Das beste von Nikolai Gogol. Nikolai GogolЧитать онлайн книгу.
ich dich an. Meinem Schicksal entrinne ich nicht: unwürdig ist das Weib, das den Tod des Mannes überlebt; der Dnjepr, der kühle Dnjepr wird mein Grab sein … Aber schau deinen Sohn an, Danilo! Schau deinen Sohn an! Wer wird das arme Kind in seinen warmen Arm nehmen? Wer wird es liebkosen? Wer wird es lehren, auf einem rabenschwarzen Rosse dahinzufliegen, für Freiheit und Glauben zu kämpfen, zu trinken und zu zechen wie ein wahrer Kosak? Geh zugrunde, mein Sohn, verdirb! Dein Vater will nichts von dir wissen! Schau, wie er sein Gesicht von dir wendet. Ja, jetzt kenne ich dich! Du bist ein Tier und kein Mensch. Du hast ein Wolfsherz und den Sinn der listigen Schlange! Ich dachte, daß du ein Tröpflein Erbarmen hast, daß in deinem steinernen Leibe ein Funke menschlichen Gefühls glimmt! Wie wahnsinnig habe ich mich getäuscht! Das wird dir nur Freude bringen. Deine Knochen werden im Grabe vor Freude tanzen, wenn die verruchten Polen deinen Sohn ins Feuer werfen, wenn dein Sohn unter dem Messer oder in siedendem Wasser liegt und schreit. Ja, ich kenne dich! Dann wirst du froh sein, aus dem Grabe aufzustehen und mit der Mütze das Feuer anzufachen, das unter ihm lodert!«
»Halt, Katerina! Komm her, teurer Iwan, laß dich küssen! Nein, mein Kind, niemand soll dir ein Haar krümmen. Du wirst zum Ruhme deiner Heimat aufwachsen; wie der Sturmwind wirst du an der Spitze deiner Kosaken dahinfegen, mit einer Samtmütze auf dem Kopfe, mit einem scharfen Säbel in der Hand. Vater, gib mir die Hand! Wollen wir, was gewesen, vergessen! Wenn ich vor dir etwas verbrochen habe, so will ich meine Schuld bekennen. Aber warum gibst du mir nicht die Hand?«
So sprach Danilo zu Katerinas Vater, der immer noch auf einem Fleck stand und dessen Gesicht weder Zorn noch Versöhnung zeigte.
»Vater!« rief Katerina. Sie umarmte und küßte ihn. »Vater, sei nicht unerbittlich, verzeihe Danilo, er wird dir keinen Kummer mehr bereiten!«
»Nur dir zu Gefallen, Tochter, vergebe ich ihm!« erwiderte er mit seltsam funkelnden Augen und küßte sie.
Katerina fuhr leicht zusammen: so seltsam kamen ihr sein Kuß und das Funkeln seiner Augen vor. Sie lehnte sich gegen den Tisch, auf dem ihr Gemahl seinen verwundeten Arm verband. Danilo sagte sich aber, daß er schlecht und nicht nach Kosakenart gehandelt habe, als er um Vergebung gebeten, ohne sich einer Schuld bewußt zu sein.
IV
Ein neuer Tag brach an, doch ein Tag ohne Sonne: der Himmel war trüb, und ein feiner Regen ging auf die Felder, Wiesen, Wälder und den breiten Dnjepr nieder. Pani Katerina erwachte, aber nicht freudig war ihr Erwachen: ihre Augen waren verweint, und es war ihr so traurig und unruhig zumute. »Mein Mann, mein lieber Mann! Einen wunderlichen Traum habe ich gehabt!«
»Was für einen Traum, meine liebe Pani Katerina?«
»Der Traum war so wunderlich und dabei so lebhaft, als ob ich wachte. Mir träumte, mein eigener Vater sei jenes Ungeheuer, das wir beim Hauptmann gesehen haben. Aber ich bitte dich, trau dem Traume nicht: man träumt doch allerhand Unsinn! Mir träumte, ich stand vor ihm, zitterte vor Entsetzen, und bei jedem Worte aus seinem Munde stöhnte mir jede Ader im Leibe. Wenn du nur gehört hättest, was er sprach…«
»Was sprach er denn, meine goldene Katerina?«
»Er sprach: ›Schau mich an, Katerina, ich bin doch schön! Mit Unrecht sagen die Leute, ich sei häßlich. Ich werde dir ein gar trefflicher Mann sein. Schau nur, wie meine Augen blicken!‹ Mit diesen Worten richtete er seinen flammenden Blick auf mich, ich schrie auf und erwachte.«
»Ja, Träume sagen manches Wahre. Weißt du übrigens, daß es hinter dem Berge nicht mehr so ruhig ist? Ich glaube gar, die Polen haben sich wieder gezeigt. Gorobetz ließ mir ansagen, ich solle wachsam sein. Er macht sich unnütze Sorgen: ich schlafe auch ohnehin nicht. Meine Burschen haben in dieser Nacht zwölf Schanzen errichtet. Wir wollen die Herren von der Reichsversammlung mit Pflaumen aus Blei empfangen, und die königliche Schlachta soll unter unseren Peitschen tanzen.«
»Weiß mein Vater davon?«
