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Der Untertan. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Der Untertan - Heinrich Mann


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Groll ge­gen Ag­nes als ge­gen Mahl­mann. Denn Mahl­mann for­der­te zur Be­wun­de­rung her­aus, wenn er des Nachts ei­nem Un­be­kann­ten nach­lief, um ihm den Zy­lin­der ein­zu­schla­gen – ob­wohl Die­de­rich kei­nes­wegs die War­nung ver­kann­te, die solch ein Vor­gang für ihn selbst ent­hielt.

      Ende des Mo­nats, zu sei­nem Ge­burts­tag, be­kam er eine un­vor­her­ge­se­he­ne Sum­me, die sei­ne Mut­ter ihm er­spart hat­te, und er­schi­en bei Göp­pels mit ei­nem Bou­quet, kei­nem zu großen, um sich nicht bloß­zu­stel­len, und auch, um Mahl­mann nicht her­aus­zu­for­dern. Das jun­ge Mäd­chen hat­te, wie sie es nahm, ein er­grif­fe­nes Ge­sicht; und Die­de­rich lä­chel­te her­ab­las­send und ver­le­gen zu­gleich. Die­ser Sonn­tag deuch­te ihm un­er­hört fest­lich; er war nicht über­rascht, als man in den Zoo­lo­gi­schen Gar­ten ge­hen woll­te.

      Die­de­rich kehr­te vor den Da­men den Ber­li­ner her­aus. In der Stadt­bahn er­ober­te er ih­nen meh­re­re Sit­ze. Ei­nen Herrn, der im Be­griff stand, einen weg­zu­neh­men, hin­der­te er dar­an, in­dem er ihn hef­tig auf den Fuß trat. Der Herr schrie: »Fle­gel!« Die­de­rich ant­wor­te­te ihm im sel­ben Sinn. Da zeig­te es sich, dass Herr Göp­pel ihn kann­te – und kaum ein­an­der vor­ge­stellt, be­kun­de­ten Die­de­rich und der an­de­re die rit­ter­lichs­ten Sit­ten. Kei­ner woll­te sit­zen, um den an­de­ren nicht ste­hen zu las­sen.

      Am Tisch im Zoo­lo­gi­schen Gar­ten ge­riet Die­de­rich ne­ben Ag­nes – warum ging heu­te al­les glück­lich? –, und als sie gleich nach dem Kaf­fee zu den Tie­ren woll­te, un­ter­stütz­te er sie stür­misch. Er war voll Un­ter­neh­mungs­lust. Vor dem en­gen Gang zwi­schen den Raub­tier­kä­fi­gen kehr­ten die Da­men um. Die­de­rich trug Ag­nes sei­ne Beglei­tung an. »Da neh­men Sie doch lie­ber mich mit hin­ein«, sag­te Mahl­mann. »Wenn wirk­lich eine Stan­ge los­ge­hen soll­te –«

      »Dann ma­chen Sie sie auch nicht wie­der fest«, ent­geg­ne­te Ag­nes und trat ein, wäh­rend Mahl­mann sein Ge­läch­ter auf­schlug. Die­de­rich blieb hin­ter ihr. Ihm war ban­ge: vor den Bes­ti­en, die von rechts und links auf ihn zu­stürz­ten, ohne an­de­ren Laut als den des Atems, den sie über ihn hin­s­tie­ßen – und vor dem jun­gen Mäd­chen, des­sen Blu­men­duft ihm vor­an­zog. Ganz hin­ten wand­te sie sich um und sag­te:

      »Ich mag das Re­nom­mie­ren nicht!«

      »Wirk­lich?« frag­te Die­de­rich, vor Freu­de ge­rührt.

      »Heu­te sind Sie mal nett«, sag­te Ag­nes; und er:

      »Ich möch­te es ei­gent­lich im­mer sein.«

      »Wirk­lich?« – Und jetzt war es an ih­rer Stim­me, ein we­nig zu schwan­ken. Sie sa­hen ein­an­der an, je­der mit ei­ner Mie­ne, als ver­dien­te er das al­les nicht. Das jun­ge Mäd­chen sag­te kla­gend:

      »Die Tie­re rie­chen aber furcht­bar.«

      Und sie gin­gen zu­rück.

