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Der Untertan. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Der Untertan - Heinrich Mann


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stand noch da, die Stirn feucht und mit be­fan­ge­nen Sin­nen. Plötz­lich seufz­te er tief auf und lä­chel­te lang­sam.

      Nach­her auf der Knei­pe war die Rede nur von die­sem Vor­fall. Die­de­rich rühm­te den Kom­mi­li­to­nen das wahr­haft rit­ter­li­che Ver­hal­ten des Gra­fen.

      »Ein wirk­li­cher Edel­mann ver­leug­net sich doch nie.«

      Er mach­te den Mund klein wie ein Maus­loch und stieß, in lang­sa­mer Schwel­lung, die Wor­te her­vor:

      »F-For­men sind doch kein lee­rer Wahn.«

      Im­mer wie­der rief er Gott­lieb Hor­nung als Zeu­gen sei­nes großen Au­gen­blickes auf.

      »So gar nichts Stei­fes, wie? Oh! Auf einen doch im­mer­hin ge­wag­ten Scherz kommt es sol­chem Herrn nicht an. Eine Hal­tung da­bei: t-hadel­los, kann ich euch sa­gen. Die Er­klä­run­gen Sei­ner Er­laucht wa­ren so durch­aus be­frie­di­gend, dass ich mei­ner­seits un­mög­lich –: Ihr be­greift, man ist kein Rauh­bein.«

      Alle be­grif­fen es und be­stä­tig­ten Die­de­rich, dass die Neu­teu­to­nia in die­ser Sa­che durch­aus an­stän­dig ab­ge­schnit­ten habe. Die Kar­ten der bei­den Edel­leu­te wur­den bei den Füch­sen um­her­ge­reicht und zwi­schen den ge­kreuz­ten Schlä­gern am Kai­ser­bild be­fes­tigt. Kein Neu­teu­to­ne, der sich heu­te nicht be­trank.

      *

      Da­mit en­de­te das Se­mes­ter; aber Die­de­rich und Hor­nung hat­ten für die Heim­rei­se kein Geld. Das Geld fehl­te ih­nen schon längst für fast al­les. Mit Rück­sicht auf die Pf­lich­ten des Ver­bin­dungs­le­bens war Die­de­richs Wech­sel auf zwei­hun­dert­fünf­zig Mark er­höht wor­den; und doch über­mann­ten ihn die Schul­den. Alle Quel­len schie­nen aus­ge­pumpt, nur dür­res Land sah man, ver­schmach­tend, sich da­hin­deh­nen – und end­lich muss­te man wohl, so we­nig dies Rit­tern an­ge­stan­den hät­te, über die Zu­rück­for­de­rung des­sen be­ra­ten, was sie selbst im Lauf der Zei­ten an Kom­mi­li­to­nen ver­lie­hen hat­ten. Ge­wiss war man­cher alte Herr in­zwi­schen zu großen Gel­dern ge­langt. Hor­nung fand kei­nen; Die­de­rich ver­fiel auf Mahl­mann.

      »Bei dem geht es«, er­klär­te er. »Der war bei gar kei­ner Ver­bin­dung: ein ganz ge­mei­ner Rupp­sack. Dem werd’ ich mal auf die Bude stei­gen.«

      Aber als Mahl­mann ihn er­blick­te, brach er ohne wei­te­res in sein rie­sen­haf­tes La­chen aus, dass Die­de­rich fast ver­ges­sen hat­te und das ihn so­fort un­wi­der­steh­lich her­ab­stimm­te. Mahl­mann war takt­los! Er hät­te doch füh­len sol­len, dass hier in sei­nem Pa­tent­bü­ro mit Die­de­rich die gan­ze Neu­teu­to­nia mo­ra­lisch zu­ge­gen war, und hät­te Die­de­rich um ih­ret­wil­len Ach­tung er­wei­sen sol­len. Die­de­rich hat­te den Ein­druck, als sei er aus der krafts­pen­den­den Ge­samt­heit jäh her­aus­ge­ris­sen und ste­he hier als ein­zel­ner Mensch vor ei­nem an­de­ren. Eine nicht vor­ge­se­he­ne, un­lieb­sa­me Lage! Umso un­be­fan­ge­ner trug er sei­ne Sa­che vor. Oh! Er wol­le kein Geld zu­rück, das wür­de er ei­nem Ka­me­ra­den nie­mals zu­ge­mu­tet ha­ben! Mahl­mann möge nur so ge­fäl­lig sein, ihm für einen Wech­sel zu bür­gen. Mahl­mann lehn­te sich in sei­nen Schreib­ses­sel zu­rück und sag­te breit und selbst­ver­ständ­lich:

      »Nein.«

      Die­de­rich, be­trof­fen:

      »Wie­so, nein?«

      »Bür­gen ist ge­gen mei­ne Prin­zi­pi­en«, er­klär­te Mahl­mann.

