Das beste von Nikolai Gogol. Nikolai GogolЧитать онлайн книгу.
ist ja nichts!« sagte er, nach allen Seiten weisend. »Der Zauberer will den Menschen nur Angst machen, damit niemand wagt, seinem unsauberen Nest nahe zu kommen. Doch nur die Weiber allein kann er damit erschrecken! Gib mir den Sohn in den Arm!«
Mit diesen Worten nahm Pan Danilo seinen Sohn, hob ihn in die Höhe und hielt ihn ganz nahe vor seinen Lippen. »Nun, Iwan, fürchtest du dich vor Zauberern? – Sag: Nein, Vater, ich bin ja ein Kosak! – Genug, laß das Weinen! Wir kommen bald nach Hause! Und wenn wir zu Hause sind, wird dir Mutter Brei geben, wird dich in die Wiege legen und dir das Lied singen:
›Lulli, lulli, lulli!
Lulli, Söhnchen, lulli!
Wachse auf zu muntern Spielen,
Wachse auf zu stolzen Zielen,
Ruhm und Zierde der Gemeinde
Und ein Schrecken für die Feinde!‹
Höre, Katerina! Ich glaube, dein Vater will nicht in Frieden mit uns leben. So finster, so verdrießlich kam er hier an, als sei er uns böse … Wenn er mit uns nicht zufrieden ist, was brauchte er herzukommen? Er weigerte sich, auf unsere Kosakenfreiheit zu trinken! Auch unser Kind wollte er nicht auf die Arme nehmen! Anfangs wollte ich ihm alles sagen, was ich auf dem Herzen habe, aber ich konnte nicht sprechen und brachte kein Wort über die Lippen. Nein, er hat kein richtiges Kosakenherz! Wenn sich zwei Kosakenherzen begegnen, so springen sie aus der Brust einander zu! Nun, meine lieben Burschen, sind wir bald am Ufer? Ich will euch neue Mützen schenken. Du, Stetzko, kriegst eine samtene mit Gold. Ich habe sie mal einem Tataren zugleich mit dem Kopfe abgenommen; seine ganze Rüstung fiel mir zu, nur seine Seele allein ließ ich frei. Legt an! Nun sind wir daheim, und du weinst noch immer, Iwan! Nimm ihn, Katerina!«
Alle stiegen ans Land. Hinter dem Berge zeigte sich ein Strohdach: das war Pan Danilos Ahnensitz. Hinter dem Hause ragte noch ein anderer Berg, und dann kam gleich das freie Feld: hundert Werst konnte man da gehen, ohne auf einen einzigen Kosaken zu stoßen.
III
Das Gut Pan Danilos liegt zwischen zwei Bergen in einem engen Tale, das zum Dnjepr hinunterführt. Nicht groß ist das Haus: wie die Hütte des einfachen Kosaken sieht es von außen aus und hat bloß eine Stube; es ist aber genug Raum darin für ihn, für sein Weib, für die alte Magd und für die zehn ausgewählten Burschen. An den Wänden entlang ziehen sich oben eichene Borde hin. Viele Schüsseln und Kochtöpfe stehen darauf, auch silberne Becher und goldene Pokale, sowohl geschenkte wie auch im Kriege erbeutete. Unter den Borden hängen an den Wänden kostbare Musketen, Säbel, Gewehre und Lanzen; willig und gegen Willen sind sie aus den Händen der Tataren, Polen und Türken in die Hände Pan Danilos gekommen; darum ist auch manche Scharte an ihnen zu sehen. Wenn er sie anschaut, kann er sich aller seiner Gefechte erinnern. Unten an den Wänden entlang lauf en glattgehobelte eichene Bänke; vor der Ofenbank hängt an Stricken, die durch einen Ring an der Decke gezogen sind, die Wiege. In der ganzen Stube ist der Fußboden glatt gestampft und mit Lehm bestrichen. Auf den Bänken schläft Pan Danilo mit seiner Frau, auf der Ofenbank die alte Magd; in der Wiege spielt und schläft das kleine Kind; auf dem Fußboden nächtigen die Burschen. Der Kosak schläft am liebsten auf der bloßen Erde unter freiem Himmel; er braucht weder Kissen noch Federbett: er bettet sich frisches Heu unter den Kopf und streckt sich im Grase aus. Er liebt es, wenn er nachts erwacht, den hohen gestirnten Himmel zu sehen und vor der nächtlichen Kühle, die seine Kosakenknochen erfrischt, zu erschauern; er dehnt und reckt sich, murmelt etwas im Schlafe, steckt sich seine Pfeife an und wickelt sich fester in seinen warmen Pelz.
Es war nicht mehr früh, als Burulbasch nach dem gestrigen Trinkgelage erwachte; als er aufgestanden war, setzte er sich auf die Bank in die Ecke und begann einen türkischen Säbel, den er vor kurzem eingetauscht hatte, zu schleifen; Pani Katerina stickte indessen ein seidenes Tuch mit goldenen Fäden.
Plötzlich trat Katerinas Vater in die Stube. Verdrießlich und finster, mit einer ausländischen Pfeife zwischen den Zähnen ging er auf seine Tochter zu und begann sie streng auszufragen, warum sie gestern so spät nach Hause gekommen sei.
