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Der Untertan. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Der Untertan - Heinrich Mann


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ist dar­über in­stru­iert, es kön­ne vor­kom­men, dass es auf die lie­ben Ver­wand­ten schie­ßen muss. Also? Ich kann Ih­nen mit­tei­len, mein Lie­ber, wir ste­hen am Vora­bend großer Er­eig­nis­se.«

      Da Die­de­rich er­reg­te Neu­gier zeig­te:

      »Was ich durch mei­nen Vet­ter von Klapp­ke –«

      Wie­bel mach­te eine Pau­se. Die­de­rich zog die Ab­sät­ze zu­sam­men:

      »– in Er­fah­rung ge­bracht habe, ist noch nicht für die Öf­fent­lich­keit reif. Ich will nur be­mer­ken, dass der gest­ri­ge Auss­pruch Sei­ner Ma­je­stät, die Nörg­ler möch­ten ge­fäl­ligst den deut­schen Staub von ih­ren Pan­tof­feln schüt­teln, eine ver­teu­felt ernst zu neh­men­de War­nung war.«

      »Tat­säch­lich? Sie glau­ben?« sag­te Die­de­rich. »Dann ist mein Pech wirk­lich skan­da­lös, dass ich ge­ra­de jetzt aus dem Dienst Sei­ner Ma­je­stät schei­den muss­te. Ich darf sa­gen, dass ich ge­gen den in­ne­ren Feind mei­ne vol­le Pf­licht ge­tan ha­ben wür­de. Auf die Ar­mee, so viel weiß ich, kann der Kai­ser sich ver­las­sen.«

      Er war in die­sen nass­kal­ten Fe­bruar­ta­gen des Jah­res 1892 viel auf der Stra­ße, in der Er­war­tung großer Er­eig­nis­se. Un­ter den Lin­den hat­te sich et­was ver­än­dert, man sah noch nicht, was. Be­rit­te­ne Schutz­leu­te hiel­ten an den Mün­dun­gen der Stra­ßen und war­te­ten auch. Die Passan­ten zeig­ten ein­an­der das Auf­ge­bot der Macht. »Die Ar­beits­lo­sen!« Man blieb ste­hen, um sie an­kom­men zu se­hen. Sie ka­men vom Nor­den her, in klei­nen Ab­tei­lun­gen und im lang­sa­men Marsch­schritt. Un­ter den Lin­den zö­ger­ten sie, wie ver­wirrt, be­rie­ten sich mit den Bli­cken und lenk­ten nach dem Schloss ein. Dort stan­den sie, stumm, die Hän­de in den Ta­schen, lie­ßen sich von den Rä­dern der Wa­gen mit Schlamm be­sprit­zen und zo­gen die Schul­tern hoch un­ter dem Re­gen, der auf ihre ent­färb­ten Über­zie­her fiel. Man­che von ih­nen wand­ten die Köp­fe nach vor­über­ge­hen­den Of­fi­zie­ren, nach den Da­men in ih­ren Wa­gen, nach den lan­gen Pel­zen der Her­ren, die von der Burg­stra­ße her schlen­der­ten; und ihre Mie­nen wa­ren ohne Aus­druck, nicht dro­hend und nicht ein­mal neu­gie­rig, nicht, als woll­ten sie se­hen, son­dern als zeig­ten sie sich. An­de­re aber lie­ßen kein Auge von den Fens­tern des Schlos­ses. Das Was­ser lief über ihre hin­auf­ge­wende­ten Ge­sich­ter. Ein Pferd mit ei­nem schrei­en­den Schutz­mann trieb sie wei­ter, hin­über oder bis zur nächs­ten Ecke – aber schon stan­den sie wie­der, und die Welt schi­en ver­sun­ken zwi­schen die­sen brei­ten hoh­len Ge­sich­tern, die fah­ler Abend be­schi­en, und der star­ren Mau­er dort hin­ten, auf der es dun­kel­te.

      »Ich be­grei­fe nicht«, sag­te Die­de­rich, »dass die Po­li­zei nicht ener­gi­scher vor­geht. Das ist doch eine un­bot­mä­ßi­ge Ban­de.«

      »Las­sen Sie’s gut sein«, er­wi­der­te Wie­bel. »Die Schutz­leu­te sind ge­nau in­stru­iert. Die Her­ren da oben ha­ben ihre wohl­über­leg­ten Ab­sich­ten, das kön­nen Sie mir glau­ben. Es ist näm­lich gar nicht im­mer zu wün­schen, dass der­ar­ti­ge Fäul­niser­schei­nun­gen am Staats­kör­per gleich an­fangs un­ter­drückt wer­den. Man lässt sie aus­rei­fen, dann macht man gan­ze Ar­beit!«

