Sechs Krimis: Ferienkiller. Alfred BekkerЧитать онлайн книгу.
das Geknatter der Maschinenpistole akustisch regelrecht zerhackt wurde.
Das Mündungsfeuer blitzte auf, als die Körper der Flüchtenden wie Marionetten unter Dutzenden von Treffern zuckten und zu Boden gingen.
Manche dieser Männer schafften es noch, ihre eigenen Waffen empor zu reißen. Hier und da blitzte Mündungsfeuer von schlecht gezielten Schüssen auf.
Abdullah Al-Khalili nahm darauf keine Rücksicht.
Ob er selbst Treffer erhielt, war ihm gleichgültig, für ihn zählte in diesem Augenblick nur eins.
Die Vernichtung seiner Gegner.
Jeden einzelnen von ihnen wollte er unter dem Beschuss von Dauerfeuer seiner MP 7 zucken und sich winden sehen.
Einer nach dem anderen sank in den Staub.
Eine tiefe Befriedigung erfüllte ihn, als der letzte von ihnen mit einem halben Dutzend, fast gleichmäßig über den gesamten Torso verteilten Treffern förmlich an die Hauswand genagelt wurde, die sich hinter ihm befand. Er rutschte zu Boden und zog eine Blutspur hinter sich her.
Abdullah Al-Khalili feuerte noch auf seinen Gegner, als er längst regungslos und wie ein Fötus zusammengekrümmt am Boden lag.
Dann war es vorbei.
Al-Khalili atmete tief durch und senkte endlich die Waffe. In seinen Augen stand noch immer ein seltsames Leuchten, das jeden, der ihn nicht kannte, zutiefst befremden musste.
Von seinen Leuten ließ er sich gerne ‚Duce’ nennen - so wie Benito Mussolini, den er als den größten Staatsmann der vergangenen drei Jahrhunderte verehrte. Mehr als Hitler. Der war ihm dann doch eine Spur zu irre. Und Stalin hatte was gegen privates Kapital und freies Unternehmertum gehabt.
Al-Khalili interessierte sich sehr für Geschichte.
Das einzige Fach, dass ihn in der Hauptschule wirklich interessiert hatte.
Mit dem italienischen Diktator aus der Zeit des Faschismus hatte Al-Khalili immerhin den fast haarlosen Kopf gemein.
Al-Khalili war ein sehr großer, massiver Mann. Fast zwei Meter lang und mit einer Figur, die an einen etwas aus der Form geratenen ehemaligen Boxer erinnerte.
Die Splitterweste spannte in der Bauchgegend.
Al-Khalili schleuderte die MP 7 von sich und riss sich die Weste vom Leib. Die Klettverschlüsse verursachten dabei charakteristische, ratschende Geräusche.
Auch die Weste warf er einfach zu Boden.
Ein letztes Mal würdigte er die Leichen eines kurzen Blickes. Ein erstarrtes Stillleben des Schreckens. In der Mitte erschien eine Schriftanzeige.
„Simulation beendet. Sie wurden von vier Projektilen getroffen. Achten Sie mehr auf die Eigensicherung. Wünschen Sie eine Detailübersicht? Ja - nein. Ins Menue gehen? Ja - nein.“
„Mustafa!“, brüllte Al-Khalili. Jetzt erst zog er sich Stöpsel aus den Ohren und warf sie einfach weg. Schließlich hatte er genug gut bezahltes Personal, das für Ordnung sorgte.
„Ja, Chef?“, kam eine Stimme aus dem Off.
„Schalten Sie die verdammte Projektion ab!“
„Sofort, Chef.“
„Aber ein bisschen plötzlich, wenn ich bitten darf!“
„Ja, sofort.“
„Anscheinend bin ich nur von Idioten umgeben! Unfähigen Stümpern! Nichtsnutzigen Weichlingen! Schwulen Ärschen! Und mit solchen Leuten soll man eine Organisation am laufen halten! Pah! Man sollte euch alle rausschmeißen!“
Während die Szene hinter ihm verblasste, drehte sich Al-Khalili um und verließ den Simulationsraum. Er fühlte sich jetzt besser.
