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Zwischen den Rassen. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Zwischen den Rassen - Heinrich Mann


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sich losreißen; aber Erneste nahm alle Kraft zusammen; und allmählich ließ Lola sich schlaff werden, sinken und weinen.

      „Du mußt an Mutter und Bruder schreiben,“ sagte schließlich Erneste im Ton der höchsten Eile, froh, eine Tätigkeit für Lola gefunden zu haben, die aus ihrem Schmerze selbst hervorging, und in die er sich ergießen konnte. Wie Lola dann ihre blutenden Gedanken sammelte, kamen auch unerwartete. „Was soll ich ihnen schreiben? Daß ich kommen möchte! Jetzt kann ich kommen, denn Pai ist tot.“ Mit Entsetzen: „Das ist ja, als ob ich mich freute! Nein! nein! Ich werde nicht nach Hause reisen: er hat es nicht gewollt, und ich verdiene es nicht.“

      Sie schrieb, sie müsse hier noch ihre Ausbildung beenden, und fühlte sich, als sie aufstand, gewachsen.

      Nachts weinte sie; über den dahingegangenen Vater, über das Verbot, an das er sie noch als Toter band, über die verlorene Heimat: über alles weinte sie dieselben Tränen. Erneste hörte sie die ganze Nacht und lag ganz still. Am Tage aber tat die Buße, die sie sich auferlegt hatte, Lola wohl. Die Schmerzen und der Verzicht, um Pais willen erduldet, waren etwas wie eine Familie, waren ein Stück Heimat.

      Auf einmal stand sie wieder ganz am Anfang: als sie mit Erstaunen den Trauerbrief erbrach. „Es ist nicht möglich, daß er tot ist! Vor ein paar Tagen lebte er doch. Auch noch, als der Brief schon unterwegs war, lebte er doch! Hätte ich diesen schwarzgeränderten Brief nicht gelesen, er lebte noch immer. Es wäre alles wie sonst. Ich habe ihn nicht leben gesehen und sah ihn auch nicht sterben. Was weiß ich? Pai! Pai!“

      Und da sah sie sich als Kind, wie sie auf ihren Irrwegen durch die Stadt, inmitten eines leeren Platzes, wo es wehte, stehen blieb und flehentlich ihr „Pai!“ rief. Auch damals hatte er sie allein gelassen, und sie hatte es nicht glauben wollen! Jetzt war er noch viel weiter fortgegangen, und der Glaube war noch schwerer. „Er wollte doch herkommen!“ Ja: auch damals hatte er gerufen „noch einen Kuß, kleine Tochter“; und indes sie einem Schmetterling nachlief, war er verschwunden.

      „Warum kommt auch kein Brief mehr! Ich habe sie noch so viel zu fragen!“

      Sie schrieb Briefe über Briefe, und in jeden wollte sich die Bitte hineindrängen: „darf ich zu euch?“ „Nein, nein! Ich darf nicht. Am Ende würde auch Mai sterben. Pai ist gestorben, weil er zu mir wollte. Auf mir ist ein Verhängnis: ich soll allein bleiben.“ Und aus solchem feierlichen Schicksal machte sie sich einen Halt für das Leben, das sie zu bestehen hatte. Gleich zu Anfang des Herbstes vertrat sie den Wunsch, Konfirmationsstunden zu nehmen.

      „Schon?“ fragte Erneste bestürzt. „Ich wußte wohl, Kind, daß ich dich würde hergeben müssen; aber so früh!“

      „Was willst du, ich bin sechzehn,“ versetzte Lola, ohne Ernestes Aufregung zu beachten: kaltblütig, wie jemand, der sich mit allem Kommenden abgefunden hat.

      „Und was wirst du dann tun, Kind? Nach Hause reisen?“

      „Keinesfalls. Alles muß sich finden.“

      Wieder begann Lola Pläne zu machen; und diesmal hielt sie sie für unangreifbar: denn sie rechnete auf sich selbst allein. „Ich werde von niemand abhängen. Niemand kann mich verlassen, keinem werde ich mehr nachzutrauern haben. Allein werde ich meines Weges ziehen.“

      An einem Nachmittag des nächsten Frühlings saß Lola mit einigen Altersgenossinnen beim Tee. Erneste gab den Herangewachsenen die Erlaubnis, sich Kameradinnen aus der Stadt einzuladen, und sie ließ die Mädchen unter sich. Schwarz und sehr elegant — denn die Schneiderin der Pension bestellte ihr gegen Vergütung und ohne Ernestes Wissen manche Sachen aus Paris — lag Lola im Schaukelstuhl und blies ihren Zigarettenrauch, damit man ihn nachher nicht rieche, aus dem Fenster. Ein blühender Apfelbaum griff mit seinen Ästen herein; es war dasselbe Zimmer, worin einst die kleine Lola mit ihrem Vater von Erneste begrüßt worden war.

