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Zwischen den Rassen. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Zwischen den Rassen - Heinrich Mann


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sah sie sich dar­in um. Noch ein an­de­res Bett stand da, aber es war schon ver­las­sen. Sie ließ sich aus dem ih­ren glei­ten und trip­pel­te um­her. Da trat das Fräu­lein her­ein, hob Lola auf ih­ren Arm, zeig­te sich auf die Brust und sag­te mehr­mals:

      »Er­nes­te.«

      Lola hat­te in ih­rem rot­ge­schla­fe­nen Ge­sicht­chen große, auf­merk­sa­me brau­ne Au­gen, die, auf den Mund des Fräu­leins ge­rich­tet, ganz lei­se seit­wärts hin und her rück­ten; ihre blon­den Lo­cken hin­gen wirr ge­rin­gelt, die leich­ten Li­ni­en ih­rer Lip­pen füg­ten sich fein in­ein­an­der, und am Sau­me ih­res Hemd­chens strei­chel­ten sich ihre ro­si­gen klei­nen Füße. Sie äu­ßer­te nichts; aber als sie fand, das Fräu­lein habe ge­nug »Er­nes­te« ge­sagt, nick­te sie be­däch­tig, zum Zei­chen, dass sie ver­stan­den habe.

      Sie be­kam ih­ren Ka­kao, grub im Gar­ten, ward, wie die Glo­cke ge­läu­tet hat­te, von den Mäd­chen in ei­nem Rin­gel­rei­hen ge­schwenkt und dann wie­der von Fräu­lein Er­nes­te in das Zim­mer des Re­hes ge­holt. Der Spitz Ami knurr­te nur, und er we­del­te da­bei. Lola soll­te auch heu­te »Affe« und »Ast« nach­spre­chen. Sie tat es zer­streut, sah da­bei im­mer das Reh an; sie hat­te kei­nen Sinn für die Din­ge, auf die Er­nes­te sie jetzt noch hin­zu­len­ken wünsch­te; und nur zu­fäl­lig be­merk­te sie, dass es sich um die zwei­te Sei­te des bun­ten Bu­ches han­del­te und dass dort je­des Bild mit ei­ner Mar­zi­pan­schei­be be­deckt war. Nahm man sie weg, ka­men dar­un­ter zum Vor­schein: ein Baum, ein Bä­cker, ein Bot­tich. Sie er­lern­te die­se Wor­te in großer Eile, um zu er­fah­ren, was auf der drit­ten Sei­te wäre.

      Von die­sen Er­leb­nis­sen, die sie in­ter­es­siert hat­ten, woll­te sie bei Tisch – war nicht heu­te al­les lus­ti­ger bei Tisch? – ih­rer Nach­ba­rin er­zäh­len, ei­nem Mäd­chen, das nur we­ni­ge Jah­re äl­ter sein konn­te. Sie er­zähl­te aus­führ­lich, die an­de­re aber lach­te nur und stieß eine drit­te an. Lola, in Ei­fer, kam von dem Reh auf die Tie­re da­heim, sprach von da­heim und von Nene und Mai. Plötz­lich ward sie inne, dass alle still wa­ren, zu bei­den Sei­ten des Ti­sches, und sie an­sa­hen: die meis­ten mit Neu­gier, ei­ni­ge spöt­tisch – und kei­ne, er­in­ner­te sie sich nun, kei­ne ein­zi­ge hat­te sie ver­stan­den! Er­rö­tet, rat­los be­schämt, sah sie die Rei­hen ent­lang, konn­te, zit­tern­den Ge­sich­tes, die Trä­nen noch ge­ra­de hin­un­ter­schlu­cken und beug­te sich mit ei­nem klei­nen ein­sa­men Lä­cheln über ih­ren Tel­ler.

      Nun kam eine Stun­de, in der al­les durchs Haus sprang und sang. Auch Lola soll­te sin­gen, sie tat nur so, als be­grif­fe sie nicht. Da fass­te aber Er­nes­te ihre bei­den Arme, und die Nase kraus vor Freund­lich­keit und wäh­rend alle um­her­stan­den, sag­te sie ihr meh­re­re Wor­te, de­ren je­des un­ge­fähr klang wie »sin­gen«, nur nicht ganz. Schließ­lich aber fand sie’s wirk­lich: sin­gen; und da sang Lola. Sie sang nä­selnd: »Ihr Ne­ger­kna­ben mei­nes Va­ters …«, schloss da­bei halb die Li­der und sah nun al­les, was sie sang, sah die Hei­mat … Noch wie sie schwieg, war sie aus dem Schwarm der auf sie Ein­re­den­den weit fort.

      Eine Wei­le dar­auf fiel ihr ein, dass sie die­ses Lied ein­mal bei der deut­schen Groß­ma­ma ge­sun­gen hat­te. Selt­sam: an den Auf­ent­halt bei der Groß­ma­ma hat­te sie noch gar nicht wie­der ge­dacht; ihr war, als sei sie von der Gro­ßen In­sel gra­des­wegs hier­her ver­schla­gen, und al­les da­zwi­schen war ver­wor­ren wie ein Schiff­bruch. Nun kam ihr eine Frat­ze in den Sinn, die der lus­ti­ge On­kel ein­mal ge­schnit­ten hat­te, und von da aus fand sie sich in al­lem wie­der zu­recht. Ach! Das war doch Lo­las Groß­ma­ma, denn Pai war ihr Sohn, und sie hat­te ihn lieb. Eine auf­zu­cken­de Hoff­nung: Ob Pai nicht bei ihr war? Dass Lola dar­an nicht frü­her ge­dacht hat­te! Pai war nicht ab­ge­reist, er war bei sei­ner Mama! Lola ging zu Fräu­lein Er­nes­te und sag­te: »Groß­ma­ma« – nur das eine, bit­ten­de Wort; und Er­nes­te ver­stand es, sie ließ Lola hin­füh­ren.

