Эротические рассказы

Zwischen den Rassen. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Zwischen den Rassen - Heinrich Mann


Скачать книгу
mein ein­zi­ger Wunsch sein, Dich glück­lich und zu­frie­den durchs Le­ben schrei­ten zu se­hen.«

      Lola war fer­tig und nahm doch das Blatt nicht von den Au­gen. Kein Bild von Mai, nicht ein­mal das! Nicht nach Hau­se, kein Bild, kein gu­tes Wort. Denn die­se alle hör­ten sich hart und ver­ständ­nis­los an. Sich hei­misch ma­chen! Hier, wo sie noch so­eben be­schimpft und ge­äch­tet war! Pai wuss­te nichts; nie­mand woll­te et­was wis­sen von Lola. Al­les aus, al­les aus.

      »Was ist dir?« frag­te, als es zum Es­sen ge­läu­tet hat­te, teil­nahms­voll Er­nes­te. »Du hast doch kei­ne schlech­ten Nach­rich­ten von den Dei­nen?«

      »O nein, es geht ih­nen gut; aber mir selbst ist nicht wohl.«

      Sie be­kam die Er­laub­nis, sich so­gleich nie­der­zu­le­gen, und war froh, als der Arzt ein we­nig Fie­ber fest­stell­te. Im Bett blei­ben, nie­mand se­hen, nur nicht den Bli­cken der Frem­den aus­ge­setzt sein. Lola fühl­te gar kei­nen Mut, sich zu be­haup­ten. Wie sie, drei Tage spä­ter, sich wie­der zeig­te, ge­noss sie die Vor­rech­te der Ge­ne­sen­den, durf­te schwei­gen und Lau­nen nach­ge­ben. Sie saß bleich und schwach da, und an­statt ei­ner Leh­re­rin zu ant­wor­ten, mus­ter­te sie sie, als er­blick­te sie sie zum ers­ten Mal. Was für ein Ge­sicht war doch dies; wie viel Un­schö­nes ent­hielt es! Die­se im­mer ge­är­ger­ten Au­gen, die gel­ben Schlä­fen, die klein­li­chen Fal­ten, die den Mund zer­knif­fen! Vor Lo­las star­rem Blick ward es äl­ter, im­mer äl­ter und end­lich zur Mu­mie. Er­schreckt riss sie sich los. We­nig spä­ter aber sah sie sich im Ge­sicht ei­ner re­zi­tie­ren­den Mit­schü­le­rin fest, des­sen Lee­re sich Lola plötz­lich auf­tat wie ein Ab­grund.

      Das ward zur Sucht. Sie las aus ei­nem der vie­len Ge­sich­ter, die ihr jetzt ab­sto­ßend schie­nen, alle in der Fa­mi­lie mög­li­chen Ab­wei­chun­gen des Ty­pus her­aus, und ward be­drängt von Frat­zen. Die Dumm­heit oder Ge­wöhn­lich­keit ge­wis­ser Züge über­wäl­tig­te sie täg­lich wie­der, wuchs ihr ent­ge­gen, wie eine Son­ne, in die man fällt. Lola at­me­te dann kür­zer und mein­te zu ver­blö­den.

      Sie be­kam einen quä­lend fei­nen Sinn für das Al­ber­ne ei­nes Ton­fal­les und das Un­ter­ge­ord­ne­te ei­ner Ge­bär­de. Sie frohlock­te und litt bei je­der Ge­schmack­lo­sig­keit, die je­mand be­ging. Sie leg­te eine Lis­te der Arm­se­lig­kei­ten an, die um sie her ge­sch­a­hen und ge­re­det wur­den, und las dar­in mit bit­te­ren Ra­che­ge­füh­len. So wa­ren ihre Fein­din­nen! Denn Lola war über­zeugt, dass alle sie hass­ten, und sie er­wi­der­te es ih­nen. Aus je­der Grup­pe von Mäd­chen glaub­te sie ih­ren Na­men zu hö­ren; sie trat hin­zu: »Sprecht wei­ter, bit­te«; und ihre Stim­me, die sie aus ih­rer Ein­sam­keit un­ter die Fein­de schick­te, woll­te höh­nisch sein und war un­si­cher. Ei­nes Abends beim Tee­ma­chen ex­plo­dier­te die Spi­ri­tus­ma­schi­ne und über­schüt­te­te Lola mit blau­en Flämm­chen. Wäh­rend sie noch mit ei­ner Ser­vi­et­te ihr Kleid ab­tupf­te, rief sie schon:

      »Das warst du, Ber­ta! Du wuss­test wohl, dass ich heu­te an der Rei­he war, Tee zu ma­chen; ei­gens des­we­gen hast du vor­her auf­ge­gos­sen und hast den Docht falsch ein­ge­schraubt!«

      »Um des Him­mels wil­len, Lola, ich habe dich doch nicht ver­bren­nen wol­len!«

      »Wer hat mir neu­lich die glü­hend hei­ße Schüs­sel in die Hand ge­ge­ben?«

      »Ich wuss­te es doch nicht! Auf der an­de­ren Sei­te war sie kalt!«

      Das gut­mü­ti­ge Mäd­chen wein­te fast. Er­nes­te be­merk­te kum­mer­voll:

