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Der Untertan. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Der Untertan - Heinrich Mann


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Herr Hess­ling wünsch­te, dass Die­de­rich die Fe­ri­en be­nut­ze, um in der vä­ter­li­chen Werk­stät­te den Gang der Pa­pier­ver­fer­ti­gung ken­nen­zu­ler­nen. »Ich bin nicht mehr der Jüngs­te, und mein Gra­nat­split­ter hat mich auch schon lan­ge nicht so ge­kit­zelt.«

      Die­de­rich ent­wisch­te, so­bald er konn­te, um im Wald von Gäb­bel­chen oder längs des Nug­ge­ba­ches bei Goh­se spa­zie­ren­zu­ge­hen und sich mit der Na­tur eins zu füh­len. Denn das konn­te er jetzt. Zum ers­ten Mal fiel es ihm auf, dass die Hü­gel da­hin­ten trau­rig oder wie eine große Sehn­sucht aus­sa­hen, und was als Son­ne oder Re­gen vom Him­mel fiel, wa­ren Die­de­richs hei­ße Lie­be und sei­ne Trä­nen. Denn er wein­te viel. Er ver­such­te so­gar zu dich­ten.

      Als er ein­mal die Lö­wen­apo­the­ke be­trat, stand hin­ter dem La­den­tisch sein Schul­ka­me­rad Gott­lieb Hor­nung. »Ja, ich spiel’ hier den Som­mer über ’n biss­chen Apo­the­ker«, er­klär­te er. Er hat­te sich so­gar schon aus Ver­se­hen ver­gif­tet und sich da­bei nach hin­ten zu­sam­men­ge­rollt wie ein Aal. Die gan­ze Stadt hat­te da­von ge­spro­chen! Aber zum Herbst ging er nun nach Ber­lin, um die Sa­che wis­sen­schaft­lich an­zu­fas­sen. Ob denn in Ber­lin was los sei. Ho­cher­freut über den Be­sitz sei­ner Über­le­gen­heit fing Die­de­rich an, mit sei­nen Ber­li­ner Er­leb­nis­sen zu prah­len. Der Apo­the­ker ver­hieß: »Wir bei­de zu­sam­men stel­len Ber­lin auf den Kopf.«

      Und Die­de­rich war schwach ge­nug, zu­zu­sa­gen. Die klei­ne Uni­ver­si­tät ward ver­wor­fen. Am Ende des Som­mers – Hor­nung hat­te noch ei­ni­ge Tage zu prak­ti­zie­ren – kehr­te Die­de­rich nach Ber­lin zu­rück. Er mied das Zim­mer in der Tieck­stra­ße. Vor Mahl­mann und den Göp­pels flüch­te­te er bis nach Ge­sund­brun­nen hin­aus. Dort war­te­te er auf Hor­nung. Aber Hor­nung, der sei­ne Abrei­se ge­mel­det hat­te, blieb aus; und als er end­lich kam, trug er eine grün-gelb-rote Müt­ze. Er war so­fort von ei­nem Kol­le­gen für eine Ver­bin­dung ge­keilt wor­den. Auch Die­de­rich soll­te ihr bei­tre­ten; es wa­ren die Neu­teu­to­nen, eine hoch­fei­ne Kor­po­ra­ti­on, sag­te Hor­nung; al­lein sechs Phar­ma­zeu­ten wa­ren da­bei. Die­de­rich ver­barg sei­nen Schre­cken un­ter der Mas­ke der Ge­ring­schät­zung, aber es half nichts. Er sol­le Hor­nung nicht bla­mie­ren, der von ihm ge­spro­chen habe; einen Be­such we­nigs­tens müs­se er ma­chen.

      »Aber nur einen«, sag­te er fest.

      Der eine dau­er­te, bis Die­de­rich un­ter dem Tisch lag und sie ihn fort­schaff­ten. Als er aus­ge­schla­fen hat­te, hol­ten sie ihn zum Früh­schop­pen; Die­de­rich war Kon­knei­pant ge­wor­den.

      Und für die­sen Pos­ten fühl­te er sich be­stimmt. Er sah sich in einen großen Kreis von Men­schen ver­setzt, de­ren kei­ner ihm et­was tat oder et­was an­de­res von ihm ver­lang­te, als dass er trin­ke. Voll Dank­bar­keit und Wohl­wol­len er­hob er ge­gen je­den, der ihn dazu an­reg­te, sein Glas. Das Trin­ken und Nicht­trin­ken, das Sit­zen, Ste­hen, Spre­chen oder Sin­gen hing meis­tens nicht von ihm selbst ab. Al­les ward laut kom­man­diert, und wenn man es rich­tig be­folg­te, leb­te man mit sich und der Welt in Frie­den. Als Die­de­rich beim Sala­man­der zum ers­ten Male nicht nach­klapp­te, lä­chel­te er in die Run­de, bei­na­he ver­schämt durch die ei­ge­ne Voll­kom­men­heit!