Mustafa Caprese, ein drahtiger Kerl mit Bodybuilderfigur trat auf ihn zu. Er war der beste Mann unter der Kompanie von hoch spezialisierten Bodyguards, für die Al-Khalili ein kleines Vermögen ausgab. Aber Mustafa war jeden Cent davon wert. Er war lange Jahre Scharfschütze in der Fremdenlegion und später Ausbilder gewesen, hatte sich danach mit einem Trainingscamp zur Ausbildung von Bodyguards selbstständig gemacht, aber dabei in geschäftlichen Dingen keine glückliche Hand gehabt. Vor fünf Jahren hatte Al-Khalili ihn angeheuert. Seitdem hatte er wieder einen ruhigen Schlaf, denn ganz gleich, welche Waffe Mustafa auch gerade in den Händen hielt - seine Trefferquote war außergewöhnlich hoch. Darüber hinaus hatte er auch noch eine solide Ausbildung in Karate.
„Wollen Sie noch ein anderes Programm versuchen?“, fragte Mustafa.
Al-Khalili machte eine wegwerfende Handbewegung und knurrte etwas Unverständliches vor sich hin. „Das reicht für heute“, meinte er dann.
„Wie Sie wollen.“
„Sehen Sie zu, dass Sie in nächster Zeit mal etwas Abwechslung in diesen Schießstand bringen“, meinte Al-Khalili. „Auf die Dauer macht es keinen Spaß, immer dieselben Typen abzuknallen.“
„Ich verstehe, was Sie meinen, Chef.“
„Will ich hoffen.“
Ein Summton ertönte.
Al-Khalili ging zu dem Schalter der hausinternen Sprechanlage.
„Was gibt es?“, fragte er unwirsch, nachdem er den Schalter betätigt hatte.
„Walid Tawil wartet im blauen Salon“, meldete sich eine männliche Stimme.
„Er muss sich noch ein bisschen gedulden. Ich werde erst einmal duschen...“
„Er sagt, es wäre sehr wichtig!“
„Bestellen Sie ihm, er soll sich nicht in die Hose machen, dieses Sensibelchen!“
Al-Khalili unterbrach die Verbindung. Er fluchte leise vor sich hin. Dieser Feigling!, dachte er. Walid Tawil war sein Großneffe und außerdem einer seiner Unterbosse. Al-Khalili hatte ihm den Rang eines Captain in seiner Organisation nur deswegen eingeräumt, weil er Walids Vater einen Gefallen schuldig gewesen war.
„Er soll warten“, bestimmte Al-Khalili. „Ich gehe erst einmal unter die Dusche.“
„Ja, Chef.“
„Dieser Idiot kann ich mal. Und ich hab nichts dagegen, wenn ihm das auch ausgerichtet wird! Wenn bei uns alle so eine lasche Einstellung wie Walid hätten, dann würde der Laden längst nicht mehr laufen!“
8
Walid Tawil trat öffentlich nur als Walter Tawil auf, um deutscher zu wirken. Einen deutschen Pass hatte schon sein Vater gehabt, aber offenbar versprach er sich Vorteile davon, auch seinen Vornamen einzudeutschen. Darum hatte er sogar mehrere Prozesse geführt. Für den Clan-Patriarchen blieb er jedoch Walid. Nach Ansicht von Abdullah Al-Khalili verleugnete er damit seine libanesische Herkunft und die Tradition seiner Familie, was in den Augen des Clan-Patriarchen nur ein weiteres Indiz dafür war, dass Walid keinen Charakter hatte. Tawil hatte mit Ach und Krach ein Jurastudium hinter sich gebracht und besaß sogar eine offizielle Zulassung als Anwalt. Immerhin.
Trotzdem...
Jemandem, der seine Familie verleugnete, nur um den Vorurteilen vieler Kartoffel-Deutscher Seinesgleichen aus dem Weg zu gehen, war alles zuzutrauen, so fand Al-Khalili.
Inklusive Verrat.
Der blaue Salon befand sich im Obergeschoss von Al-Khalilis Villa. Von hier aus hatte man einen hervorragenden Ausblick.
Als Al-Khalili den Salon betrat, stand an der Fensterfront ein Mann, den er hier jetzt nicht erwartet hatte. Der Mann war grauhaarig, vielleicht Mitte siebzig, mit wettergegerbter, von einem Faltenrelief durchzogener Haut. Die Nase sprang hervor und entsprach einem klassischen Profil.
Das war Raimund Scirea. Der alte italo-deutsche Geschäftsmann hatte in der Al-Khalili-Familie schon Abdullah Al-Khalilis Vater beraten und ihm viele Wege geöffnet. Abdullahs