Sprachwitze. Robert SedlaczekЧитать онлайн книгу.
die eine: „Ich habe dich seit Wochen nicht gesehen, warst du krank?“ – „Ja“, antwortet die andere, „ich hatte Penizillin.“
Früher wurden Witze in Printmedien veröffentlicht und mündlich verbreitet. Heute werden Witze auch ins Netz gestellt und verlinkt. Einige funktionieren nur schriftlich, man kann sie ohne anschließende Erklärung nicht erzählen.
Wie heißt eine Schlange, die genau 3,14 Meter lang ist? – πton.
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Was macht ein Mathematiker auf dem Pissoir? – ππ.
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Welches Tier schreibt man mit nur einem Buchstaben? – Die Q.
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Achtung vor Twitter! – Warum? – Bei Gwitter darf man sich nicht unter Bäume stellen.
Hier geht es nicht nur darum, dass das englische Wort twitter – deutsch übrigens „Gezwitscher“ – und das deutsche Wort „G(e)witter“ ähnlich klingen – oder anders betrachtet, dass bei twitter eine verkürzte Form der Vorsilbe Ge- vorangestellt wird. Der Witz schöpft seine Kraft auch aus dem Umstand, dass wir mit der Pointe zu den datenschutzrechtlichen und gesellschaftspolitischen Problemen der sozialen Medien geleitet werden. Twitter wird mit einem Unwetter verglichen, vor dem man sich adäquat schützen sollte. Es hilft nicht, sich schnell unter einen Baum zu stellen.
Kalauer haben den Ruf, „wenig geistreiche“ Witze zu sein. Das sagt man auch den Flachwitzen nach. Eigentlich haben wir es mit „Aphorismen ohne Sinn“ zu tun. Wer Aphorismen liebt und in Flachwitzen einen Sinn sucht, muss zwangsläufig enttäuscht sein. Und manche Flachwitze sind wirklich schlecht.
Was ist braun und fährt die Piste herunter? – Ein Snowbrot.
Die Wörter „Brot“ und „Board“ sind klanglich weit voneinander entfernt, sodass eine gedankliche Verbindung schwer herzustellen ist. Aber vielleicht ist es ein Unsinnswitz, und es könnte sein, dass Sie gerade deshalb über diesen Einzeiler lachen.
Sigmund Freud bezeichnet in seinem Buch Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten die Kalauer als die „billigsten“ Witze, weil sie mit leichtester Mühe gemacht werden können (Freud, S. 60). Dies gilt auch für die Flachwitze. Sie haben einen Mitmacheffekt. Man fühlt sich animiert, neue Flachwitze zu erfinden und zu verbreiten.
Aber etwas anderes faszinierte Sigmund Freud ganz besonders: Der Erzähler eines Flachwitzes – und in gewisser Weise auch der Zuhörer – fühlt sich durch Regression in seine Kindheit zurückversetzt, in eine Zeit, in der noch keine Denk- und Realitätszwänge herrschten (Freud, S. 139–140). Es gebe eine „Lust am befreiten Unsinn“. Freud sah in diesen Witzen „eine große Erleichterung der psychischen Arbeit“, weil es ursprünglich jedem Menschen näherliegt, „sich an den Klang, statt an den Sinn zu halten“.
Interessant ist, dass Freud in großer Zahl Aphorismen analysiert und daneben nur einige Sprachwitze in Dialogform. Dies hängt damit zusammen, dass Anfang des 20. Jahrhunderts Witze mit prononcierten Pointen, wie wir sie heute kennen, erst im Entstehen waren. Auch Situationswitze gab es damals noch nicht. Das sind Witze mit einem Handlungsablauf, aus dem heraus sich die Pointe entwickelt. Aus diesen Witzen könnte man ein Video machen und auf YouTube publizieren.
Ein Radfahrer fährt Schlangenlinien genau vor der Straßenbahn. Der Straßenbahnfahrer flucht in sich hinein, schließlich lehnt er sich aus dem Seitenfenster und brüllt: „Du hirnloser Depp! Kannst du nicht woanders fahren?“ Darauf der Radfahrer grinsend: „Ich schon!“
Wortspiele und Sprachwitze auseinanderzuhalten, ist schwierig. Das von Freud zitierte Kunstwort famillionär – eine Wortmischung aus „familiär“ und „Millionär“ – ist auf sich allein gestellt ein schwer verständliches Wortspiel. Taucht famillionär aber in einem Kontext auf – in diesem Fall in einem Text Heinrich Heines, der den Besuch bei einem Rothschild darstellt – wird es zu einem Sprachwitz. Wir werden uns später damit ausführlich befassen (siehe S. 209).
