Monsieur Violet's Reisen und Abenteuer in Californien, Sonora und dem Westen von Texas. Фредерик МарриетЧитать онлайн книгу.
aus eigenem Antrieb auf die feindlichen Krähen loszuspringen scheinen.
Ich habe vielleicht schon zu lange bei den Sitten und Gebräuchen dieses Volkes verweilt, kann mir es aber donnoch nicht versagen, meinen Lesern noch einen Beleg von den Kenntnissen zu geben, welche die höheren Klassen besitzen. Wie oben bemerkt, sind sie gute Astronomen, und ich kann ebensogut beifügen, dass sie aus der Anschauung merkwürdige geometrische Kenntnisse gewonnen haben. Ich fragte einmal einen jungen Häuptling, wie er die Höhe einer prächtigen Fichte anschlage. Es war Nachmittags gegen drei Uhr. Er begab sich nach dem Ende des von der Fichte geworfenen Schattens, steckte einen Pfeil in den Boden und mass dann sowohl die Länge desselben, als die Länge des von ihm geworfenen Schattens: ferner mass er den Schatten der Fichte, bildete aus dem Pfeile und den beiden Schatten eine Proportion und machte mir das Resultat namhaft. So handhabte er die Regel de Tri, ohne sie zu kennen.
Das merkwürdigste Beispiel trug sich jedoch zu, als wir einen breiten, reissenden Strom kreuzen wollten, bei welcher Gelegenheit es nöthig wurde, zum Anhaltspunkte für Ross und Reiter ein Seil hinüberzuwerfen. Es fragte sich nun, wie lang das Seil seyn müsse, das heisst, wie breit der Fluss sey. Ein alter Häuptling ritt vor, um die Aufgabe zu lösen, und that dies in folgender Weise. Er ging nach dem Ufer des Flusses und bezeichnet sich eine Stelle als Mittelpunkt; dann wählte er auf der andern Seite des Ufers rechts und links zwei Bäume, die dem Augenmass nach gleichweit von ihm abstanden. Als dies geschehen war, ritt er von dem Flusse zurück, bis er einen Punkt erreichte, der, wie ihm sein Gesicht sagte, mit den gedachten Bäumen ein gleichseitiges Dreieck bildete. Verzeichnen wir hier zur Erläuterung eine Figur:
Er hatte in dem vorstehenden Umrisse die Bäume A und B gewählt, war nach E zurückgegangen und hatte hier seine Lanze eingesteckt. Dann ritt er in der Richtnng ED zurück, bis die Strecke dem Augenmass nach AE gleich war, und befestigte in D wieder eine Lanze. Das gleiche Verfahren beobachtete er mit EC, und in C wurde die dritte Lanze eingesteckt. Da nun die Entfernung von F zu E gerade so gross seyn musste, als die von E zu G, so brauchte er nur den Raum zwischen dem Flussufer und E zu messen, und diese von EG abzuziehen, um die gewünschte Flussbreite zu erhalten.
Ich glaube nicht, dass diese Berechnung, die sich als vollkommen richtig erwies, länger als drei Minuten währte; auch darf man dabei nicht vergessen, dass das ganze Verfahren im Angesichte des Feindes stattfand. Kehren wir übrigens zu meiner Geschichte zurück.
Zehntes Kapitel.
Als ich über den unglücklichen Tod des Fürsten Bericht erstattete, habe ich bereits angegeben, dass die Krähen den Weissen, welche sich unter den Shoshonen aufhielten, nicht geneigt waren. Dieser Groll beschränkte sich jedoch nicht allein auf diesen Stamm, sondern verbreitete sich auch auf alle übrigen, die dem Buona-Venturaflusse auf zwei- oder dreihundert Meilen nahe wohnten, und es war in der That nicht zu verwundern. Seit unserer Ankunft hatten die Shoshonen einen gewissen Grad von Taktik und eine Einheit im Handeln gewonnen, die allein schon hinreichend war, alle ihre Feinde im Zaume zu halten, abgesehen von dem gewaltigen Uebergewicht,, das ihnen durch die grosse Anzahl von Feuerwaffen und die fast unerschöpfliche Munition gesichert wurde. Alle andern Völker waren eifersüchtig auf ihre Kraft und ihre Hülfsquellen, und diese Eifersucht wirkte in einem Grade auf sie, dass sie den Entschluss fassten, vereint einen Hauptstreich zu führen, um nicht nur das Uebergewicht der Shoshonen zu vernichten, sondern sich auch in den Besitz der unermesslichen Reichthümer zu versetzen, den, wie sie thörichterweise meinten, die Europäer in ihre Ansiedelung gebracht hätten.
Schon geraume Zeit vor den Vorfällen, die ich bereits in Betreff der Umbiquas und der Krähen berichtet habe, gingen Boten von Stamm zu Stamm umher, und die Stämme hatten sogar allen ihren gegenseitigen Privathass vergessen, um eine Verbindung gegen den gemeinsamen Feind zu bilden, den sie in den Shoshonen sahen. Ohne Zweifel war es bereits diesen Einleitungen zuzuschreiben, dass sich die Krähen und Umbiquas so kühn zeigten, obschon die rasche und erfolgreiche Wiedervergeltung, welche die Shoshonen übten, wohl geeignet war, den kriegerischen Geist, der um uns gährte, ein wenig abzukühlen. Als sich jedoch endlich auch die Arrapahoes dem Bunde angeschlossen hatten, eröffneten die Aliirten mit einemmale den Feldzug und brachen nach allen Richtungen in unser Gebiet ein.