      Die Groß­ma­ma brei­te­te die Arme aus, Lola aber lief, ohne ih­rer zu ach­ten, um sie her­um: »Pai! Pai!« – in sein Zim­mer, in das Wohn­ge­mach, in den Gar­ten: »Pai! Pai!« Sie kehr­te von ih­rer ver­geb­li­chen Run­de wie­der.

      »Wo ist Pai?«

      Die Groß­ma­ma be­deu­te­te ihr et­was, Lola wuss­te wohl, was, aber sie glaub­te ihr nicht. Ei­ner der On­kel kam, die Magd ward ge­ru­fen, und alle wie­der­hol­ten das­sel­be. Lola schüt­tel­te nicht mehr den Kopf, aber ihre Mei­nung stand fest. Zu­letzt er­schi­en der lus­ti­ge On­kel und wünsch­te ihr Gu­ten Tag in ih­rer Spra­che. Im­mer die zwei Wor­te, die er sich einst von Pai hat­te ins Ohr sa­gen las­sen. »Dum­mer Pa­pa­gei«, dach­te sie, und sie ver­lang­te fort.

      Sie späh­te in je­des Hau­stor, zerr­te ihre Beglei­te­rin in die Lä­den, die sie mit Pai be­sucht hat­te, und auf ei­nem lee­ren Platz, wo es weh­te, blieb sie ste­hen und rief fle­hent­lich »Pai!« Keins der trä­gen Fens­ter öff­ne­te sich; es fror Lola bit­ter­lich, und die Magd zog sie fort.

      Aber für das bun­te Buch war sie nicht mehr zu ha­ben, nicht mehr für den Gar­ten und kaum noch für das Reh. Sie sah je­den mit Miss­trau­en an, der ein Wort zu ihr sprach: eins die­ser un­ver­ständ­li­chen Wor­te, de­ren Geräusch um sie her war. Zu Fräu­lein Er­nes­te sag­te sie: »Das ist nicht wahr«, ob­wohl sie gar nicht wuss­te, was das Fräu­lein ge­meint hat­te; bei Berüh­run­gen brach sie in Ge­schrei aus; und ihr Drang war im­mer: auf die Stra­ße, durch die Stadt, und in die Häu­ser spä­hen. Sie schrie, bis das Fräu­lein ängst­lich ward und sie hin­ausließ. Das dau­er­te meh­re­re Tage.

      Dann wich Lo­las Glau­be. Sie hat­te ge­wiss in je­dem Win­kel nach­ge­se­hen und über­all ihr »Pai!« ge­ru­fen. So woll­te Pai sie wohl nicht hö­ren, oder er war wirk­lich fort. Ja, er war fort; die Leu­te hat­ten recht. Aber dann hat­te Pai selbst sie ver­ra­ten und un­ter die­sen Frem­den zu­rück­ge­las­sen. Wem also war noch zu trau­en? Scheu sah das Kind sich um. In die­sen Ta­gen brach ein Ge­wit­ter aus; und Lola – wie hat­te sie da­heim zu ur­welt­li­chen Un­wet­tern ge­jauchzt! – ward von je­dem die­ser Blit­ze in eine an­de­re Zim­me­r­e­cke ge­scheucht, bleich und mit ge­schlos­se­nen Lip­pen; denn nie­man­des Hil­fe wuss­te sie an­zu­ru­fen.

      Ward Lola jetzt um ihr Lied ge­be­ten, schüt­tel­te sie, mür­risch und ver­le­gen, die Schul­tern. Auch sprach sie nicht mehr, und sie dach­te ganz Un­ge­wöhn­li­ches. »Ich wer­de viel­leicht sehr krank wer­den und kann dann nie­man­dem sa­gen, wo es weh tut, und muss im­mer so schrei­en, wie da­mals der Ne­ger schrie, der ein Loch im Ma­gen hat­te.« Wenn sie al­lein im Zim­mer war und mit sich selbst und ih­ren Pup­pen plau­der­te, muss­te sie manch­mal lau­schen: so selt­sam klein und al­lein klang ihr die ei­ge­ne Stim­me. Und sie fühl­te es plötz­lich, tief in ih­rem er­schau­ern­den Her­zen, es gäbe im Hau­se und in der gan­zen Stadt und auf al­len Stra­ßen, die hin­aus­führ­ten, kei­nen Men­schen, der, wie die da­heim, zu ihr sa­gen kön­ne: »Mei­ne klei­ne Lola, mei­ne lie­be klei­ne Lola.« Sie flüs­ter­te die er­sehn­ten Wor­te vor sich hin und sah da­bei ihre Pup­pen an. Da be­merk­te sie, dass auch die Pup­pen sie ihr nie sa­gen und, was sie ih­nen vor­plau­der­te, nie ver­ste­hen wür­den: wa­ren doch auch sie aus die­sem frem­den Lan­de. Sie schob sie weg. Und selbst das Reh! Da­heim gab es kein sol­ches Tier, und es wuss­te nichts von Lola. »Hörst du denn nicht?« bat sie, mit Trä­nen. »Reh! Reh!« Aber das Reh sah sie fremd an.

      Lola war al­lein.

      *

      Am Sonn­tag ward sie wie­der zur Groß­ma­ma ge­bracht. Sie be­nahm sich scheu


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