Einfacher ist die Unterscheidung zwischen Witz und Humor. Witze sind Dialoge oder kurze Erzählungen, die den Zuhörer oder Leser mit einem überraschenden Ausgang zum Lachen bringen sollen – in einer abschließenden Pointe. Manche Witze haben überdies eine Zwischenpointe, bei der die Geschichte schon zu Ende sein könnte. Humor ist die Begabung eines Menschen, den Unzulänglichkeiten der Welt zu begegnen, die alltäglichen Schwierigkeiten und Missgeschicke mit heiterer Gelassenheit zu ertragen: Humor ist, wenn man trotzdem lacht.
Josef Joffe, Herausgeber der Wochenzeitung Die Zeit und Autor des Buches Mach dich nicht so klein, du bist nicht so groß, meinte einmal: „Der jüdische Witz ist gekennzeichnet durch Selbstironie, durch die Fähigkeit, über sich selber zu lachen, aber auch durch Galgenhumor.“ In diesen seltenen Fällen treten also Witz und Humor gepaart in Erscheinung. Im Verlauf des Buches werden Sie auf einige Beispiele stoßen (siehe S. 79 ff., 117 ff., 167 ff.).
Zurück zu den Flachwitzen, die heute omnipräsent sind. Einzeiler, bestehend aus Frage und Antwort oder aus einer Feststellung, werden oft auch in ein dazu passendes Foto oder Video gestellt und dann im Internet verbreitet. Diese Form von Flachwitz wird Meme genannt. Die originellsten von ihnen werden unzählige Male geteilt. Sie haben oftmals einen Bezug zu einem aktuellen Ereignis oder zu einem Film beziehungsweise einer TV-Serie.
Im Internet habe ich ein Porträt von Eddard „Ned“ Stark gefunden, dem Lord von Winterfell aus der TV-Serie Game of Thrones. In das Foto wurde ein mundartlicher Text montiert.
Ma foahrt neid oafoch ohne Keittn aufn Pötschn.
Das klingt wie die Warnung eines Steirers, den Pötschenpass an der oberösterreichisch-steirischen Grenze nicht ohne Ketten in Angriff zu nehmen, und ist zweifellos witzig – wenn es aus dem Mund des Lords von Winterfell kommt und gleichzeitig sein Bild zu sehen ist. Aufgrund des beschränkten Platzangebots sind die Texte immer Einzeiler – sie bestehen oft nur aus ein paar Wörtern.
Die Herkunft des Begriffs Meme (das Meme, Mehrzahl: die Memes) oder Mem (das Mem, Mehrzahl: die Meme) ist strittig. Oft wird der britische Evolutionsbiologe Clinton Richard Dawkins als Erfinder des Ausdrucks genannt. Zwar hat er 1976 analog zum englischen gene den Begriff meme verwendet, aber er war nicht der erste. Der Ausdruck Mem findet sich bereits in einem 1948 erschienenen Buch des österreichischen Physikers und Kybernetikers Heinz von Foerster. Jedenfalls wurde das Wort von der Online-Community aufgegriffen und dazu verwendet, eine neue Art von Bild-Text-Botschaft zu benennen.
Früher hat ein Mensch anderen Menschen einen Witz erzählt. Heute kann diese Form der Kommunikation auch im Dialog mit einer Maschine stattfinden. Der digitale Assistent von Amazon, genannt Alexa, ist zuhause ein Helferlein von frühmorgens bis spätabends. Gleiches leistet der Google Assistant, wenn man unterwegs ist. Mit beiden kann man Wetterberichte abhören, Abfahrts- und Ankunftszeiten von Zügen erfahren, sich mit jeder Art von Musik unterhalten lassen und vieles mehr. Das Gleiche leistet das Apple-Programm Siri. Man könnte diese Angebote mit dem Slogan „Sie suchen, wir finden!“ umschreiben.
Alexa, Google und Siri reagieren auch auf die Aufforderung: „Erzähle mir einen Witz!“ Nicht überraschend sind es kurze Witze, und viele davon weisen eine sprachliche Komponente auf.
Fragt die Lehrerin: „Franzi, warum heißt unsere Sprache auch Muttersprache?“ – „Weil Vati in ihr nicht zu Wort kommt.“
Einmal wollte ich den Assistenten von Google aufs Glatteis führen. Ich fragte ihn: „Bist du verliebt?“ Die Antwort war ein Sprachwitz mit Doppelsinn.
Ich glaube, ich werde für immer suchen. Das ist wahrscheinlich vorprogrammiert.
Ruud Klein, der Illustrator des wöchentlichen Leitartikels im Profil, verwendet Sprachwitze in seinen Zeichnungen. Einmal legte er einem Koch, der einen riesigen dampfenden Topf in seinen schon glühenden Händen hielt, folgenden Satz in den Mund:
Seit dem blöden Topftuchverbot verbrenn ich mir dauernd die Pfoten.
Ein andermal kommentiert er die Diskussion über die Zukunft der EU. Wir sehen einen alten Mann mit Bart, der in einem Fauteuil sitzt und