      Die Rei­fe, die Wie­bel mein­te, kam täg­lich nä­her, am sechs­und­zwan­zigs­ten schi­en sie da. Die De­mons­tra­tio­nen der Ar­beits­lo­sen sa­hen ziel­be­wus­s­ter aus. In eine der nörd­li­chen Stra­ßen zu­rück­ge­trie­ben, quol­len sie aus der nächs­ten, be­vor man ih­nen den Weg ab­schnei­den konn­te, ver­stärkt wie­der her­vor. Un­ter den Lin­den ver­ei­nig­ten sich ihre Züge, ran­nen, so­oft sie ge­trennt wur­den, wie­der zu­sam­men, er­reich­ten das Schloss, wi­chen zu­rück und er­reich­ten es noch ein­mal, stumm und un­auf­halt­sam wie über­ge­tre­te­nes Was­ser. Der Wa­gen­ver­kehr stock­te, die Fuß­gän­ger stau­ten sich, mit hin­ein­ge­zo­gen in die lang­sa­me Über­schwem­mung, worin der Platz er­trank, in dies trü­be und miss­far­be­ne Meer der Ar­men, das zäh da­hin­roll­te, dump­fe Lau­te her­auf­wälz­te und wie Mas­ten un­ter­ge­gan­ge­ner Schif­fe die Stan­gen mit den Ban­nern hin­auf­reck­te: »Brot! Ar­beit!« Ein deut­li­che­res Grol­len, aus­bre­chend aus der Tie­fe, jetzt drü­ben, jetzt hier: »Brot! Ar­beit!« An­schwel­lend über die Men­ge hin­rol­lend, wie aus ei­ner Ge­wit­ter­wol­ke: »Brot! Ar­beit!« Eine At­ta­cke der Be­rit­te­nen, ein Auf­schäu­men, Zu­rück­flie­ßen, und Wei­ber­stim­men im Lärm, schrill, gleich Si­gna­len: »Brot! Ar­beit!«

      Man wird über­rannt, vom Fried­rich­denk­mal fegt es die Neu­gie­ri­gen her­un­ter. Auch sie ha­ben auf­ge­ris­se­ne Mün­der; aus klei­nen Be­am­ten, de­nen der Weg ins Amt ver­sperrt ist, fliegt Staub auf, als wür­den sie ge­klopft. Ein ver­zerr­tes Ge­sicht, das Die­de­rich nicht er­kennt, schreit ihm zu: »Es kommt an­ders! Jetzt geht es ge­gen die Ju­den!« – und ist un­ter­ge­gan­gen, be­vor ihm ein­fällt, es war Herr von Bar­nim. Er will ihm nach, wird in ei­nem großen Schub weit hin­über­ge­wor­fen, bis vor das Fens­ter ei­nes Cafés, hört das Klir­ren der ein­ge­drück­ten Schei­be, einen Ar­bei­ter, der schreit: »Da ha­ben se mich neu­lich ’r­aus­ge­setzt for mei­ne drei­ßig Fenn­je, weil ich kei­nen Zy­lin­der­hut hat­te« – und dringt mit ein durch das Fens­ter, zwi­schen die um­ge­wor­fe­nen Ti­sche, auf den Bo­den, wo man über Scher­ben fällt, ein­an­der die Bäu­che ein­stößt und laut ze­tert. »Nie­mand mehr ’rein! Wir krie­gen kei­ne Luft!« Aber im­mer mehr stei­gen ein. »Die Po­li­zei drän­gelt!« Und die Mit­te der Stra­ße sieht man frei lie­gen, ge­säu­bert, wie für einen Tri­umph­zug. Da sagt je­mand: »Das ist doch Wil­helm!«

      Und Die­de­rich war wie­der drau­ßen. Nie­mand wuss­te, wie es kam, dass man auf ein­mal mar­schie­ren konn­te, in ge­dräng­ter Mas­se, auf der gan­zen Brei­te der Stra­ße und zu bei­den Sei­ten bis an die Flan­ken des Pfer­des, wor­auf der Kai­ser saß: er selbst. Man sah ihn an und ging mit. Knäu­el von Schrei­en­den wur­den auf­ge­löst und mit­ge­ris­sen. Alle sa­hen ihn an. Dunkles Ge­schie­be, ohne Form, plan­los, gren­zen­los, und hell dar­über ein jun­ger Herr im Helm, der Kai­ser. Sie sa­hen: sie hat­ten ihn her­un­ter­ge­holt aus dem Schloss. Sie hat­ten: »Brot! Ar­beit!« ge­schri­en, bis er ge­kom­men war. Nichts hat­te sich ge­än­dert, als dass er da war – und schon mar­schier­ten sie, als gehe es auf das Tem­pel­ho­fer Feld.

      Seit­wärts, wo die Rei­hen dün­ner wa­ren, sag­ten bür­ger­lich Ge­klei­de­te zu­ein­an­der: »Na, Gott sei Dank, er weiß, was er will!«

      »Was will er denn?«

      »Der Ban­de zei­gen, wer die Macht hat! Im gu­ten hat er es mit ih­nen ver­sucht. Er ist so­gar zu weit ge­gan­gen in den Er­las­sen vor zwei Jah­ren. Sie sind frech ge­wor­den!«

      »Angst kennt er nicht, das muss man sa­gen. Kin­der, dies ist ein his­to­ri­scher Mo­ment!«

      Die­de­rich hör­te es und er­schau­der­te. Der alte Herr, der ge­spro­chen hat­te, wand­te sich auch an ihn. Er hat­te wei­ße Bart­ko­te­let­tes und das Ei­ser­ne Kreuz.

      »Jun­ger Mann«, sag­te er, »was un­ser herr­li­cher jun­ger Kai­ser da macht, das wer­den die Kin­der mal aus den Schul­bü­chern ler­nen. Pas­sen Sie auf!«

      Vie­le hat­ten ge­ho­be­ne Brüs­te und fei­er­li­che Mie­nen. Die Her­ren, die dem Kai­ser folg­ten, blick­ten mit äu­ßers­ter Ent­schlos­sen­heit dar­ein, ihre Pfer­de aber lenk­ten sie durch das Volk, als sei­en alle die Leu­te zum Sta­tie­ren bei


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