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Zwischen den Rassen. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Zwischen den Rassen - Heinrich Mann


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und daß Nene nur Baby bedeutet.“

      „Der gute Nene.“

      „Wir lassen ihn also für uns verdienen; nur dürfen wir ihn nicht zugrunde richten. Hörst du?“

      „Ihr werdet das schon zusammen ausmachen: ihr seid klüger als ich. Ach, unsere jetzigen Verlegenheiten hat Paolo mir vorausgesagt. Er wollte mich durchaus nicht reisen lassen.“

      „Zum Glück scheint er energisch; sonst könnte es schlimm enden. Ich selbst vergesse mich manchmal. Zum Beispiel war’s sehr unnötig, daß wir hierher kamen. Wir sind genug hinter der Branzilla hergereist. Da sie nun in der Nervenheilanstalt sitzt und für meine Stimmbildung nichts mehr tun kann, hätten wir in Paris bleiben sollen.“

      „Paris war schön!“

      „Unser Leben in Paris kostete schließlich weniger: wir saßen doch manchen Abend zu Hause. Hier läßt man uns nicht.“

      „Du hast recht, es ist schrecklich; nun, Gott wird helfen. Kann ich jetzt die Sachen sehen?“

      „Aber — sie liegen dir doch vor der Nase!“

      „Muß ich sie selbst herausnehmen?“

      Frau Gabriel lächelte zaghaft; die Lippe mit dem Leberfleck im Winkel kräuselte sich und zerstörte die reine Linie der graden Nase; die Augen baten; in das gelassene Madonnengesicht kamen Furcht und Unbeholfenheit eines Schulmädchens. Um ihren guten Willen zu beweisen, tauchte sie eine ihrer kleinen weichen, ungeübten Hände in die Schachtel. Gerührt hob Lola die Kostüme heraus; sah ein wenig von oben herab zu, wie Mai sie bewunderte; faßte selbst Teilnahme; — und bald waren sie im Verein ganz hingegeben an diese Stoffe, an die neuen Erfindungen dieser Töne, dieser Schnitte, die ihnen versprachen, ihre Schönheit umzutauschen und ihnen eine noch nicht gekostete Form von Leben und von Glück zu vermitteln. Zum Schluß verriet Frau Gabriel, welche Züge ihr Glück heute trug; denn sie fragte:

      „Meinst du, daß der Herzog von Fingado mich liebt?“

      Ihre Stimme und ihr Blick waren voll kindlicher Erwartung. Lola sagte tröstend:

      „Gewiß, Mai.“

      „Tatsache ist, daß er neulich auf der Garden-Party sich fast nur um mich kümmerte. Die Bricheau versicherte mir, seine Verlobung sei ins Wanken gekommen. Das wäre mir wahrhaft unangenehm.“

      Aber es klang stolz. Dann, behutsam:

      „Sage mir eins, mein liebes Kind: gibt dir der Herzog kein Gefühl ein? . . . Du brauchst es nur zu sagen.“

      „Nicht das geringste . . . obwohl ich ihn sympathisch finde,“ setzte Lola höflich hinzu. Und Mai, zitternd:

      „Ich würde seine Liebe nicht wollen, wenn du sie wolltest. Gott ist mein Zeuge, daß dein Glück mir höher steht als meins.“

      „Gute Mai, mache dir keine Sorgen!“

      Lola wollte sich entfernen; Mai hielt sie, tränenden Auges, am Rock fest.

      „Ich würde mich dir opfern, weißt du . . . Also du liebst ihn nicht? Schwöre es mir!“

      „Ich schwöre es;“ und Lola lächelte nachsichtig. Man mußte ein Kind sein wie Mai, um sich in den Titel dieses kümmerlichen Jünglings zu verlieben.

      „Aber auf dem Heimwege,“ bemerkte Mai, „ist er mit dir gegangen. Ihr habt euch sogar abgesondert.“

      „Er wollte mir aus der Ferne seine Yacht zeigen, — auf der er nicht fahren kann, weil er seekrank wird.“

      „Wovon spracht ihr noch?“

      „Von Karl dem Zweiten.“

      „Wer ist das?“

      „Ein König von Spanien — es ist lange her, es würde dich nicht interessieren. Mich interessiert’s auch nur manchmal. Aber mit Fingado weiß ich nichts anderes zu reden.“

      „Wirklich nicht?“

      „Tatsächlich.“

      Mai nickte beruhigt. Mit einem unaufhaltsamen Lächeln des Triumphes:

      „Mit mir redet er anderes!“

      „Würdest du ihn heiraten, Mai?“ fragte Lola, kniete neben ihrer Mutter hin und strich ihr schmeichelnd über Hals und Arm.