»Er sitzt mir auf dem Halse, dein Vater! Ich kann ihn bis zur Stunde nicht ergründen. Er hat wohl nicht wenig Sünden in den fremden Ländern begangen. Wahrlich, was mag das für einen Grund haben: er lebt hier schon einen Monat und war noch nie lustig, wie es einem Kosaken ziemt! Er weigerte sich, Met zu trinken! Hörst du, Katerina, er wollte nicht den Met trinken, den ich den Brester Juden abgenommen habe! He, Bursche!« rief Pan Danilo. »Lauf, mein Junge, in den Keller und bring mir vom jüdischen Met! Nicht mal Schnaps will er trinken! Verflucht! Mir scheint, Pani Katerina, daß er an unseren Heiland nicht glaubt. He? Wie gefällt dir das?«
»Gott weiß, was du sprichst!«
»Es ist doch wirklich seltsam, Pani!« fuhr Danilo fort, den tönernen Krug aus der Hand des Kosaken nehmend. »Selbst die Katholiken trinken Schnaps; nur die Türken trinken keinen. Was, Stetzko, hast du im Keller einen ordentlichen Schluck Met genommen?«
»Ich habe nur einen Tropfen gekostet, Pan!«
»Du lügst, Hundesohn! Ich sehe ja, wie die Fliegen über deinen Schnurrbart hergefallen sind! Deinen Augen sehe ich an, daß du einen halben Eimer ausgesoffen hast. Ach, diese Kosaken! Was das für ein tolles Volk ist! Alles gibt er dem Freunde her, aber den Schnaps trinkt er immer ganz allein aus. Ich war ja schon lange nicht mehr berauscht, Pani Katerina. Nicht wahr?«
»Das nennst du lange! Und am vorigen …«
»Fürchte nicht, fürchte nicht, ich trinke nicht mehr als diesen einen Krug. Da kommt ja schon der türkische Abt!« sagte er durch die Zähne, als er den Schwäher erblickte, der sich bückte, um durch die Tür zu kommen.
»Was soll das heißen, meine Tochter?!« sagte der Alte, indem er sich die Mütze vom Kopfe nahm und seinen Gürtel, an dem ein Säbel mit seltsamen Steinen hing, zurechtrückte. »Die Sonne steht schon hoch, und noch ist dein Mittagessen nicht fertig.«
»Das Mittagessen ist fertig, Pan Vater, gleich werden wir es auftragen. Hol die Schüssel mit den Klößen aus dem Ofen!« sagte Pani Katerina zu der alten Magd, die das Holzgeschirr abwischte. »Wart, ich hol’ sie lieber selbst. Ruf du die Burschen.«
Alle setzten sich im Kreise auf den Boden: der Vater der Wand mit den Heiligenbildern gegenüber, Pan Danilo ihm zur Linken, Pani Katerina ihm zur Rechten; dann folgten die zehn der allertreuesten Burschen in blauen und gelben Kaftans.
»Ich mag diese Klöße nicht!« sagte der Vater, nachdem er ein wenig gegessen und dann den Löffel weggelegt hatte. »Sie haben gar keinen Geschmack!«
– Ich weiß, daß dir Judennudeln besser schmecken –, dachte Danilo bei sich. »Warum sagst du, Schwäher,« fuhr er laut fort, »daß die Klöße keinen Geschmack haben? Sind sie denn schlecht zubereitet? Meine Katerina macht solche Klöße, wie sie selbst der Hetman selten zu essen bekommt. Man soll doch Klöße nicht verschmähen: es ist eine christliche Speise! Alle Heiligen und alle gottgefälligen Leute haben stets Klöße gegessen.«
Der Vater versetzte kein Wort; auch Pan Danilo verstummte.
Nach den Klößen wurde ein gebratener Eber mit Kraut und Pflaumen aufgetragen. »Ich mag kein Schweinefleisch!« sagte Katerinas Vater, indem er das Kraut allein aus der Schüssel herausholte.
»Wie kann man kein Schweinefleisch mögen?« sagte Danilo. »Nur die Türken und Juden essen kein Schweinefleisch.«
Noch finsterer blickte der Vater.
Er nahm sich nur etwas vom Mehlbrei mit Milch und trank statt des Schnapses von einem schwarzen Wasser, das er in einer Flasche am Busen trug.
Nach dem Essen legte sich Danilo hin und schnarchte bis zum Abend. Als er erwachte, setzte er sich an den Tisch und schrieb Botschaften an das Kosakenheer; Pani Katerina saß indes auf der Ofenbank und schaukelte mit dem Fuße die Wiege. So sitzt Pan Danilo da, blickt mit dem linken Auge auf das Papier und mit dem rechten nach dem Fenster. Er sieht draußen die Berge und den Dnjepr schimmern; hinter dem Dnjepr blauen die Wälder; über den Wäldern strahlt der heitere Abendhimmel in mildem Glanz. Pan Danilo ergötzt sich aber weder am fernen Himmel noch am blauen Walde: er blickt auf die vorspringende Landzunge, auf der das alte Schloß dunkel in die Luft ragt. Es ist ihm, als ob im Schlosse ein schmales Fensterchen aufleuchte. Aber alles ist still; es ist ihm wohl nur so vorgekommen. Man hört nur unten dumpf