Diese Ueberrumpelung setzte sie in die Lage, im Laufe der ersten drei Wochen Alles fortzuführen, was sie trafen, da die Mehrzahl unserer Krieger auf der Jagd war. Sobald aber Letztere Kunde von der Gefahr erhielten, eilten sie zurück und gaben der Sache bald eine andere Wendung. Der verlorne Grund wurde Zoll um Zoll wieder gewonnen. Die Arrapahoes, welche viel gelitten hatten, traten von der Verbindung zurück, und da wir jetzt von dem Süden aus nichts mehr zu fürchten hatten, so kehrten wir unsere Streitkräfte gegen die nördlichen Gränzwohner. Trotz des Abfalls der Arrapahoes waren aber die vereinigten Stämme doch noch dreimal so stark an Zahl, als wir — eine furchtbare Macht, wenn es ihnen nicht an Einheit und Einklang im Handeln gefehlt hätte. Ihr Heerhaufen bestand aus ungefähr fünfzehntausend Kriegern — ein Gemische aus Umbiquas, Callapoos, Cayusen, durchbohrten Nasen, Bonnaxes, Flachköpfen und einer Anzahl Krähen, welch’ letztere sich ihre kürzliche Niederlage nicht zur Lehre hatten dienen lassen. Die Ueberlegenheit unserer Waffen, unserer Taktik, unserer Mannszucht und unserer Befestigungskunst nebst den guten Diensten, die uns ein paar alte, plumpe, spanische Vierpfünder leisteten, setzten uns in den Stand, in kurzer Zeit nicht nur die ganze Verbindung aufzulösen, sondern auch einige unserer verrätherischen Nachbarn für immer zu unterdrücken und zu vernichten. Da es für einen Fremden langweilig seyn würde, den Bewegungen des ganzen Feldzuges zu folgen, so will ich mich auf die Rolle beschränken, die ich dabei spielte.13)
Wir waren in vier Kriegshaufen getheilt: der eine stritt im Nordost gegen die Bonnaxes und die Flachköpfe, der zweite an den Gabeln der Buona-Ventura und des Calumet gegen die Cayusen und durchbohrte Nasen, der dritte blieb in der Nähe der Ansiedelung, um sie gegen Ueberrumpelung zu schützen, während ein kleinerer vierter, zu dem auch ich gehörte, unter dem Kommando meines Vaters das Bootshaus an der Fischerei besetzt hielt. Ausser diesen vier Abtheilungen waren noch mehrere wohlbewaffnete Rotten zu Wasser und zu Land in das Gebiet der Umbiquas geschickt worden.
Anfangs beschränkte sich unser Feldzug an den Ufern des stillen Weltmeers blos auf Scharmützel, gewann aber bald mehr Bedeutung, als sich nach und nach die Callapoos in grösserer Anzahl mit den Umbiquas vereinigten. Wir verloren nicht nur die im Umbiqua-Gebiete gewonnenen Vortheile, sondern mussten uns sogar allmählig bis zu dem Posten zurückziehen, dem wir unsere Rettung verdankten. Wir bestanden nur aus hundertundsechs Mann, während unsere Gegner vierhundertundachtzig zählten, und doch fiel ein Fünftel ihres Haufens in einem einzigen Nachmittag bei Gelegenheit eines verzweifelten Angriffs auf unseren Posten, der in einen bewunderungswürdigen Vertheidigungsstand gesetzt worden war.
Das Dach desselben war mit Kupferplatten bedeckt worden; desgleichen hatten wir auch in verschiedenen Theilen der Mauer Löcher angebracht, um unsere Kanonen benützen zu können, von denen der Feind keine Kunde hatte. Der erste Angriff war tapfer geführt und ihre Kugeln und Pfeile drangen in Menge durch unsere Schiessscharten herein. Sie zeterten wie eine Million von Teufeln, als sie in gedrängten Haufen mit Leitern und Fackeln anrückten, und als sie noch sechszig Schritte entfernt waren, lösten wir unsere, mit Kartätschen geladenen Kanonen, die eine furchtbare Wirkung übten. Demungeachtet wich der Feind nicht zurück, sondern erhob sein Kriegsgeschrei und stürzte mit wahrhaft heldenmüthiger Entschlossenheit vorwärts. Die Kanonen wurden wieder abgefeuert; auch gaben wir eine volle Musketensalve, worauf vierzig unserer Leute einen Ausfall machten. Dieser letzte Angriff war unwiderstehlich; der Feind floh in allen Richtungen und liess seine Verwundeten und Todten zurück. Am nämlichen Abend erhielten wir von der Ansiedelung her achtunddreissig Mann Verstärkung, welche einen grossen Vorrath von Büffelfleisch und zwanzig schöne, fette Fohlen mitbrachten. Dies gereichte uns zu grossem Troste, da wir schon mehrere Tage nur von unsern getrockneten Fischen hatten leben müssen.
Sieben Tage lang sahen wir nichts mehr von dem Feinde. Unsere Kundschafter spähten jedoch in allen Richtungen, und in einer Bay bei George-Point überraschte unser Langboot sechsunddreissig grosse Kähne, in welchen die Callapoos angelangt waren. Die Boote wurden zerstört und ihre Hüter scalpirt. Da die Hitze ungeheuer war, so beschlossen wir, uns nicht mehr in die Mauern des Postens einzuschliessen, sondern bildeten ein geräumiges