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Der Untertan. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Der Untertan - Heinrich Mann


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im bür­ger­li­chen Le­ben eine Stel­lung aus, war reich und von Wich­tig­keit: Chef ei­ner mäch­ti­gen Fa­brik von An­sichts­kar­ten oder Toi­let­ten­pa­pier. Was man mit sei­ner Le­bens­ar­beit schuf, war in tau­send Hän­den. Man brei­te­te sich, vom Bier­tisch her, über die Welt aus, ahn­te große Zu­sam­men­hän­ge, ward eins mit dem Welt­geist. Ja, das Bier er­hob einen so sehr über das Selbst, dass man Gott fand!

      Gern hät­te er es jah­re­lang so wei­ter­ge­trie­ben. Aber die Neu­teu­to­nen lie­ßen ihn nicht. Fast vom ers­ten Tage an hat­ten sie ihm den mo­ra­li­schen und ma­te­ri­el­len Wert ei­ner völ­li­gen Zu­ge­hö­rig­keit zur Ver­bin­dung ge­schil­dert; all­mäh­lich aber gin­gen sie im­mer un­ver­blüm­ter dar­auf aus, ihn zu kei­len. Ver­ge­bens be­rief sich Die­de­rich auf sei­ne an­er­kann­te Stel­lung als Kon­knei­pant, in die er sich ein­ge­lebt habe und die ihn be­frie­di­ge. Sie ent­geg­ne­ten, dass der Zweck des stu­den­ti­schen Zu­sam­menschlus­ses, näm­lich die Er­zie­hung zur Mann­haf­tig­keit und zum Idea­lis­mus, durch das Knei­pen al­lein, so viel es auch bei­tra­ge, noch nicht ganz er­füllt wer­de. Die­de­rich zit­ter­te; nur zu gut er­kann­te er, wor­auf die­ses hin­aus­lief. Er soll­te pau­ken! Schon im­mer hat­te es ihn un­heim­lich an­ge­weht, wenn sie mit ih­ren Stö­cken in der Luft ihm die Schlä­ge vor­ge­führt hat­ten, die sie ein­an­der bei­ge­bracht ha­ben woll­ten; oder wenn ei­ner von ih­nen eine schwar­ze Müt­ze um den Kopf hat­te und nach Jo­do­form roch. Jetzt dach­te er ge­presst: »Wa­rum bin ich da­bei­ge­blie­ben und Kon­knei­pant ge­wor­den! Nun muss ich ’ran.«

      Er muss­te. Aber gleich die ers­ten Er­fah­run­gen be­ru­hig­ten ihn. Er war so sorg­sam ein­ge­wi­ckelt, be­helmt und be­brillt wor­den, dass ihm un­mög­lich viel ge­sche­hen konn­te. Da er kei­nen Grund hat­te, den Kom­man­dos nicht ge­ra­de so wil­lig und ge­leh­rig nach­zu­kom­men wie in der Knei­pe, lern­te er fech­ten, schnel­ler als an­de­re. Beim ers­ten Durch­zie­her ward ihm schwach: über die Wan­ge fühl­te er es rin­nen. Als er dann ge­näht war, hät­te er am liebs­ten ge­tanzt vor Glück. Er warf es sich vor, dass er die­sen gut­mü­ti­gen Men­schen ge­fähr­li­che Ab­sich­ten zu­ge­traut hat­te. Gera­de der, den er am meis­ten ge­fürch­tet hat­te, nahm ihn un­ter sei­nen Schutz und ward ihm ein wohl­ge­sinn­ter Er­zie­her.

      Wie­bel war Ju­rist, was ihm al­lein schon Die­de­richs Un­ter­ord­nung ge­si­chert hät­te. Nicht ohne Selbst­zer­knir­schung sah er die eng­li­schen Stof­fe an, in die Wie­bel sich klei­de­te, und die far­bi­gen Hem­den, von de­nen er im­mer meh­re­re ab­wech­selnd trug, bis sie alle in die Wä­sche muss­ten. Das Be­klem­mends­te aber wa­ren Wie­bels Ma­nie­ren. Wenn er mit leich­ter, ele­gan­ter Ver­beu­gung Die­de­rich zu­trank, klapp­te Die­de­rich – und sei­ne Mie­ne war lei­dend vor An­stren­gung – tief zu­sam­men, ver­schüt­te­te die eine Hälf­te und ver­schluck­te sich mit der an­de­ren. Wie­bel sprach mit lei­ser, ar­ro­gan­ter Feu­dal­stim­me.

      »Man kann sa­gen, was man will«, be­merk­te er gern, »For­men sind kein lee­rer Wahn.«

      Für das F in »For­men« mach­te er sei­nen Mund zu ei­nem klei­nen schwar­zen Maus­loch und stieß es lang­sam ge­schwellt her­aus. Die­de­rich un­ter­lag je­des Mal wie­der dem Schau­er von so viel Vor­nehm­heit. Al­les an Wie­bel dünk­te ihm er­le­sen: dass die röt­li­chen Bart­haa­re ganz oben auf der Lip­pe wuch­sen, und sei­ne lan­gen, ge­krümm­ten Nä­gel – nach un­ten ge­krümmt, nicht, wie bei Die­de­rich, nach oben; der star­ke männ­li­che Duft, der von Wie­bel aus­ging, auch sei­ne ab­ste­hen­den Ohren, die die Wir­kung des durch­ge­zo­ge­nen Schei­tels er­höh­ten, und die ka­ter­haft in Schlä­fen­wuls­te ge­bet­te­ten Au­gen. Die­de­rich hat­te das al­les im­mer nur im un­be­ding­ten Ge­fühl des ei­ge­nen Un­wer­tes mit an­ge­se­hen. Seit aber Wie­bel ihn an­re­de­te und sich so­gar zu sei­nem Gön­ner mach­te, war es Die­de­rich, als sei ihm erst jetzt das Recht aufs Da­sein be­stä­tigt. Er hat­te Lust, dank­bar zu we­deln. Sein Herz wei­te­te sich vor glück­li­cher Be­wun­de­rung. Wenn sei­ne Wün­sche sich so hoch hin­aus­ge­wagt hät­ten, auch er hät­te gern sol­chen ro­ten Hals ge­habt und im­mer ge­schwitzt. Welch ein Traum, säu­seln zu kön­nen wie Wie­bel!

