Shinobi - Dem Untergang geweiht. Danny SeelЧитать онлайн книгу.
bitte um Entschuldigung für die Verspätung“, sagte sie mit einer begrüßenden Verbeugung, wobei ihre Haare lose über ihre schmalen Schultern fielen. „Ich musste noch etwas im Haushalt erledigen“, fügte sie hinzu, wobei sie sich die Haare aus dem Gesicht strich.
Yujiro musste lächeln, als er feststellte, wie sich der Grund ihrer Verspätung der ihrer Mutter ähnelte. Denn wenn die Letztere zu spät kam, dann allerdings ausschließlich nur wegen der Hausarbeit.
„Kein Problem“, verkündete er. „Ich schätze mal, dass ich jetzt anfangen werde.“ Während er sprach, ging er langsam auf und ab, wobei er die Hände hinter dem Rücken verschränkte. „Die Philosophie der Shinobi ist eine der wichtigsten Lehren, die unsere Vorfahren uns weitergegeben haben. Könnt ihr mir erklären, was sie uns genau beibringt?“
Taiki öffnete bereits den Mund, um zu antworten, doch sein Onkel unterbrach ihn.
„Taikikun, ich bin mir sicher, dass du es weißt. Aber du wirst in der Kunst des Ninjutsu schon seit fünf Jahren unterrichtet. Bitte lass deine Schwester dieses Mal die Frage beantworten.“
Der Chūnin sah Akemi prüfend an und musste an seine eigene Schwester, Sayuri, denken. Der heldenhafte Opfertod ihres Mannes, Satoshi, hatte Sayuri dazu bewegt, ihre Tochter Akemi in Ninjutsu unterrichten zu lassen, damit sie sich selbst verteidigen konnte, falls ihr etwas widerführe. Kiyonori würde Satoshi immer in Erinnerung behalten, denn ohne ihm wäre er jetzt nicht am Leben.
Er seufzte, als er die beiden vaterlosen Kinder vor sich ansah. Er gab Akemi schon seit eineinhalb Jahren Nachhilfe, da sie in ihrem Alter eigentlich bereits beinahe eine vollständig ausgebildete Kunoichi, ein weiblicher Shinobi, sein sollte. Und nebenbei hatte er sich dazu entschieden, Taiki zu helfen, weil ihm der zusätzliche Unterricht nicht schaden würde.
„Sie bringt uns bei, dass wir beharrlich und aufrichtig sein sollen“, antwortete seine Nichte etwas zögerlich.
Kiyonori nickte. „Genau. Das Ziel jedes Shinobi sollte sein, die Belastbarkeit des Körpers und des Geists zu erlangen. Doch um diese Eigenschaft, diese unbegrenzte Beharrlichkeit, die sogar unter den unmöglichsten Zuständen nicht gebrochen werden darf, zu bekommen, muss man Körper und Geist trainieren.
„Die Philosophie unserer Vorväter lehrt uns ein aufrichtiges, mitfühlendes und reines Herz zu kultivieren, um Unterdrückung sowie Beleidigungen gelassen ertragen zu können, was uns erlaubt, uns von den Bahnen unserer persönlichen Wünsche loszureißen. Außerdem hilft uns dies, uns Untugenden, wie zum Beispiel dem Hass, der Wut, der Faulheit, der Gier und der Eifersucht, nicht hinzugeben. Denn diese sind schädlich und können auch unseren Auftrag gefährden, zum Beispiel indem sie uns ablenken oder zögern lassen, wenn wir in feindlichem Gebiet sind.
„Aus diesem Grund muss unser Geist unerschütterlich und belastbar bleiben, damit wir für jede Situation vorbereit sind, sei es körperlich oder seelisch. Ein solches Herz und eine solche Einstellung führen zu einer Flexibilität des Geistes, die uns ermöglicht, uns jeglichen Situationen anzupassen und uns unerwarteten Hindernissen entgegenzustellen. Soweit klar?“
Akemi und Taiki nickten.
„Eine weitere äußerst wichtige Fähigkeit eines Shinobi ist es, andere so zu beeinflussen, dass sie unbewusst deinen eigenen Willen ausführen oder dir dabei helfen deine Mission zu erfüllen. Nichtsdestotrotz dürft ihr nie vergessen, dass das Eingehen von Risiken so oft wie möglich vermieden werden sollte, wobei man allerdings trotzdem nicht vor Gefahren zurückschrecken darf, wenn die Erfolgschancen hoch sind.
„Vergesst auch nicht, dass kein Feigling oder Wagehals ein Shinobi sein kann. Von einem Shinobi wird der Mut verlangt, seine Furcht zu überwinden, sowie ein gutes Urteilsvermögen, das ihm Bescheid gibt, wann es sich lohnt, ein Risiko einzugehen.“
Er machte eine Pause und blickte auf seine beiden Schüler. Sie schienen das Meiste verstanden zu haben, denn sie bekamen ähnliche Aussagen oft vom Chūnin Sawada, ihrem – sowie seinem ehemaligen – Lehrmeister, zu hören.