      Und das war noch nichts ge­gen sei­ne Si­cher­heit im Ge­sang! Die­de­rich hat­te in der Schu­le zu den bes­ten Sän­gern ge­hört und schon in sei­nem ers­ten Lie­der­heft die Sei­ten­zah­len aus­wen­dig ge­wusst, wo je­des Lied zu fin­den war. Jetzt brauch­te er in das Kom­mers­buch, das auf großen Nä­geln in der La­che von Bier lag, nur den Fin­ger zu schie­ben, und traf vor al­len an­de­ren die Num­mer, die ge­sun­gen wer­den soll­te. Oft hing er den gan­zen Abend mit Ehr­er­bie­tung am Mun­de des Prä­ses: ob viel­leicht sein Lieb­lings­stück dran­käme. Dann dröhn­te er tap­fer: »Sie wis­sen den Teu­fel, was Frei­heit heißt«, hör­te ne­ben sich den di­cken De­litzsch brum­men und fühl­te sich woh­lig ge­bor­gen in dem Halb­dun­kel des nied­ri­gen alt­deut­schen Lo­kals, mit den Müt­zen an der Wand, an­ge­sichts des Kran­zes ge­öff­ne­ter Mün­der, die alle das­sel­be tran­ken und san­gen, bei dem Ge­ruch des Bie­res und der Kör­per, die es in der Wär­me wie­der aus­schwitz­ten. Ihm war, wenn es spät ward, als schwit­ze er mit ih­nen al­len aus dem­sel­ben Kör­per. Er war un­ter­ge­gan­gen in der Kor­po­ra­ti­on, die für ihn dach­te und woll­te. Und er war ein Mann, durf­te sich selbst hoch­ach­ten und hat­te eine Ehre, weil er da­zu­ge­hör­te! Ihn her­aus­rei­ßen, ihm ein­zeln et­was an­ha­ben, das konn­te kei­ner! Mahl­mann hät­te sich ein­mal her­wa­gen und es ver­su­chen sol­len: zwan­zig Mann wä­ren statt Die­de­richs ge­gen ihn auf­ge­stan­den! Die­de­rich wünsch­te ihn ge­ra­de­zu her­bei, so furcht­los war er. Wo­mög­lich soll­te er mit Göp­pel kom­men, dann moch­ten sie se­hen, was aus Die­de­rich ge­wor­den war, dann war er ge­rächt!

      Gleich­wohl gab ihm die meis­te Sym­pa­thie der Harm­lo­ses­te von al­len ein, sein Nach­bar, der di­cke De­litzsch. Et­was tief Be­ru­hi­gen­des, Ver­trau­en­ge­stat­ten­des wohn­te in die­ser glat­ten, wei­ßen und hu­mor­vol­len Speck­mas­se, die un­ten breit über die Stuhl­rän­der quoll, in meh­re­ren Wüls­ten die Tisch­hö­he er­reich­te und dort, als sei nun das Äu­ßers­te ge­tan, auf­ge­stützt blieb, ohne eine an­de­re Be­we­gung als das He­ben und Hin­stel­len des Bier­gla­ses. De­litzsch war, wie nie­mand sonst, an sei­nem Platz; wer ihn da­sit­zen sah, ver­gaß, dass er ihn je auf den Bei­nen er­blickt hat­te. Er war aus­schließ­lich zum Sit­zen am Bier­tisch ein­ge­rich­tet. Sein Ho­sen­bo­den, der in je­dem an­de­ren Zu­stand tief und me­lan­cho­lisch her­ab­hing, fand nun sei­ne wah­re Ge­stalt und bläh­te sich macht­voll. Erst mit De­litz­sch’ hin­te­rem Ge­sicht blüh­te auch sein vor­de­res auf. Le­bens­freu­de über­glänz­te es, und er ward wit­zig.

      Ein Dra­ma ent­stand, wenn ein jun­ger Fuchs sich den Scherz mach­te, ihm das Bier­glas weg­zu­neh­men. De­litzsch rühr­te kein Glied, aber sei­ne Mie­ne, die dem ge­raub­ten Gla­se über­all­hin folg­te, ent­hielt plötz­lich den gan­zen, stür­misch be­weg­ten Ernst des Da­seins, und er rief in säch­si­schem Schrei­te­nor: »Jun­ge, dass de mir nischt ver­schüt­test! Was ent­ziehst de mir über­haupt mein’ Lä­bens­un­ter­halt! Das ist ’ne ganz ge­mei­ne, bös­wil­li­che Exis­tenz­schä­di­chung, und ich kann dich glatt ver­klaa­chen!«

      Dau­er­te der Spaß zu lan­ge, senk­ten sich De­litz­sch’ wei­ße Fett­wan­gen, und er bat, er mach­te sich klein. So­bald er aber das Bier zu­rück hat­te: wel­che all­um­fas­sen­de Aussöh­nung in sei­nem Lä­cheln, wel­che Ver­klä­rung! Er sag­te: »De bist doch ä gu­tes Lu­der, de sollst läm, prost!« – trank aus und klopf­te mit dem De­ckel nach dem Korps­die­ner: »Herr Ober­kör­per!«

      Nach ei­ni­gen Stun­den ge­sch­ah es wohl, dass sein Stuhl sich mit ihm um­dreh­te und De­litzsch den Kopf über das Be­cken der Was­ser­lei­tung hielt. Das Was­ser plät­scher­te, De­litzsch gur­gel­te er­stickt, und ein paar an­de­re stürz­ten, durch sei­ne Lau­te an­ge­regt, in die Toi­let­te. Noch ein we­nig sau­er von Ge­sicht, aber schon mit fri­scher Schel­me­rei, rück­te De­litzsch an den Tisch zu­rück.

      »Na, nu geht’s ja wie­der«, sag­te er; und: »Wo­von habt ’r denn ge­redt, wäh­rend ich an­der­wei­tig be­schäf­tigt war? Wisst ihr denn egal nischt wie Wei­ber­ge­schich­ten? Was koof’ ich mir für die Wei­ber?« Im­mer lau­ter: »Nich mal ä sau­ern Schop­pen kann ’ch mir da­für koofen. Sie, Herr Ober­kör­per!«


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