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Der Untertan. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Der Untertan - Heinrich Mann


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und die Erin­ne­rung an ihre Ohn­macht!

      Ein jun­ger Mensch mit ei­nem Künst­ler­hut ging ne­ben Die­de­rich, er sag­te: »Ken­nen wir. Na­po­le­on in Mos­kau, wie er sich solo un­ter die Be­völ­ke­rung mischt.«

      »Das ist doch groß­ar­tig!« be­haup­te­te Die­de­rich, und die Stim­me ver­sag­te ihm. Der an­de­re zuck­te die Ach­seln.

      »Thea­ter, und nicht mal gut.«

      Die­de­rich sah ihn an, er ver­such­te zu blit­zen wie der Kai­ser.

      »Sie sind wohl auch so ei­ner.«

      Er hät­te nicht sa­gen kön­nen, was für ei­ner. Er fühl­te nur, dass er hier, zum ers­ten Mal im Le­ben, die gute Sa­che zu ver­tre­ten habe ge­gen feind­li­che Be­män­ge­lun­gen. Trotz sei­ner Auf­re­gung sah er sich noch die Schul­tern des Men­schen an: sie wa­ren nicht breit. Auch äu­ßer­te die Um­ge­bung sich miss­bil­li­gend. Da ging Die­de­rich vor. Mit sei­nem Bauch dräng­te er den Feind ge­gen die Mau­er und schlug auf den Künst­ler­hut ein. An­de­re knuff­ten mit. Der Hut lag schon am Bo­den und bald auch der Mensch. Im Wei­ter­ge­hen be­merk­te Die­de­rich zu sei­nen Mit­kämp­fern:

      »Der hat si­cher nicht ge­dient! Schmis­se hat er auch kei­ne!«

      Der alte Herr mit Bart­ko­te­let­tes und Ei­ser­nem Kreuz war auch wie­der da, er drück­te Die­de­rich die Hand.

      »Brav, jun­ger Mann, brav!«

      »Soll man da nicht wü­tend wer­den?« er­klär­te Die­de­rich, noch keu­chend. »Wenn der Mensch uns den his­to­ri­schen Mo­ment ver­ekeln will?«

      »Sie ha­ben ge­dient?« frag­te der alte Herr.

      »Ich wäre am liebs­ten ganz da­bei­ge­blie­ben«, sag­te Die­de­rich.

      »Na ja, Se­dan ist nicht alle Tage« – der alte Herr be­tupf­te sein Ei­ser­nes Kreuz. »Das wa­ren wir

      Die­de­rich reck­te sich, er zeig­te auf das be­zwun­ge­ne Volk und den Kai­ser.

      »Das ist doch ge­ra­de­so­gut wie Se­dan!«

      »Na ja«, sag­te der alte Herr.

      »Ge­stat­ten Sie mal, sehr ge­ehr­ter Herr«, rief je­mand und schwenk­te sein No­tiz­buch. »Wir müs­sen das brin­gen. Stim­mungs­bild, ver­stehn­se? Sie ha­ben wohl einen Ge­nos­sen ver­walkt?«

      »Klei­nig­keit« – Die­de­rich keuch­te noch im­mer. »Mei­net­we­gen könnt’ es jetzt gleich los­ge­hen ge­gen den in­ne­ren Feind. Un­se­ren Kai­ser ha­ben wir mit.«

      »Fein«, sag­te der Re­por­ter und schrieb: »In der wild­be­weg­ten Men­ge hört man Leu­te al­ler Stän­de der treues­ten An­häng­lich­keit und dem un­er­schüt­ter­li­chen Ver­trau­en zu der Al­ler­höchs­ten Per­son Aus­druck ge­ben.«