„Kluge Worte!“
Alle drei drehten sich um und erblickten einen jungen, gutaussehenden Mann, der schmunzelnd auf sie zukam.
„Guten Morgen, Kiyoshikun. Gratuliere dir! Gut, dass du vorbeikommst“, begrüßte ihn Yujiro mit einem Nicken.
Kiyoshi, der einen spaßigen Charakter hatte, jedoch auch sehr formell sein konnte, wenn es die Situation verlangte, verbeugte sich vor seinem Onkel als Gruß.
„Nach der Zeremonie werdet Ihr Euch aber auch vor mir verbeugen müssen“, scherzte er mit einer Anspielung auf ein bevorstehendes Ereignis.
„In deinen Träumen!“, schüttelte Kiyonori lächelnd den Kopf.
„Alles Gute zum Geburtstag!“, gratulierte ihn Akemi.
Kiyoshi nickte bloß als Dank.
„Wie viel Glück du hast“, murmelte Taiki und blickte seinen Cousin mit leichter Bewunderung an. „Jetzt hast du ja all den Unterricht hinter dir und musst nicht mehr lernen!“
Kiyoshi zuckte mit den Schultern. „Dafür muss ich aber ab und zu kleine Aufgaben für Momochisama erledigen. Außerdem möchte er mir bald einen echten, gefährlichen Auftrag geben.“
Yujiro kratzte sich am Kinn. „Vielleicht möchtest du den Unterricht eine Minute lang übernehmen …“
Kiyoshis Augen weiteten sich ein wenig und er trat einen Schritt zurück. „Nein, danke. Ich mag ein ausgebildeter Shinobi sein, doch für so etwas bin ich noch nicht bereit.“
„Wie du willst. Da du jedoch schon da bist, könntest du mir einen kleinen Gefallen tun.“ Bevor sein Neffe widersprechen konnte, wandte sich der Chūnin bereits an Taiki. „Ich möchte, dass du jetzt aufmerksam zusiehst und dir Kiyoshikuns Reaktionen merkst. Er wird dir zeigen, wie man sich in einem Kampf zu verhalten hat.“
Während der Junge nickte, bekam Kiyoshi Zweifel, ob es auch eine gute Idee gewesen war, hierherzukommen.
„Akemichan, du wirst jetzt alle erlernten Schläge und Tritte auf deinem Cousin üben, der dein Sparringspartner sein wird.“
„Ähm … Onkel“, unterbrach ihn Kiyoshi. „Ich kämpf’ doch nicht gegen eine Frau.“
Akemi räusperte sich und warf ihrem Cousin einen missfallenden Blick zu. „Ich komme mir viel älter vor, wenn du mich als eine Frau bezeichnest und–“
„Verzeih mir bitte meinen Fehler, verehrte Cousine“, unterbrach Kiyoshi sie mit einer Spur von Ironie. Er schien bereits verstanden zu haben, worauf sie hinauswollte, denn er hob neckend eine Augenbraue, als er weitersprach. „Doch du kannst nicht leugnen, dass man dich als eine junge Frau betrachtet.“ Bevor sie etwas erwidern konnte, wandte er sich wieder an seinen Onkel, der dem Wortwechsel amüsiert zugehört hatte. „Wie dem auch sei, ich werde nicht gegen ein Mädchen kämpfen.“
Yujiros Augen funkelten herausfordernd. „Dann verteidige dich nur. Irgendwelche Einwände?“
Sein Neffe dachte kurz nach und schüttelte dann den Kopf. Als er zu Akemi blickte, bemerkte er ihre Unentschlossenheit, sagte jedoch nichts.
„Fangt an!“
4. Der Nachhilfeunterricht
Kiyoshi trat einen Schritt zurück und nahm eine Kampfstellung ein. Gebannt ließ er seinen Sparringspartner nicht aus den Augen.
Vorsichtig näherte sich Akemi ihrem Gegner. Dann schlug sie zu. Während ihr Cousin gelenkig zur Seite auswich, bereitete sie sich bereits auf einen konsekutiven Angriff vor, nach seiner Brust zielend. Mühelos wehrte Kiyoshi den Schlag ab.
Plötzlich sprang sie hoch und versuchte ihm einen Halbkreistritt ins Gesicht zu versetzen. Kiyoshi ließ sich sofort zu Boden fallen, als er spürte, wie ihn ihr Fuß verfehlte, und konnte sich mithilfe einer Rückwärtsrolle in Sicherheit bringen. Innerhalb des Bruchteils einer Sekunde war er wieder auf den Beinen und wartete bewegungslos auf einen weiteren Angriff. Seine Cousine blieb