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gehörten der Vergangenheit an; jetzt sollten sich die Arier aller Länder vereinigen zum globalen Kampf um die Wiedererlangung der Macht. Nur mit einer solchen Ideologie, glaubte Rockwell, könne man gegen die jüdische Weltverschwörung und das Vordringen der farbigen Völker in weiße Bastionen überall auf dem Planeten geistig mobilisieren. Bei solcher Zielsetzung konnte es nicht schaden, ein publizistisches Forum zur Verbreitung der neuen, international perspektivierten Nazi-Ideologie zu schaffen. So erschien ab Frühling 1966, verlegt von Rockwells Hauptquartier in Arlington, die Zeitschrift National Socialist World, eine Art Zentralorgan der WUNS.20
Zum Herausgeber bestimmte Rockwell einen Neuzugang innerhalb der rechten Szene, den 1933 geborenen Ex-Physiker Dr. William Luther Pierce. Dieser hatte eine akademische Laufbahn hinter sich: Studium in Houston/Texas (Rice University) und Pasadena/Kalifornien (California Institute of Technology), Promotion in Boulder an der renommierten University of Colorado, dann drei Jahre Lehrtätigkeit in Corvallis an der Oregon State University. Als führendes internationales Periodikum der Neurechten gab sich die National Socialist World alle Mühe, als Zeitschrift mit Niveau durchzugehen. Das aufwendig produzierte Blatt brachte längere Artikel und Buchrezensionen; es war eindeutig für ein gebildetes und belesenes Publikum konzipiert. Das Magazin sollte vierteljährlich herauskommen, und jede Nummer sollte über hundert Seiten umfassen. Die erste enthielt eine philosophische Lobpreisung des Nationalsozialismus von Colin Jordan und eine Würdigung der derb-volkstümlichen Elemente der nationalsozialistischen Propaganda von George Lincoln Rockwell. Besonders exponiert wurde ein Auszug aus der geschichtsmetaphysischen Schrift The Lightning and the Sun (»Blitz und Sonne«) von Savitri Devi, der Wahl-Hinduistin mit dem großen Faible fürs Indogermanisch-Nordische, deren Konglomerat aus indischer Religion und Hitler-Kult einen tiefen Einfluss auf neonazistische Intellektuelle ausübte (vgl. Kapitel 5). Die National Socialist World erschien bis Winter 1968 sechsmal; sie brachte neben »klassischen« Texten des Nationalsozialismus – etwa Gottfried Feders 25-Punkte-Programm der NSDAP von 1920 – weiterhin Artikel zu Zeitgeschichte und Tagesgeschehen; so schrieben Matt Koehl über nationalsozialistische Programmatik heute und Robert F. Williams über die Rassenkriege in Amerika.21
Während ein Teil jeder Nummer das historische Gedenken an Adolf Hitler und das Dritte Reich pflegte, setzte das Blatt doch sein Hauptaugenmerk auf die bedeutsame Rolle der USA im kommenden globalen Rassenkampf. In einem langen Artikel für die Ausgabe Sommer 1967 antizipierte William Pierce schon einmal die Schlachtordnung: »150 Millionen mehr oder weniger arische Weiße« würden dereinst im unvermeidlichen Krieg um die Oberherrschaft, ja ums Überleben »25 Millionen Negern und 6 Millionen Juden« gegenüberstehen. Dass der Konflikt im Rassischen begründet liege, werde der Öffentlichkeit systematisch verschwiegen; die Juden, welche Medien, Finanz- und Erziehungswesen kontrollierten, hätten auch kein Interesse daran, dass sie es erfahre. In allernächster Zeit, so prophezeite er düster, werde sich nichts zum Besseren wenden. Die Unruhen würden sich fortsetzen. Die Neger würden weiter rebellieren, brandschatzen, morden, und als Ursachen würde man wie üblich Armut und Diskriminierung nennen, nicht zu vergessen die Vorurteile und die Bigotterie der Weißen, die Ungerechtigkeit und Brutalität der Polizei. Auf schwarze Missetaten würde man mit Milde bei Gericht und erweiterten Wohlfahrtsprogrammen reagieren; die Gesellschaft müsse eben noch toleranter sein, werde es heißen, während Amerika in ein Inferno abgleitet. Aktive Nationalsozialisten, befürchtete Pierce, würden bald zu Geächteten und müssten den Weg in die Illegalität, in den Untergrund gehen. Ein Trost aber bleibe: Wenn einmal »das arische Amerika zu rassischem Selbstbewusstsein findet, sich organisiert, die Muskeln spannt und erstes Blut riecht, werden die Juden den Negern binnen Kurzem in den Abfalleimer der Geschichte folgen.«22