      Und nun durf­te Die­de­rich ihm die­nen, er war sein Leib­fuchs! Stets wohn­te er Wie­bels Er­wa­chen bei, such­te ihm sei­ne Sa­chen zu­sam­men – und da Wie­bel in­fol­ge un­re­gel­mä­ßi­ger Be­zah­lung mit der Wir­tin schlecht stand, be­sorg­te Die­de­rich ihm den Kaf­fee und rei­nig­te ihm die Schu­he. Da­für durf­te er mit­ge­hen auf al­len We­gen. Wenn Wie­bel ein Be­dürf­nis ver­rich­te­te, hielt Die­de­rich drau­ßen Wa­che, und er wünsch­te sich nur, sei­nen Schlä­ger da­zu­ha­ben, um ihn schul­tern zu kön­nen.

      Wie­bel hät­te es ver­dient. Die Ehre der Kor­po­ra­ti­on, in der auch Die­de­richs Ehre und sein gan­zes Selbst­be­wusst­sein wur­zel­ten, am glän­zends­ten ver­trat Wie­bel sie. Er schlug sich, mit wem man woll­te, für die Neu­teu­to­nia. Er hat­te das An­se­hen der Ver­bin­dung er­höht, denn er soll­te einst einen Vin­do­bo­rus­sen ko­ra­miert ha­ben! Auch hat­te er einen Ver­wand­ten beim Zwei­ten Gar­de-Gre­na­dier­re­gi­ment Kai­ser Franz Jo­seph; und so­oft Wie­bel sei­nen Vet­ter von Klapp­ke er­wähn­te, mach­te die gan­ze Neu­teu­to­nia eine ge­schmei­chel­te Ver­beu­gung. Die­de­rich such­te sich einen Wie­bel in der Uni­form ei­nes Gar­de­of­fi­ziers vor­zu­stel­len; aber so viel Vor­nehm­heit war nicht aus­zu­den­ken. Ei­nes Ta­ges dann, wie er mit Gott­lieb Hor­nung, weit­hin duf­tend, vom täg­li­chen Fri­sie­ren kam, stand an der Stra­ßen­e­cke Wie­bel mit ei­nem Zahl­meis­ter. Kein Irr­tum: es war ein Zahl­meis­ter – und als Wie­bel ihr Kom­men be­merk­te, dreh­te er ih­nen den Rücken. Auch sie wen­de­ten und mach­ten sich stumm und stramm da­von, ohne ein­an­der an­zu­se­hen und ohne eine Be­mer­kung. Je­der ver­mu­te­te, dass auch der an­de­re die Ähn­lich­keit des Zahl­meis­ters mit Wie­bel fest­ge­stellt habe. Und viel­leicht kann­ten die üb­ri­gen schon längst den wah­ren Sach­ver­halt? Aber al­len stand die Ehre der Neu­teu­to­nia hoch ge­nug, um zu schwei­gen, ja, um das Er­blick­te zu ver­ges­sen. Als Wie­bel das nächs­te Mal »mein Vet­ter von Klapp­ke« sag­te, ver­beug­ten Die­de­rich und Hor­nung sich mit den an­de­ren, ge­schmei­chelt wie je.

      Schon hat­te Die­de­rich Selbst­be­herr­schung ge­lernt, Beo­b­ach­tung der For­men, Korps­geist, Ei­fer für das Hö­he­re. Nur mit Mit­leid und Wi­der­wil­len dach­te er an das elen­de Da­sein des schwei­fen­den Wil­den, das frü­her das sei­ne ge­we­sen war. Jetzt war Ord­nung und Pf­licht in sein Le­ben ge­bracht. Zu ge­nau ein­ge­hal­te­nen Stun­den er­schi­en er auf Wie­bels Bude, im Fecht­saal, beim Fri­seur und zum Früh­schop­pen. Der Nach­mit­tags­bum­mel lei­te­te zur Knei­pe über; und je­der Schritt ge­sch­ah in Kor­po­ra­ti­on, un­ter Auf­sicht und mit Wah­rung pein­li­cher For­men und ge­gen­sei­ti­ger Ehr­er­bie­tung, die ge­müt­vol­le Derb­heit nicht aus­schloss. Ein Kom­mi­li­to­ne, mit dem Die­de­rich bis­her nur of­fi­zi­el­len Ver­kehr un­ter­hal­ten hat­te, stieß einst mit ihm vor der Toi­let­te zu­sam­men, und ob­wohl sie bei­de kaum noch ge­ra­de­ste­hen konn­ten, woll­te kei­ner den Vor­tritt an­neh­men. Lan­ge kom­pli­men­tier­ten sie sich – bis sie plötz­lich, im glei­chen Au­gen­blick vom Drang über­wäl­tigt, wie zwei zu­sam­men­pral­len­de Eber durch die Tür bra­chen, dass ih­nen die Schul­ter­kno­chen knack­ten. Das war der Be­ginn ei­ner Freund­schaft. In mensch­li­cher Lage ein­an­der nä­her­ge­kom­men, rück­ten sie nach­her auch am of­fi­zi­el­len


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