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Zwischen den Rassen. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Zwischen den Rassen - Heinrich Mann


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ent­stand noch ein­mal in Lola, und mit der Kin­derangst von einst wall­te Sehn­sucht auf:

      »Mai!«

      Die Arme aus­ge­streckt:

      »Mai! Mai!«

      Ein wei­ßer, glän­zen­der Ne­bel er­schi­en vor Lo­las Au­gen und, weich dar­um­ge­legt, ein Rah­men aus dunklem Haar. Lola woll­te Züge her­vor­lo­cken: der Ne­bel blieb leer; er droh­te weg­zu­flie­ßen. Sie flüs­ter­te ban­ge Ko­se­wor­te, hielt in ek­sta­ti­scher Be­schwö­rung dem Phan­tom ih­rer Mut­ter die Lip­pen hin: um­sonst. Lo­las Kraft war aus und das Bild zer­ron­nen.

      Sie er­gab sich nicht; sie such­te, mit ei­nem Blick der Not, nach Hil­fe um­her, nach ei­nem An­halt – und traf auf eine alte Schreib­map­pe. »Mais Brief!« Sie wühl­te ihn her­aus, leg­te auf­schluch­zend ihre Wan­ge in das alte Pa­pier. »Das kommt von Mai!« Je­der die­ser klei­nen flüch­ti­gen Buch­sta­ben war ein Ge­schenk von Mai an Lola. Sie las dar­über hin, lan­ge Zeit. Dann ent­rät­sel­te sie, mit Hil­fe des Fran­zö­si­schen, ei­ni­ge Wor­te. Dann sprach sie sie laut, füg­te an­de­re hin­zu und horch­te je­dem nach, mit of­fe­nem Mund und seit­wärts ge­wen­de­ten Au­gen. Da­zwi­schen er­reg­tes La­chen: ja, so klang es. Ein Ju­bel­ruf: das war Mais Stim­me! So sag­te Mai dies! Oh, und dies war die schwar­ze Anna, und dies … Die Na­men ehe­ma­li­ger Freun­din­nen klan­gen mit; ein Ge­sicht sprang aus ei­ner Sil­be, eine Be­ge­ben­heit. Lola wuss­te nicht mehr, wo­hin sie lau­schen soll­te. Ihr Geist stürz­te hin­ter al­le­dem her, nach al­len Sei­ten, wie ein Kind hin­ter Schmet­ter­lin­gen. Mi­nu­ten­lang war sie glück­lich. Schließ­lich zer­flat­ter­te al­les – aber Lola war nun ge­wiss: »Ich muss hin­über! Oh, gleich, gleich an Pai schrei­ben!« Sie setz­te sich dar­an, woll­te schmei­cheln, Pai güns­tig stim­men, und fand vor fie­ber­haf­tem Drän­gen kei­ne Wor­te. »Kann ich nicht te­le­gra­fie­ren? Kann ich nicht flie­hen? So­fort? So­fort?« Sie irr­te, hoch­at­mend, durchs Zim­mer. Not­dürf­tig ge­sam­melt, schrieb sie:

      »Lie­ber Pai, darf ich jetzt nicht bald zu Euch zu­rück? Du woll­test wohl, dass ich hier et­was ler­nen soll­te. Ich kann Dir ver­si­chern, ich habe schon viel ge­lernt.«

      Was sag­te dies! Ge­gen­über er­blick­te sie ihr Spie­gel­bild in ei­nem frem­den Raum, in dem Raum, der sie seit sie­ben Jah­ren um­fing und nun aus­sah wie ein Zu­falls­quar­tier zum Über­nach­ten. Sie dach­te ihr Ge­sicht ne­ben de­nen drau­ßen, rings­um­her: lau­ter Ge­sich­ter mit an­de­ren We­sens­zü­gen, ge­formt von ei­nem frem­den Blut. Im Geist hör­te sie die Stim­men: an­ders fal­len­de Stim­men, Kün­de­rin­nen frem­der in­ne­rer Ge­wohn­hei­ten. Sie schrieb:

      »Ich hät­te Dir noch viel zu sa­gen; aber ich kann mich nicht recht aus­drücken, da ich ja kei­ne Spra­che ganz be­herr­sche. Bit­te, er­lau­be mir, dass ich kom­men darf. Ich grü­ße Nene und Mai. Wäre es nicht mög­lich, dass ich ein Bild von Mai be­käme?«

      Im Ge­fühl, sich ge­rächt zu ha­ben, ging Lola zu den an­de­ren. Sie be­nahm sich so ent­schie­den und selbst­be­wusst, dass Jen­ny mit ihr re­den muss­te und Er­nes­te sie nicht län­ger durch lei­ses Spre­chen für krank aus­ge­ben konn­te. Am Abend fing sie so­gar mit ei­ner Streit an und, ent­ge­gen ih­rer All­tags­na­tur, be­reu­te sie nichts von dem, was sie im Zorn ge­sagt hat­te.