»Darüber sollst du, Schwäher, mich und nicht sie befragen! Nicht die Frau, der Mann hat Antwort zu stehen! So ist es einmal Sitte bei uns, nimm es mir nicht übel!« antwortete Danilo, immer noch seinen Säbel schleifend. »Vielleicht sind in manchen heidnischen Ländern andere Sitten – das weiß ich nicht.«
Das mürrische Gesicht des Schwähers färbte sich rot, und seine Augen funkelten wild. »Wer soll denn sonst auf die Tochter aufpassen, wenn nicht der Vater?« murmelte er vor sich hin. »Dich frage ich jetzt: wo hast du dich so spät bei Nacht herumgetrieben?«
»Das ist etwas anderes, teurer Schwäher! Darauf will ich dir sagen, daß ich schon lange nicht mehr in dem Alter bin, wo man von Weibern in Windeln gewickelt wird. Ich verstehe im Sattel zu sitzen, auch mit dem scharfen Säbel umzugehen, und noch manches andere verstehe ich … Ich verstehe es auch, niemandem darüber, was ich tue, Rechenschaft zu geben.«
»Ich sehe, Danilo, ich weiß es, du suchst Hader! Wer heimlich tut, der hat gewiß böse Absichten.«
»Du kannst dir denken, was dir gefällt«, erwiderte Danilo. »Auch ich habe meine Gedanken. Ich war noch, Gott sei Dank, an keiner unehrlichen Tat beteiligt; immer stand ich für unseren rechten Glauben und für die Heimat ein; nicht so wie manche Landstreicher, die sich Gott weiß wo herumtreiben, während die rechtgläubigen Christenmenschen ihr Blut verspritzen, und die später herkommen, um das Korn zu ernten, das sie gar nicht gesät haben. Sie sind sogar schlechter als die Unierten: niemals blicken sie in die Kirche Gottes hinein. Solche Leute sollte man doch ordentlich ins Gebet nehmen und befragen, wo sie sich herumgetrieben haben.«
»He, Kosak! Weißt du … Ich schieße schlecht; bloß auf hundert Klafter trifft meine Kugel das Herz; ich fechte nicht viel besser: ich haue den Menschen in Stücke, die viel, viel kleiner sind als die Körner, aus denen man Brei kocht.«
»Ich bin bereit«, sagte Pan Danilo und schwang seinen Säbel kühn durch die Luft, als hätte er schon früher gewußt, wozu er ihn geschliffen.
»Danilo!« schrie Katerina auf, ihn bei der Hand packend und sich an ihn hängend. »Bedenke doch, du Wahnsinniger, gegen wen du die Hand erhebst! Vater, dein Haar ist schneeweiß, und doch erhitzt du dich wie ein dummes Kind!«
»Weib!« rief Pan Danilo drohend. »Du weißt, ich mag das nicht leiden; kümmere dich um deine Weibergeschäfte!«
Furchtbar klirrten die Säbel. Eisen schlug gegen Eisen, die Funken sprühten über den Kosakenköpfen wie Staub. Weinend lief Katerina in die Kammer, warf sich aufs Bett und hielt sich die Ohren zu, um das Säbelgeklirr nicht zu hören. Die Kosaken fochten aber nicht so schlapp, daß man das Waffengeklirr auf diese Weise ersticken könnte. Katerinas Herz wollte in Stücke springen; sie hörte in ihrem ganzen Körper die Säbelhiebe.
»Nein, ich halte es nicht aus, ich halte es nicht aus … Vielleicht springt schon ein Blutquell aus dem weißen Leibe; vielleicht ist schon mein Liebster ohnmächtig, und ich liege noch hier!« Ganz bleich und schwer atmend ging sie wieder in die Stube.
Gleichmäßig und furchtbar fochten die Kosaken; keiner von ihnen konnte den anderen bezwingen. Bald dringt Katerinas Vater vor, und Pan Danilo weicht zurück; bald dringt Pan Danilo vor, und der finstere Vater muß zurückweichen, und sie stehen beide wieder gleich. Es kocht. Sie holen aus … Hui, wie die Säbel klirren … Zerbrochen fliegen die beiden Klingen auf die Seite.
»Gott, ich danke dir!« sagte Katerina und schrie gleich wieder auf: sie sah, daß die Kosaken nach den Musketen griffen. Sie richteten die Feuersteine und spannten die Hähne.
Pan Danilo schoß und traf nicht. Jetzt zielte der Vater … Er war alt und sah nicht so scharf wie ein Junger, und doch zitterte seine Hand nicht. Der Schuß krachte … Pan Danilo wankte, hellrotes Blut färbte den linken Ärmel seines Kaftans.
»Nein«, rief er aus. »So billig verkaufe ich mein Leben nicht. Der rechte Arm und nicht der linke ist der Herr. Ich habe an der Wand eine türkische Pistole hängen: noch nie im Leben ist sie mir untreu gewesen. Komm von der Wand herab, alter Kamerad! Erweise dem Freund einen Dienst!« Danilo streckt