Blick von ihrem Manne, während ihr von keiner Leinwand geschütztes Festgewand vom Wasserstaub wie von grauer Asche überschüttet wird.
Schön ist der Blick von der Mitte des Dnjepr auf die hohen Berge, auf die weiten Wiesen, auf die grünen Wälder! Diese Berge sind gar keine Berge; sie haben keine Sohlen, oben wie unten ragen spitze Gipfel, und über ihnen und unter ihnen wölbt sich der hohe Himmel. Auch die Wälder auf den Anhöhen sind gar keine Wälder: es sind Haare, die auf dem struppigen Kopfe des Waldgreises gewachsen sind. Seinen Bart umspült das Wasser, und unter dem Barte und über den Haaren wölbt sich der hohe Himmel. Auch die Wiesen sind keine Wiesen: ein grüner Gürtel ist es, der den runden Himmel in der Mitte umgürtet; und in der oberen und in der unteren Hälfte wandelt der Mond.
Aber Pan Danilo blickt nicht auf die Ufer, er blickt nur auf sein junges Weib. »Mein junges Weib, meine goldene Katerina, warum bist du in Gram versunken?«
»Ich bin nicht in Gram versunken, mein Pan Danilo! Mich haben die seltsamen Mären vom Zauberer erschreckt. Man erzählt sich, er sei schon so auf die Welt gekommen: schon als Kind wäre er so schrecklich gewesen, daß keines von den anderen Kindern mit ihm spielen wollte. Höre nur, mein Pan Danilo, wie schrecklich das ist, was man von ihm sagt: es scheint ihm immer, daß alle Leute ihn verhöhnen. Wenn er am finstern Abend einen Menschen trifft, so dünkt es ihn gleich, daß jener den Mund auf tut und grinst. Und diesen Menschen findet man am nächsten Tage als Leiche. Mir war so sonderbar, so grauenvoll zumute, als ich diese Mären hörte!« So sprach Katerina. Und sie holte ihr Tuch hervor und wischte damit dem Kinde, das in ihren Armen schlief, das Gesicht ab. Auf dem Tuche waren mit roter Seide Blätter und Beeren gestickt: ihre eigene Arbeit war’s.
Pan Danilo versetzte kein Wort. Er blickte ab und zu ins Dunkel hinüber, wo in der Ferne, hinter dem Walde, ein schwarzer Erdwall zu sehen war, und hinter dem Walde ein altes Schloß ragte. Über seinen Brauen erschienen plötzlich drei tiefe Furchen; mit der linken Hand strich er sich über den kühnen Schnurrbart. »Nicht das ist schrecklich, daß er ein Zauberer ist«, sprach er, »aber schrecklich ist es, daß er ein schlimmer Gast ist. Was fiel ihm ein, sich hierherzuschleppen? Ich hörte, die Polen wollen hier eine Festung errichten, um uns den Weg zu den Saporogern abzuschneiden. Mag es nur wahr sein … Ich werde sein Teufelsnest zerstören, sobald ich auch nur ein Wort davon höre, daß er die Feinde bei sich versteckt hält. Ich werde den alten Hexenmeister verbrennen, daß selbst die Raben nichts mehr zu picken haben werden. Ich denke mir auch, daß er nicht wenig Gold und anderes Gut bei sich hat. Hier wohnt dieser Satan! Wenn er Gold hat … Wir werden gleich Kreuze sehen: das ist ein Friedhof! Hier modern seine unsauberen Ahnen. Man sagt, sie alle seien immer bereit gewesen, sich mitsamt ihren Seelen und ihren zerfetzten Kaftans für einen Groschen dem Teufel zu verkaufen. Wenn er aber in Wahrheit Gold besitzt, so will ich nicht lange zögern: nicht immer kann man es im Kriege erbeuten…«
»Ich weiß, was du im Sinne hast: nichts Gutes verheißt mir die Begegnung mit ihm. Du atmest so schwer, du blickst so streng, so finster sträuben sich die Brauen über deinen Augen! …«
»Schweig, Weib!« sagte Danilo erbost. »Wer sich an euch bindet, der wird selbst zum Weibe. Bursche, gib mir Feuer für die Pfeife!« Er wandte sich zu einem der Ruderer um; dieser klopfte die glimmende Asche aus seiner Pfeife und begann sie in die Pfeife seines Herrn zu stopfen. »Sie schreckt mich mit dem Zauberer!« fuhr Pan Danilo fort. »Der Kosak fürchtet, Gott sei Dank, weder die Teufel noch die römischen Pfaffen. Das wäre gut, wenn wir auf unsere Weiber hörten. Nicht wahr, Burschen? Unser Weib ist die Pfeife und der scharfe Säbel!«
Katerina schwieg und blickte auf das schlafende Wasser hinab, das der Nachtwind furchte, und der ganze Dnjepr schimmerte silbergrau wie ein Wolfsfell im Mondlicht.
Der Einbaum wendete um und hielt sich am waldigen Ufer. Bald wurde hier ein Friedhof sichtbar: morsche Kreuze drängten sich aneinander. Kein Wacholder blühte zwischen ihnen, kein Gras grünte unter ihnen; nur der Mond bestrahlte sie von der Himmelshöhe.
»Hört ihr die Schreie, Burschen? Jemand ruft uns zu Hilfe!« rief Pan Danilo seinen Ruderern zu.
»Wir hören die Schreie, von dieser Seite scheinen sie zu kommen«, sagten die Burschen zugleich und wiesen nach dem Friedhof.
Es war aber schon wieder alles still. Der Kahn wendete wieder um und folgte dem vorspringenden Ufer. Plötzlich ließen die Ruderer ihre Ruder sinken und starrten auf das Ufer hinüber. Auch Pan Danilo war wie erstarrt. Angst und kalter Schauer drangen in die Adern der Kosaken.
Auf einem der Gräber wankte das Kreuz, und leise erhob sich daraus ein vertrockneter Leichnam. Der Bart reichte ihm bis zum Gürtel; lange Krallen waren ´ an den Fingern, viel länger als die Finger selbst. Langsam erhob er die Arme. Sein Gesicht erbebte und verzerrte sich. Schreckliche Qualen schien er zu leiden. »Schwül ist mir! Schwül!« stöhnte er mit wilder, unmenschlicher Stimme. Die Stimme schnitt einem ins Herz wie ein Messer. Und plötzlich versank der Leichnam wieder. Ein anderes Kreuz wankte, und wieder kam ein Leichnam hervor, noch schrecklicher und noch riesenhafter; er war ganz mit Haaren bewachsen, sein Bart reichte bis an die Knie, und die knöchernen Krallen waren noch länger als beim ersten. Noch wilder rief er: »Mir ist so schwül!« und versank in die Erde. Nun wankte ein drittes Kreuz, und ein dritter Leichnam stand auf. Es schien, als ob nur die Knochen allein sich über die Erde erhoben hätten. Der Bart reichte bis an die Sohlen; die Finger mit den langen Krallen bohrten sich in die Erde. Schrecklich warf er die Arme empor, als ob er nach dem Monde greifen wolle, und schrie so auf, als ob ihm jemand seine gelben Knochen zersäge …
Das Kind, das in Katerinas Armen schlief, erwachte mit einem Schrei; die Pani selbst schrie auf; die Ruderer ließen die Mützen in den Dnjepr fallen; auch der Pan fuhr zusammen.
Und plötzlich war alles verschwunden, als wäre es nie gewesen; doch die Burschen griffen noch lange nicht zu ihren Rudern. Voller