      Mahl­mann emp­fing sie. »Ich woll­te nur se­hen, ob Sie nicht aus­rei­ßen wür­den.« Dann nahm er Die­de­rich bei­sei­te. »Na? Was macht die Klei­ne? Geht es bei Ih­nen auch? Ich hab’ es gleich ge­sagt, dass es kei­ne Kunst ist.«

      Da Die­de­rich stumm blieb:

      »Sie sind wohl scharf ins Zeug ge­gan­gen? Wis­sen Sie was? Ich bin nur noch ein Se­mes­ter in Ber­lin; dann kön­nen Sie mich be­er­ben. Aber so lan­ge war­ten Sie ge­fäl­ligst –« Auf sei­nem un­ge­heu­ren Rumpf ward sein klei­ner Kopf plötz­lich tückisch an­zu­se­hen. »– Freund­chen!«

      Und Die­de­rich war ent­las­sen. Er hat­te einen hef­ti­gen Schre­cken be­kom­men und wag­te sich gar nicht mehr in Ag­nes’ Nähe. Sie hör­te nicht sehr auf­merk­sam auf Mahl­mann, sie rief rück­wärts: »Papa! Heu­te ist es schön, heu­te geht es mir aber wirk­lich gut.«

      Herr Göp­pel nahm ih­ren Arm zwi­schen sei­ne bei­den Hän­de und tat, als woll­te er fest zu­drücken, aber er be­rühr­te sie kaum. Sei­ne blan­ken Au­gen lach­ten und wa­ren feucht. Als die Fa­mi­lie Ab­schied ge­nom­men hat­te, ver­sam­mel­te er sei­ne Toch­ter und die bei­den jun­gen Leu­te um sich und er­klär­te ih­nen, der Tag müs­se ge­fei­ert wer­den; sie woll­ten die Lin­den ent­lang­ge­hen und nach­her ir­gend­wo es­sen.

      »Papa wird leicht­sin­nig!« rief Ag­nes und sah sich nach Die­de­rich um. Aber er hielt die Au­gen ge­senkt. In der Stadt­bahn be­nahm er sich so un­ge­schickt, dass er weit von den an­de­ren ge­trennt ward; und im Ge­drän­ge der Fried­rich­stadt blieb er mit Herrn Göp­pel al­lein zu­rück. Plötz­lich hielt Göp­pel an, tas­te­te ver­stört auf sei­nem Ma­gen um­her und frag­te:

      »Wo ist mei­ne Uhr?«

      Sie war fort mit­samt der Ket­te. Mahl­mann sag­te:

      »Wie lan­ge sind Sie schon in Ber­lin, Herr Göp­pel?«

      »Ja­wohl!« – und Göp­pel wen­de­te sich an Die­de­rich. »Drei­ßig Jah­re bin ich hier, aber das ist mir denn doch noch nicht pas­siert.« Und stolz trotz al­lem: »Se­hen Sie, das gib­t’s in Net­zig über­haupt nicht!«

      Nun muss­te man, statt zu es­sen, auf das Po­li­zei­re­vier und ein Ver­hör be­ste­hen. Und Ag­nes hus­te­te. Göp­pel zuck­te zu­sam­men. »Wir wä­ren jetzt doch zu müde«, mur­mel­te er. Mit künst­li­cher Jo­via­li­tät ver­ab­schie­de­te er Die­de­rich, der Ag­nes’ Hand über­sah und lin­kisch den Hut zog. Auf ein­mal, mit über­ra­schen­der Ge­schick­lich­keit und ehe Mahl­mann be­griff, was vor­ging, schwang er sich auf einen vor­bei­fah­ren­den Om­ni­bus. Er war ent­kom­men! Und jetzt fin­gen die Fe­ri­en an! Er war al­les los! Zu Hau­se frei­lich warf er die schwers­ten sei­ner Che­miebän­de mit Kra­chen auf den Bo­den. Er hielt so­gar schon die Kaf­fee­kan­ne in der Hand. Aber bei dem Geräusch ei­ner Tür be­gann er so­fort, al­les wie­der auf­zu­le­sen. Dann setz­te er sich still in die So­fae­cke, stütz­te den Kopf und wein­te. Wäre es nicht vor­her so schön ge­we­sen! Er war ihr auf den Leim ge­gan­gen. So mach­ten es die Mäd­chen: dass sie manch­mal mit ei­nem so ta­ten, und da­bei woll­ten sie einen nur mit ei­nem Kerl aus­la­chen. Die­de­rich war sich tief be­wusst, dass er es mit so ei­nem Kerl nicht auf­neh­men kön­ne. Er sah sich ne­ben Mahl­mann und wür­de es nicht be­grif­fen ha­ben, hät­te eine sich für ihn ent­schie­den. »Was hab’ ich mir nur ein­ge­bil­det?« dach­te er. »Eine,


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