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Waidmannsruh. Alexandra BleyerЧитать онлайн книгу.

Waidmannsruh - Alexandra Bleyer


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hatte er es im Verein zu tun, und deshalb war er nun gezwungen, sein gemütliches Haus zu verlassen.

      Er füllte noch die Hundeschüssel mit frischem Wasser und zog sich warm an. Dann ging es den Pfaffenberg runter und auf der Bundesstraße nach Rojach. Nur kurz ärgerte er sich über einen jugendlichen Raser, der ihn nach dem westlichen Ortsende von Obervellach mit seinem PS-starken Audi Quattro überholte und dann abrupt in die Eisen stieg. Sepp bremste leicht ab, um erkennen zu können, welcher von den Kieberern so übereifrig war, bei den Temperaturen Radar zu messen. Eh klar! Gerhard Koller, mit dem er schon oft genug zu tun gehabt hatte. Sepp winkte mit dem Mittelfinger und hoffte, dass der Abgezwickte sich die Klåppan abfror!

      4

      Vinzenz krallte seine Finger um das Lenkrad. Er hatte lange mit sich gerungen, ob er Walters Einladung zum Hirschfeiern folgen sollte oder nicht. Er stellte das Auto am Straßenrand ab – Walters Hauseinfahrt war schon von anderen Fahrzeugen zugeparkt – und legte sich die Hand auf den Bauch. Ärger wie dieser schlug ihm immer auf den Magen. Er hatte vermutlich schon ein Geschwür. Oder einen Krebs. Gleich am nächsten Montag würde er zum Arzt und für mindestens eine Woche in den Krankenstand gehen.

      Er hasste Konfrontationen und ging einem Streit aus dem Weg, wo er nur konnte. Böse Zungen behaupteten, er ließe sich unterbuttern, so wie im Job, wo er bei Beförderungen regelmäßig übergangen wurde. In diesem Fall war er aber sicher, dass nicht er es war, der den Kampf mit Walter ausfechten musste; oh nein. Es genügte voll und ganz, Sepp über Walters Verstoß gegen das Jagdgesetz zu informieren, und dann würde der dem Hundling den Kopf herunterreißen, während Vinzenz händereibend danebenstand. Ha! Da ging es seinem Magen gleich ein wenig besser.

      Walters Haus präsentierte sich strahlend weiß; nur Dach und Fenster waren dunkel, beinahe schwarz. Das Innere des Hauses war nicht weniger nobel, denn Walters bessere Hälfte Manuela hatte einen guten und vor allem teuren Geschmack, zumindest, was Gegenstände betraf. Mit Walter hatte sie seiner Meinung nach keine so gute Wahl getroffen. Allerdings war klar, dass die beiden die mit bunten Glaseinlagen verzierte Haustür nicht für einen Haufen angetrunkener Jäger aufsperren würden, oh nein. Für sie hieß es, den Weg an der Garage vorbei zum Anbau einzuschlagen, wo sich Walter ein kleines Reich eingerichtet hatte, das jedes Jägerherz höherschlagen ließ. Als Geschäftsführer im familieneigenen Baumarkt in Obervellach saß Walter an der Quelle: Der großzügige Raum für die Wildverarbeitung war weiß gefliest, die Edelstahlarbeitstische aufgeräumt. An den Wänden waren die notwendigen Werkzeuge in Reih und Glied aufgehängt. Die Kühlkammer selbst bot reichlich Platz für ein paar Stück Wild; durch ein schmales Sichtfenster konnte man hineinschauen.

      Aus einem Radio drangen moderne Schlager, von den Fleischhaken baumelten Girlanden und Luftschlangen. Vermutlich war es Manuela gewesen, die versucht hatte, etwas Partystimmung in den steril und kalt wirkenden Raum zu bringen. Von Kopf bis Fuß in lila gekleidet und mit High Heels an den Füßen, für die man einen Waffenschein bräuchte, stach sie unter all den grün gewandeten Waidmännern und -frauen hervor. Vinzenz konnte seinen Blick kaum von ihr lösen. Das dunkelblonde Haar fiel ihr offen in Wellen auf die Schultern, mit ihrer Figur würde sie in den »Playboy« passen, und ihr Gesicht könnte das eines Engels sein, wenn sie nur etwas lieblicher dreinschauen würde. Nicht so missmutig wie gerade jetzt. Man merkte ihr deutlich an, wie verloren sie sich unter all den Jägern fühlte und dass sie die Minuten zählte, bis die unwillkommenen Gäste wieder gingen.

      Sie gesellte sich auch nicht zu den anderen, die mehrheitlich bereits an den Biertischen saßen, sondern stand abseits in der Ecke. Vinzenz hätte sie gern angesprochen, aber er wusste nicht so recht, was er sagen sollte. Außerdem war sie mit Walter verheiratet. Das ernüchterte ihn schlagartig.