      »Du bist miss­trau­isch, Lola, das ist kei­ne schö­ne Ei­gen­schaft.«

      Lola war miss­trau­isch, weil sie sich ver­ra­ten fühl­te. Sie war emp­find­lich, weil sie al­lein und im­mer auf der Wacht war. An­de­re hat­ten Stüt­zen: das An­se­hen ei­nes Va­ters, einen Na­men, je­mand, der sie be­such­te. Eine klei­ne plum­pe Per­son mit Eu­len­au­gen und Bril­len da­vor ging, so­oft sie sich ir­gend­wie bla­miert hat­te, um­her und wie­der­hol­te: »Ich habe das Wört­chen von. Du hast es nicht, ich aber habe es.« Lola such­te ver­geb­lich nach ei­ner Ra­che da­für. Da aber be­geg­ne­te ihr in der Zei­tung, dass der Reichs­tags­ab­ge­ord­ne­te, der Va­ter ih­rer ärgs­ten Fein­din, Ban­ke­rott ge­macht habe. Das Herz klopf­te ihr bis an den Hals vor Freu­de. War’s eine Schan­de, »in­ter­na­tio­nal« zu sein, war’s hof­fent­lich auch eine, Ban­ke­rott zu ma­chen! Mit dem Zei­tungs­blatt lief Lola von ei­ner zur an­de­ren, ge­folgt von der Toch­ter des Ab­ge­ord­ne­ten, die jam­mer­te: »Es ist nicht wahr« und end­lich zu Er­nes­te floh, sie möge Lola Ein­halt tun. Aber Lola war un­er­bitt­lich. Da­für konn­te sie’s, als un­er­war­tet Jen­nys rote, spie­ßi­ge Mut­ter bei Tisch saß und das Wort führ­te, vor Er­bit­te­rung und Gram nicht bis zu Ende aus­hal­ten, muss­te sich in ihr Zim­mer ret­ten und einen Wein­krampf durch­ma­chen. »Nie wird Mai kom­men! Die häss­li­chen, ge­wöhn­li­chen Men­schen sind we­nigs­tens gut mit ih­ren Kin­dern!«

      Er­nes­te sah den Kri­sen Lo­las un­schlüs­sig zu. Sie, die Lola lieb­te, be­schäm­te es, dass sie sie nicht ver­stand. Manch­mal ward sie un­ge­dul­dig und woll­te mit Er­zie­he­rin­nen­derb­heit da­zwi­schen­fah­ren. Aber ihre alt­jüng­fer­li­che Ach­tung vor den Din­gen des Her­zens hielt sie zu­rück. »Es muss et­was sein … Sie wird da­mit fer­tig wer­den.« Eine Fra­ge drück­te Er­nes­te; sie fürch­te­te sich, sie zu stel­len. Jetzt sprach sie zu Lola vor an­de­ren in freu­dig er­mun­tern­dem Ton; wa­ren sie aber al­lein, ward Er­nes­tes Stim­me, was sie auch sa­gen moch­te, mit­füh­lend und be­ru­hi­gend. Lola ent­zog sich ih­rer Teil­nah­me, stell­te sich früh und abends schla­fend und ver­ließ, kaum dass Er­nes­te sie ver­trau­lich zu stim­men such­te, das Zim­mer. End­lich wag­te Er­nes­te ohne Vor­be­rei­tung ihre Fra­ge:

      »Möch­test du noch zum Thea­ter?«

      »Zum Thea­ter?« mach­te Lola, die Brau­en ge­fal­tet; und mit ge­ho­be­nen Schul­tern:

      »Da­ran habe ich gar nicht mehr ge­dacht.«

      Auch dort wa­ren die Men­schen schwer­lich an­ders, und Lola wuss­te sich so­we­nig zur Büh­ne ge­hö­rig wie sonst ir­gend­wo­hin. Aber Er­nes­te hat­te den Atem an­ge­hal­ten; nun tra­ten ihr Trä­nen der Er­leich­te­rung in die Au­gen.

      »Gott sei Dank, Kind! Mein lie­bes Kind, Gott sei Dank!«

      Sie reck­te sich an Lola hin­auf und küss­te sie auf den Mund. Eine ih­rer Hän­de ließ sie seg­nend über Lo­las Kopf schwe­ben.

      »Das an­de­re wird al­les gut wer­den«, ver­hieß sie in­nig. Lola, in Wut, weil sie gleich wei­nen muss­te, sah kalt zu ihr hin­un­ter. Er­nes­te trat von ihr weg.

      »Du sollst auch eine Be­loh­nung ha­ben.« – Ganz lus­tig, nun nicht mehr sen­ti­men­tal: »Wo­hin möch­test du die­sen Som­mer lie­ber: ins Ge­bir­ge oder an die See?«

      »Ich weiß wirk­lich nicht.«

      »Du wirst dich schon be­sin­nen.«

      Aber Lola setz­te ih­ren Ehr­geiz dar­auf, kei­ne Vor­lie­be zu ver­ra­ten. Er­nes­te muss­te schließ­lich selbst wäh­len; und zu Be­ginn der Fe­ri­en, als die an­de­ren alle da­heim wa­ren, fuh­ren Er­nes­te und Lola ins Ge­bir­ge.

      »Wir müs­sen viel zu­sam­men spa­zie­ren­ge­hen«, hat­te Er­nes­te ge­sagt; aber dann zeig­te sich’s, dass sie vom Stei­gen ihre Herz­be­schwer­den be­kam.


Скачать книгу
Яндекс.Метрика