      Die­de­rich er­rö­te­te vor Ent­rüs­tung. »Aber ich habe doch auch für Sie ge­bürgt, und dann ist der Wech­sel an mich ge­kom­men, und ich muss­te für Sie hun­dert Mark ble­chen. Sie ha­ben sich ge­hü­tet!«

      »Se­hen Sie wohl? Und wenn ich jetzt für Sie bür­gen woll­te, wür­den Sie auch nicht be­zah­len.«

      Die­de­rich riss nur noch die Au­gen auf.

      »Nein, Freund­chen«, schloss Mahl­mann; »wenn ich Selbst­mord be­ge­hen will, brauch’ ich Sie nicht dazu.«

      Die­de­rich fass­te sich, er sag­te her­aus­for­dernd:

      »Sie ha­ben wohl kei­nen Kom­ment, mein Herr.«

      »Nein«, wie­der­hol­te Mahl­mann und lach­te un­ge­heu­er­lich.

      Mit äu­ßers­tem Nach­druck stell­te Die­de­rich fest: »Dann schei­nen Sie über­haupt ein Schwind­ler zu sein. Es soll ja ge­wis­se Pa­tent­schwind­ler ge­ben.«

      Mahl­mann lach­te nicht mehr; die Au­gen in sei­nem klei­nen Kopf wa­ren tückisch ge­wor­den, und er stand auf. »Nun müs­sen Sie ’r­aus­ge­hen«, sag­te er, ohne Er­re­gung. »Un­ter uns wäre es wohl Wurst, aber ne­ben­an sit­zen mei­ne An­ge­stell­ten, die dür­fen so was nicht hö­ren.«

      Er pack­te Die­de­rich an den Schul­tern, dreh­te ihn her­um und schob ihn vor sich her. Für je­den Ver­such, sich los­zu­ma­chen, be­kam Die­de­rich einen mäch­ti­gen Knuff.

      »Ich for­de­re Ge­nug­tu­ung«, schrie er. »Sie müs­sen sich mit mir schla­gen!«

      »Ich bin schon da­bei. Mer­ken Sie es nicht? Dann will ich noch einen ru­fen.« Er öff­ne­te die Tür. »Fried­rich!« Und Die­de­rich ward ei­nem Pa­cker über­lie­fert, der ihn die Trep­pe hin­ab­be­för­der­te. Mahl­mann rief ihm nach:

      »Nichts für un­gut, Freund­chen. Wenn Sie ein an­der­mal was auf dem Her­zen ha­ben, kom­men Sie ru­hig wie­der!«

      Die­de­rich brach­te sich in Ord­nung und ver­ließ das Haus in gu­ter Hal­tung. Umso schlim­mer für Mahl­mann, wenn er sich so auf­führ­te! Die­de­rich hat­te sich nichts vor­zu­wer­fen; vor ei­nem Ehren­ge­richt wäre er glän­zend da­ge­stan­den. Et­was höchst An­stö­ßi­ges blieb es, dass ein ein­zel­ner sich so viel er­lau­ben konn­te; Die­de­rich war ge­kränkt im Na­men sämt­li­cher Kor­po­ra­tio­nen. An­de­rer­seits war es nicht zu leug­nen, dass Mahl­mann Die­de­richs alte Hochach­tung wie­der be­trächt­lich auf­ge­frischt hat­te. »Ein ganz ge­mei­ner Hund«, dach­te Die­de­rich. »Aber so muss man sein …«

      Zu Hau­se lag ein ein­ge­schrie­be­ner Brief.

      »Nun kön­nen wir fort­ma­chen«, sag­te Hor­nung.

      »Wie­so wir? Ich brauch’ mein Geld selbst.«

      »Du machst wohl Spaß. Ich kann hier doch nicht al­lein sit­zen­blei­ben.«

      »Dann such’ dir Ge­sell­schaft!«

      Die­de­rich schlug ein sol­ches Ge­läch­ter auf, dass Hor­nung ihn für ver­rückt hielt. Da­rauf reis­te er wirk­lich.

      Un­ter­wegs sah er erst, dass der Brief von sei­ner Mut­ter adres­siert war. Das war un­ge­wöhn­lich … Seit ih­rer letz­ten Kar­te, sag­te sie, sei es mit sei­nem Va­ter noch viel schlim­mer ge­wor­den. Wa­rum Die­de­rich nicht ge­kom­men sei.

      »Wir müs­sen uns auf das Ent­setz­lichs­te ge­fasst ma­chen. Wenn Du un­se­ren in­nigst ge­lieb­ten Papa noch ein­mal se­hen willst, o dann säu­me nicht län­ger, mein Sohn!«

      Bei die­ser Aus­drucks­wei­se ward es Die­de­rich un­ge­müt­lich. Er ent­schloss sich, sei­ner Mut­ter ein­fach nicht zu glau­ben. »Wei­bern glaub’ ich über­haupt nichts, und mit Mama ist es nun mal nicht rich­tig.«

      Trotz­dem


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