      Leider war Sepp Flattacher noch nicht da, wie Vinzenz enttäuscht feststellte. Er nahm sich ein Bier aus einer der am Boden stehenden Kisten.

      »Vinz«, begrüßte Reini Hader ihn. »Hast den Hirsch schon gesehen?«

      »Früher als du«, murrte er und sah sich suchend um.

      »Du bist doch gerade erst gekommen«, erwiderte Reini verwirrt.

      Er war nicht der Hellste, aber schlau genug, um zu schnallen, was Vinzenz brauchte, denn er drückte ihm einen Bieröffner in die Hand.

      Hm. Und der Reini war ganz dick mit dem Sepp Flattacher. Warum sollte er nicht der Erste sein, der von dem Skandal erfuhr?

      Vinzenz beugte sich verschwörerisch näher an den Jüngeren heran. »Weißt, Reini, ich hab den Hirsch auch schon vor dem Walter gesehen!«

      »Ach, echt?«

      »Oh ja! Das war nämlich so, dass –«

      Aber Reini sah über Vinzenz’ Schulter hinweg und fing auf einmal an, breit zu grinsen.

      »Dani!« Er winkte mit dem Arm über den Kopf, als ob er einen Hubschrauber einweisen wollte. »Herzibinki!«

      Reinis Freundin stürmte heran und warf sich in seine Arme. Verlegen nahm Vinzenz einen Schluck, während sich die beiden noch sehr frisch Verliebten abschmusten.

      »Also, wegen dem Hirsch«, versuchte Vinzenz es noch einmal, als Reini wieder Luft bekam, aber der hatte nur noch Augen und Ohren für seine Holde.

      So leicht gab Vinzenz sich jedoch nicht geschlagen und folgte den beiden in den hinteren Teil des Raumes, wo in einer schweren, eisernen Feuerschale das imposante Hirschhaupt ruhte. Vinzenz bekam kaum Luft, als er die Trophäe aus der Nähe betrachtete. Er hätte weinen können.

      »Boah, schau dir den an! Das ist ein Sechzehnender«, erklärte Reini seiner Dani. »Ein Wahnsinn!«

      »Das war ein Mordstrum von einem Hirsch«, prahlte Walter, der neben dem Geweih stand und stolz die Hand um eine Sprosse legte. »Der hat ausgeweidet noch hundert Kilo auf die Waage gebracht.«

      Damit nickte er zum Kühlhaus hin, und der Reini ging brav weiter und schielte folgsam wie ein Schoßhündchen durchs Fenster hinein. »Schau, Dani! Da hängen die Schnitzel.«

      Vinzenz blieb vor dem ausladenden Geweih stehen. So ein Hirsch. So ein Prachtstück! Wenn nur er …

      »Solche Hirsche schießt man sonst nur in Ungarn, was? Na ja, die Auhirsche sind schon ganz was anderes als unsere Berghirsche, die sind ja viel schwächer gebaut. Aber der Hirsch da, der bekommt einen Ehrenplatz an meiner Wand.«

      Stolz packte Walter das Geweih und drehte es leicht, damit Vinzenz es ausgiebig bewundern konnte.

      Vinzenz zuckte nur mit den Schultern und kniff die Lippen zusammen.

      Sichtlich verärgert ließ Walter das Geweih los.

      »Und?«

      »Was und?«, brachte Vinzenz trotzig heraus.

      »Willst mir kein Waidmannsheil wünschen?«

      Vinzenz schluckte, wich dem Blick des anderen aus und presste das Wort hastig und leise hervor. Er musste gegen Tränen ankämpfen, Tränen der hilflosen Wut. Er ballte seine freie Hand zur Faust. Seine Kehle war wie zugeschnürt.

      Wenn es etwas wie Gerechtigkeit gab, dann …

      In dem Moment kam Flattacher zur Tür herein.

      »Ich … ich habe dich gesehen«, stieß er hervor.

      »Was?«

      »In der … oben in der Fratn!« Vor lauter Aufregung fing er auch noch zu stottern an. Er hatte das Gefühl, zu wenig Luft zu bekommen. »Wo du den Hirsch geschossen hast! Ich hab … habe alles gesehen! Ich weiß, was du getan hast!«

      Walter runzelte die Stirn. »Ach ja? Und wo warst du?«

      »Am Hochsitz. Wenn das der Sepp erfährt, dann kannst du zåmpåckn!«

      Ha! Jetzt grinste Walter nicht mehr, sondern sah nervös zum Aufsichtsjäger hinüber, der von Toni Brugger aufgehalten worden war.

      Wie gut fühlte es sich an, mutig seinen Mann zu stehen! Stolz zog Vinzenz die Schultern zurück. »Sepp! Sepp!«

      »Ich


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