      „Ich sehe meine Mai schon als Herzogin, in ihrem Schloß in der Sierra; sie geht auf die Jagd nach Wölfen, Adlern und ähnlichen Wappentieren.“

      Mai hatte ernsthaft nachgedacht.

      „Alles wohl überlegt,“ sagte sie, „hat auch Herr Aguirre seine Vorzüge. Er ist Abgeordneter, sehr einflußreich, und Spanien wird vielleicht Republik werden.“

      „Wie weit du denkst, Mai! Aguirre, dies ungesund rosige Baby, denkt nur an das Nächste: er will unser Geld, das Geld, das er uns zutraut. Zu viel Ehre!“

      „Du siehst zu trübe, Lola. Und ferner ist er in gesetztem Alter, und ich bin, ach, nicht mehr ganz jung.“

      „Im Gegenteil“; dabei herzte Lola ihre Mutter eifriger; „du bist so jung, daß ich mich neben dir meines Alters schäme. Schon als du mich aus der Pension abholtest, war ich, glaub’ ich, weiter im Leben als du. Die zwei Jahre aber, die wir in der Welt umhergereist sind, haben meinem Alter zehn hinzugefügt. Ich fange sogar an, häßlich zu werden.“

      „Das ist nicht wahr! Du bist die Frische selbst. Dein Alter bildest du dir ein, weil du zu viel denkst. Das könnte deine Stirn falten: gib acht. Du bist zerstreut bei der Toilette und gerade sie verlangt unsere ganze Geisteskraft. Dann hättest du dir nicht die Stirnhaare abgebrannt und wärest jetzt nicht so schwer zu frisieren.“

      Lola griff seufzend nach den krausen Härchen.

      „Ich habe schließlich doch meinen Beruf verfehlt. Oft komme ich mir vor wie ein verkleideter Mann.“

      „Das wird vergehen, wenn du heiratest. Findest du es noch nicht an der Zeit? Welche schönen Gelegenheiten hast du vorübergehen lassen! Ich weiß nicht: du bist doch so klug; aber eine Schwarze hat mehr Geschick, sich einen Mann einzufangen. Halt, gefällt dir etwa Herr Aguirre? Er scheint mich zu lieben. Meinst du nicht?“

      „Gewiß, Mai.“

      „Tatsache ist, daß er während der Regatta nicht von meiner Seite wich. Wenn du ihm aber irgend ein Gefühl entgegenbringst . . .“

      Mais Stimme bebte schon wieder; Mai war schon wieder zu einem Opfer bereit und ängstigte sich davor. Lola wehrte ab; sie lachte befangen, tat ein paar Schritte; dann, ernsthaft, mit verhaltenem Zorn:

      „Du sprachst von meiner Verheiratung, und doch verlierst du sie zu oft aus dem Auge. Die Tochter einer Mutter, die sich zu gut unterhält, wird nicht leicht einen Mann finden.“

      Mai sah tief erschrocken aus; Lola schloß verzeihend:

      „Ich weiß, du verdienst keinen ernsten Tadel. Erinnere dich nur, bitte, wie leicht man sich unschuldig kompromittiert, und verspäte dich abends mit keinem der Herren mehr!“

      „Du bist streng wie dein Vater,“ sagte Mai und erschauerte. „Weißt du wohl, daß ich ihn wieder gesehen habe? Ja, gerade in der Nacht, von der du sprichst, erschien er mir.“

      Demütig bittend:

      „Willst du nicht sein Bild in dein Zimmer nehmen?“

      „Das geht nicht, Mai: es würde ihn noch mehr erzürnen.“

      Lola ging ans Fenster und sah hinaus. Frau Gabriel murmelte vor sich hin und seufzte. Eine junge Männerstimme kam von unten:

      „Fräulein Lola, ich habe alles, was Sie wünschten.“

      „Gut,“ antwortete Lola.

      „Sie bestehen im Ernst darauf?“

      „Ohne Zweifel. Wann kommen Sie?“

      „Sehr bald. In einer


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