Rockwell war sich durchaus im Klaren darüber, dass Provokationen und Publicity-Coups allein eine Bewegung nicht weiterbringen. Daher begann er eine Langzeitstrategie zu entwickeln; eine Massenorganisation sollte aufgebaut und eine effektive Wahlkampagne vorbereitet werden. Am 1. Januar 1967 erhielt die Partei einen neuen Namen: Sie hieß nun National Socialist White Peoples’ Party (»Nationalsozialistische Partei der Weißen«), kurz NSWPP. Auf einer Konferenz im Juni wurden wichtige organisatorische Fragen erörtert, etwa wie man Parteivermögen bildet, Propagandatexte verfasst und Mitglieder wirbt.23 Doch ein Schicksalsschlag bereitete der Umsetzung aller hochfliegenden Pläne ein jähes Ende. Am 25. August 1967 wurde George Lincoln Rockwell in Arlington erschossen, als er gerade mit seinem Auto aus einer Parknische vor einem Waschsalon zurücksetzte. Der Attentäter: John Patler, ein ehemaliger Gefolgsmann des Ermordeten, kurze Zeit Chefredakteur der Parteizeitung The Stormtrooper (»Der Sturmtruppler«). Patler hatte mehrere Rechtsgruppierungen durchlaufen; erst kam er zur National Renaissance Party (»Partei der nationalen Wiedergeburt«), dann landete er in Rockwells Nazi-Partei, bis er seinen eigenen Politverein gründete, die American National Party, die von Sommer 1962 bis Frühjahr 1963 existierte. Anschließend wandte er sich wieder Rockwell zu, aber es gab immer wieder Ärger zwischen den beiden – wegen Patlers instabilem Charakter, hieß es, und wegen seiner marxistischen Neigungen. Aber auch seinen Rassenfanatismus trieb er so weit, dass es selbst Rockwell über die Hutschnur ging. Im März 1967 warf er Patler schließlich hinaus: Der 29-jährige Heißsporn hatte in der Partei Zwietracht gesät, indem er gegen alle Mitglieder agitierte, die eine etwas dunklere Haut hatten, als es dem imaginierten Idealbild des Ariers entsprach. Dann August 1967: das Attentat. Patler wurde wegen Mordes angeklagt, für schuldig befunden und zu zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt.24
Durch Rockwells Tod hatte die amerikanische Nazi-Bewegung nun zwar ihren Märtyrer. Aber ihr fehlte fortan die integrierende Leitfigur, und so zersplitterte sie in kleine rechtsextreme Gruppen, eine fanatischer und paranoider als die andere und sich gegenseitig misstrauisch beäugend und befehdend. Die circa fünfhundert Mitglieder der NSWPP liefen auseinander und formierten sich zu neuen Trüppchen, nicht selten hinter Personen, die im Verband des »American Fuehrer« höhere Funktionen bekleidet hatten. Die meisten der Versprengten an sich binden konnte der erfahrene Parteiaktivist Matt Koehl, seit 1960 dabei, jahrelang Rockwells Stellvertreter und von diesem als Nachfolger ausersehen. Koehl behielt für seinen Block den Namen National Socialist White Peoples’ Party und das Hauptquartier in Arlington. James Warner, ANP-Urmitglied und dann ein paar Jahre Rockwells Parteisekretär, gefiel der alte Parteiname besser, also nannte er sein Konkurrenzunternehmen in Kalifornien American Nazi Party. Von den übrigen Sektionen, die sich aus der Erbmasse der Rockwell’schen Partei rekrutierten, erscheinen erwähnenswert die National Socialist Liberation Front (»Nationalsozialistische Befreiungsfront«), die National Socialist Party of America, die National Alliance und die Christian Defense League (»Christliche Verteidigungsliga«).
Matt Koehl, Sohn deutsch-ungarischer Einwanderer, wurde am 22. Januar 1935 als Matthias Koehl jr. in Milwaukee/Wisconsin geboren. Zunächst studierte er Journalismus an der University of Wisconsin in Madison, ging dann zum U.S. Marine Corps und leistete dort zwei Jahre aktiven Dienst. Schon auf der Schule wurde er Antisemit. Mitte der 50er-Jahre trat Koehl in New York James Madoles National Renaissance Party bei. 1957 beteiligte er sich am Aufbau der United White Party (»Vereinte Partei der Weißen«) in Knoxville/Tennessee. 1958 war er für überregionale Koordination wiederum einer anderen Partei tätig, nämlich der National States’ Rights Party, die – wir erinnern uns – besonders heftig gegen die Anwendung der von Washington verfügten Rassenintegrationsgesetze in den Südstaaten agitierte.25 1960 fand er seine vorerst letzte politische Heimat in Rockwells Bewegung. 1961 ernannte man ihn zum Leiter der Ortsgruppe Chicago der American Nazi Party. 1963 stieg er ins Arlingtoner Hauptquartier auf und bekleidete dort mehrere Posten, so den des nationalen Koordinators der nun NSWPP heißenden Rockwell-Partei und den des Korrespondenzsekretärs der WUNS. Auch journalistisch wurde er wieder tätig; sowohl das parteieigene NS Bulletin als auch das WUNS Bulletin gab Koehl heraus. Hingetrieben