      „Ja ja, wer weiß, was jeder bevorsteht. Die meisten von euch werden zweifellos im Geleise bleiben und heiraten.“

      „Rede nur nicht, Lola. Als ob es bei dir nicht aufs selbe hinauskäme.“

      „Schwerlich. Ich kann mir nicht gut einen Mann denken, zu dem ich gehören würde. Ich habe ein eigentümliches Schicksal, meine Lieben. Vor mehreren Jahren — Gott, wir waren noch halbe Kinder — nanntet ihr mich mal aus Bosheit international. In eurer Bosheit hattet ihr aber ganz recht. Ich gehöre nicht hierher, und anderswohin vermutlich auch nicht.“

      „Na, du bildest dir aber was ein!“

      „Ich denke mir die Sache anzusehen. Wenn ich hier glücklich heraus bin, gehe ich, vermutlich mit einer Gesellschafterin, auf Reisen. Spanien und Portugal nehme ich mir besonders vor.“

      „Wie willst du als junges Mädchen denn durchkommen? Schon die Sprache!“

      „Meine Muttersprache ist Portugiesisch!“

      „Du hast längst alles vergessen.“

      „Ich kann schon noch etwas.“

      „Sprich mal!“

      Lola blies Rauch aus dem Fenster. Die Tür ward geöffnet, und Ernestes Stimme sagte französisch:

      „Ein Besuch, meine Damen.“

      Süßes Parfüm drang herein, und eine schöne Dame, schwarz und sehr elegant, noch jung, mit glänzend weißem Gesicht und glänzend schwarzen Haarbandeaus trat rasch in den Kreis der jungen Mädchen, die aufstanden. Sie erhob das Lorgnon und sah umher.

      „Da ist sie,“ sagte Erneste und zeigte auf Lola. Die Dame ließ das Lorgnon los; vom Anblick Lolas schien sie betroffen.

      „Die Kinder werden groß,“ bemerkte Erneste. Die Dame lächelte. Lola, die erblaßt war, murmelte zitternd:

      „Mai?“

      Die Dame sprach, ganz schnell, etwas Unverständliches; Lola konnte, mit stockender Stimme, nichts erwidern als „Mai, Mai“; und beide standen, die Arme unschlüssig ein Stück erhoben, einander gegenüber. Erneste sagte in ihrem korrekten Französisch:

      „Ist das seltsam, gnädige Frau! Als Ihre Tochter ehemals in dieses Haus eintrat, konnte sie nicht mit mir sprechen; und jetzt nicht mit Ihnen.“

Zweiter Teil

      I

      Mit glänzend glatten Bandeaus und einem rohseidenen Schlafrock, creme und pfauenblau, kam Frau Gabriel ins Zimmer und fragte:

      „Sind die Sachen da?“

      Lola las, hing dabei aus dem Fenster und hörte nicht. Ermattet seufzend lehnte Frau Gabriel sich in einen Sessel.

      Lolas schlanker, kräftiger Nacken dahinten lag pflaumig blond im Licht. Um ihr Haar her war ein goldiges Geflimmer. Die ungeheure blaue und durchgoldete Weite trug Lolas Schattenriß in sich, bereit ihn dahinzuraffen, aufzuzehren. Drei Palmenblätter nickten mit ihren Spitzen über den Fensterrahmen hinweg. Die Hotelglocke ging. Nun schnaubte ein Dampfer. Von Gesprächen, Musik und Gelächter flatterten Bruchstücke durch Wind und Sonne herbei.

      Frau Gabriel saß und polierte mit dem Taschentuch ihre Nägel. Lola sah sich plötzlich um und fuhr zusammen.

      „Sind die Sachen da?“ fragte Mai geduldig.

      „Da stehen sie doch!“

      Nicht einmal den Kopf konnte Mai wenden: lieber saß sie eine halbe Stunde und wartete. Wenn jemand aber auch gar keine Nerven hatte! Lola stellte die geöffneten Schachteln dicht neben Mai hin.

      „Grade habe ich sie noch bezahlen können. Aber es war fast das Letzte.“

      „Schreibe doch an Nene.“

      „Das sagst du immer. O! Wäre ich erst ausgebildet und selbständig! . . . Weißt du, wieviel wir schon voraus haben? Die Zinsen eines halben Jahres.“

      „Nene verdient aber auch; er wird mit uns teilen.“

      „Er hat schon mit uns geteilt. Mir ist’s sonderbar genug, daß dort drüben ein junger Mann


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