      »Hur­ra!« schrie Die­de­rich, denn alle schri­en es; und in­mit­ten ei­nes mäch­ti­gen Sto­ßes von Men­schen, der schrie, ge­lang­te er jäh bis un­ter das Bran­den­bur­ger Tor. Zwei Schrit­te vor ihm ritt der Kai­ser hin­durch. Die­de­rich konn­te ihm ins Ge­sicht se­hen, in den stei­ner­nen Ernst und das Blit­zen; aber ihm ver­schwamm es vor den Au­gen, so sehr schrie er. Ein Rausch, hö­her und herr­li­cher als der, den das Bier ver­mit­telt, hob ihn auf die Fuß­spit­zen, trug ihn durch die Luft. Er schwenk­te den Hut hoch über al­len Köp­fen, in ei­ner Sphä­re der be­geis­ter­ten Ra­se­rei, durch einen Him­mel, wo un­se­re äu­ßers­ten Ge­füh­le krei­sen. Auf dem Pferd dort, un­ter dem Tor der sieg­rei­chen Ein­mär­sche und mit Zü­gen stei­nern und blit­zend, ritt die Macht! Die Macht, die über uns hin­geht und de­ren Hufe wir küs­sen! Die über Hun­ger, Trotz und Hohn hin­geht! Ge­gen die wir nichts kön­nen, weil wir alle sie lie­ben! Die wir im Blut ha­ben, weil wir die Un­ter­wer­fung dar­in ha­ben! Ein Atom sind wir von ihr, ein ver­schwin­den­des Mo­le­kül von et­was, das sie aus­ge­spuckt hat! Je­der ein­zel­ne ein Nichts, stei­gen wir in ge­glie­der­ten Mas­sen, als Neu­teu­to­nen, als Mi­li­tär, Be­am­ten­tum, Kir­che und Wis­sen­schaft, als Wirt­schafts­or­ga­ni­sa­tio­nen und Macht­ver­bän­de ke­gel­för­mig hin­an, bis dort oben, wo sie selbst steht, stei­nern und blit­zend! Le­ben in ihr, ha­ben teil an ihr, un­er­bitt­lich ge­gen die, die ihr fer­ner sind, und tri­um­phie­rend, noch wenn sie uns zer­schmet­tert: denn so recht­fer­tigt sie un­se­re Lie­be! … Ei­ner der Schutz­leu­te, de­ren Ket­te das Tor ab­sperr­te, stieß Die­de­rich vor die Brust, dass ihm der Atem aus­blieb; er aber hat­te die Au­gen so voll Sie­ge­stau­mel, als rei­te er selbst über alle die­se Elen­den hin­weg, die ge­bän­digt ih­ren Hun­ger ver­schluck­ten. Ihm nach! Dem Kai­ser nach! Alle fühl­ten wie Die­de­rich. Eine Schutz­manns­ket­te war zu schwach ge­gen so viel Ge­fühl; man durch­brach sie. Drü­ben stand eine zwei­te. Man muss­te ab­bie­gen, auf Um­we­gen den Tier­gar­ten er­rei­chen, einen Durch­schlupf fin­den. We­ni­ge fan­den ihn; Die­de­rich war al­lein, als er auf den Reit­weg hin­aus­stürz­te, dem Kai­ser ent­ge­gen, der auch al­lein war. Ein Mensch im ge­fähr­lichs­ten Zu­stand des Fa­na­tis­mus, be­schmutzt, zer­ris­sen, mit Au­gen wie ein Wil­der: der Kai­ser, vom Pferd her­un­ter, blitz­te ihn an, er durch­bohr­te ihn. Die­de­rich riss den Hut ab, sein Mund stand weit of­fen, aber der Schrei kam nicht. Da er zu plötz­lich an­hielt, glitt er aus und setz­te sich mit Wucht in einen Tüm­pel, die Bei­ne in der Luft, um­spritzt von Schmutz­was­ser. Da lach­te der Kai­ser. Der Mensch war ein Mon­ar­chist, ein treu­er Un­ter­tan! Der Kai­ser wand­te sich nach sei­nen Beglei­tern um, schlug sich auf den Schen­kel und lach­te. Die­de­rich aus sei­nem Tüm­pel sah ihm nach, den Mund noch of­fen.

      1 Chef, Auf­trag­ge­ber, Bro­therr <<<

      2 Kom­mis (auch Com­mis) ist eine Be­zeich­nung für einen Kon­to­ris­ten, Hand­lungs­ge­hil­fen oder kauf­män­ni­schen An­ge­stell­ten in äl­te­rer Li­te­ra­tur. Nicht zu ver­wech­seln mit Kom­miss, Mi­li­tär­jar­gon für Trup­pe, Herr. <<<

      3 Das Kriegs­ge­schrei, auch Feld­ge­schrei, Schlacht­ruf oder Pa­nier ge­nannt, ist in der He­ral­dik ein Pracht­stück im Wap­pen. <<<

      4 Stu­den­ti­scher Be­griff, Aus­schluss von den Rech­ten an der Ta­fel. <<<

      5 Der Be­griff Do­g­cart wur­de in Eng­land für einen leich­ten, zwei­rä­de­ri­gen Wa­gen ver­wen­det, der von ei­nem Hund oder ei­nem Pferd ge­zo­gen wird. <<<

      Er rei­nig­te sich not­dürf­tig und kehr­te um. Auf ei­ner Bank saß eine Dame; Die­de­rich ging un­gern vor­über. Noch dazu starr­te sie ihm ent­ge­gen. »Gans«, dach­te er zor­nig. Da sah er, dass sie ein tief er­schro­cke­nes Ge­sicht hat­te, und dann er­kann­te er Ag­nes Göp­pel.

      »Eben bin ich dem Kai­ser be­geg­net«, sag­te er so­fort.

      »Dem Kai­ser?« frag­te sie, wie aus ei­ner an­de­ren Welt. Er be­gann, un­ter großen, un­ge­wohn­ten Ges­ten her­aus­zu­ja­gen, was ihn er­stick­te. Un­ser herr­li­cher jun­ger Kai­ser, ganz al­lein un­ter ra­sen­den Auf­rüh­rern! Ein Café hat­ten sie de­mo­liert,


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