      Sie blieb hoch­ge­mut: wie konn­te Pai ihre Bit­te ab­schla­gen! – Und in­zwi­schen sam­mel­te sie An­hän­ge­rin­nen, de­nen sie den Ton an­gab, de­nen sie half, am Sonn­tag, bei den le­ben­den Bil­dern, in Ko­stü­men und Kunst der Stel­lung die an­de­ren zu be­sie­gen. Die Pen­si­on spal­te­te sich; die eine der Par­tei­en schar­te sich um Jen­ny, die an­de­re um Lola, und jede warb mit Lei­den­schaft um die drau­ßen woh­nen­den Schü­le­rin­nen. Er­bit­ter­te und wort­lo­se Kämp­fe wur­den be­stan­den. Ein­mal ward das Ziel des Ehr­gei­zes dar­in ent­deckt, als ers­te beim Früh­stück zu sein; aber moch­ten Jen­nys Freun­din­nen bei kaum grau­en­dem Tag hin­ab­schlei­chen: Lola mit den Ihren saß doch schon am Tisch. Am Abend hat­te sie von sich zu den an­de­ren, un­ter den Stu­ben­tü­ren hin­durch, einen Bind­fa­den ge­lei­tet. Jede war mit der Nächs­ten ver­bun­den; reg­te sich eine, er­wach­ten alle; und ge­schla­fen hat­te kei­ne. Da­für ge­noss man nun Tri­umph­ge­füh­le, die einen spreng­ten.

      Zu Lo­las Hoch­ge­fühl wirk­te Ver­ach­tung mit. Sie übte ihre Macht als Par­tei­füh­re­rin und dach­te da­bei: »Was ihr alle mich an­geht! Wie lan­ge dau­ert dies über­haupt noch! In vier­zehn Ta­gen ist Pais Brief da!« Manch­mal sah sie Er­nes­te an, die nichts ahn­te, und konn­te ihr Frohlo­cken kaum nie­der­rin­gen. Ein­mal ver­riet sie sich. Am Sonn­tag nach­mit­tag hat­te Jen­ny ge­sun­gen, et­was pein­lich Sen­ti­men­ta­les, wo­bei sie him­mel­te und die Fin­ger­spit­zen auf die Brust setz­te. Lola rief aus tiefs­ter See­le:

      »Das ist aber über alle Ma­ßen ge­schmack­los!«

      Jen­nys An­hän­ge­rin­nen ga­ben dies nicht zu; nicht ein­mal un­ter ih­ren ei­ge­nen wa­ren vie­le der Mei­nung Lo­las. Die Toch­ter ei­nes Reichs­tags­ab­ge­ord­ne­ten sag­te:

      »Es war so deutsch.«

      »Es war ge­schmack­los!« stieß Lola her­vor. »Wenn es deutsch war, dann war es eben eine deut­sche Ge­schmack­lo­sig­keit!«

      Da­rauf ward es still; und wie Lola sich bei den Ihren nach Bei­stand um­sah, wi­chen die Bli­cke ihr aus, und die Schul­tern dreh­ten sich hin und her, bis sie aus Lo­las Nähe wa­ren. Drü­ben ver­setz­te eine spitz:

      »Du bist eben eine Bra­si­lia­ne­rin!«

      »Wenn sie das noch wäre«, ent­geg­ne­te die Toch­ter des Ab­ge­ord­ne­ten. »Aber sie ist nichts; sie ist –«

      Mit ge­krümm­ten Lip­pen, die das Wort un­ter Selb­st­über­win­dung her­vor­brach­ten:

      »In­ter­na­tio­nal!«

      Der Ekel im Ge­sicht der Spre­chen­den steck­te alle üb­ri­gen Mie­nen an; und als habe man ne­ben sich eine Schan­de, wand­te man sich schwei­gend zu et­was an­de­rem. Ein Dienst­mäd­chen trat ein:

      »Fräu­lein Lola, ein Brief für Sie!«

      Von Pai! Lola stürz­te da­mit hin­aus, schloss sich ein. Sie zit­ter­te, und im jä­hen Ge­fühl, in ei­ner äu­ßers­ten Mi­nu­te ih­res Schick­sals zu ste­hen, mur­mel­te sie: »Mein Gott! Mein Gott!«

      Dann er­fuhr sie:

      »Mei­ne lie­be Toch­ter! Dei­ne Nach­rich­ten habe ich er­hal­ten und ih­nen zu mei­nem Be­dau­ern ent­nom­men, dass die dor­ti­gen Ver­hält­nis­se Dir nicht mehr so zu­zu­sa­gen schei­nen, wie ich ge­wünscht und er­war­tet hät­te. Es ist je­der­zeit für uns von Nut­zen, un­se­rer Um­ge­bung Wohl­wol­len ent­ge­gen­zu­brin­gen; umso mehr aber er­scheint dies ge­bo­ten, wenn wir, mensch­li­cher Be­rech­nung nach, einen großen Teil un­se­res Le­bens am frag­li­chen Plat­ze ver­brin­gen wer­den. Üb­ri­gens den­ke ich mich in ei­ni­ger Zeit per­sön­lich nach Dir um­zu­se­hen, und ver­spre­che ich mir von die­sem, nicht durch mei­ne Schuld so lan­ge ver­scho­be­nen Wie­der­se­hen eine be­deu­ten­de Ge­nug­tu­ung. So­mit hal­te ich ein Her­kom­men dei­ner­seits zur­zeit nicht für an­ge­zeigt. Du darfst ver­si­chert sein, dass wir nicht mehr all­zu lan­ge ge­trennt blei­ben wer­den, und dass, wenn ich einst in der Lage sein wer­de, mei­nen Wohn­sitz ganz nach dort zu ver­le­gen, auch Dei­ne Mut­ter mit hin­über­kom­men wird. Dei­ne Mut­ter grüßt Dich, kann Dir je­doch


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