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Zwischen den Rassen. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Zwischen den Rassen - Heinrich Mann


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horch­te sie. Ein furcht­ba­rer Krach: nun drang es gleich zu ihr ein; und Lola schrie los, mit al­len Kräf­ten höchs­ter Not:

      »Der Teu­fel! Der Teu­fel!«

      So­fort hör­te das Pol­tern auf, und im nächs­ten Au­gen­blick stand in der Tür der lus­ti­ge On­kel, ganz bleich, und blick­te Lola zor­nig an. Sie schrie, zu ih­rer Recht­fer­ti­gung und aus Ei­gen­sinn, noch ein­mal: »Der Teu­fel!« Da stürz­te aber der On­kel auf sie zu und leg­te sie über sein Knie … Und nach­dem Lola dies durch­ge­macht hat­te, war es ihr viel leich­ter und sanf­ter. Der On­kel nahm sie bei der Hand und führ­te sie in das Keller­ge­wöl­be un­ter dem Gar­ten­haus. Er zeig­te ihr, wie er Holz ge­hackt habe und wie die ge­schwun­ge­ne Axt manch­mal ge­gen die nied­ri­ge De­cke ge­sto­ßen sei. Was er dazu re­de­te, hat­te einen gu­ten, tröst­li­chen Ton – und Lola ward be­trof­fen und sehr nach­denk­lich. Denn es war klar, dass dies ge­gen alle ihre bis­he­ri­gen Er­fah­run­gen ging. Wenn da­heim aus dem Ur­wald her­aus ir­gend­ei­ne un­ge­wohn­te Stim­me er­scholl, lief es bei den Schwar­zen von Mund zu Mund: »Der Teu­fel«; und blin­zel­te ir­gend­wo ein Licht, das nie­mand kann­te, ward ge­raunt: »Der Teu­fel«. Als der On­kel Holz hack­te, hät­te die schwar­ze Anna nur bei Lola sein sol­len; ganz si­cher wür­de sie ge­wim­mert ha­ben: »Der Teu­fel«. Er war es also nicht? We­nigs­tens nicht im­mer? Das war tröst­lich, und der On­kel war gut, dass er Lola dies ge­lehrt hat­te. Sie lä­chel­te ihm zu. Sie hat­te auf ein­mal alle Men­schen lie­ber, ging ins Zim­mer, um­arm­te die Groß­ma­ma und klatsch­te in die Hän­de bei dem Ge­dan­ken, dass sie auch dem Fräu­lein Er­nes­te et­was recht Lie­bes an­tun wol­le. Eif­rig ver­glich sie im In­nern die schwar­ze Anna mit Fräu­lein Er­nes­te und wun­der­te sich, wie viel nä­her ihr Er­nes­te sei. Die schwar­ze Anna war dumm, mit ih­rem Teu­fel; Lola schäm­te sich ih­rer ein we­nig. Wie sie nach Haus kam, stell­te sie sich vor Er­nes­te hin, sam­mel­te sich und sag­te zu­trau­lich:

      »Ast, Boot, Reh, Er­nes­te.«

      Da­bei lä­chel­te sie ent­schul­di­gend, denn für ein acht­jäh­ri­ges Mäd­chen war dies na­tür­lich kin­disch; aber was soll­te sie sa­gen? Er­nes­te ver­stand Lola; vor Rüh­rung be­kam sie ein be­küm­mer­tes Ge­sicht und Trä­nen in die Au­gen.

      Ei­ni­ge Wo­chen spä­ter schlug sie Lola vor, einen Brief an Pai zu schrei­ben.

      »Schrei­be in dei­ner Spra­che.«

      Lola tat es; aber sie füg­te mit Ge­nug­tu­ung eine An­zahl ih­rer deut­schen Wör­ter hin­ein: alle wa­ren in ei­nem Brief schon nicht mehr un­ter­zu­brin­gen. Die Ant­wort kam. Auch Herr Ga­bri­el hat­te auf por­tu­gie­sisch ge­schrie­ben; nur am Schluss stand der Satz: »Ich habe dich lieb.« – Und die­se Wor­te, die er noch nie in sei­ner ei­ge­nen Spra­che hat­te äu­ßern dür­fen, wa­ren von ihm mit ei­ner Sü­ßig­keit er­füllt wor­den, die Lo­las schwa­che Hän­de noch nicht her­aus­pres­sen konn­ten. Er­nes­te sah die­se Zei­len lan­ge an und sag­te dann:

      »Be­wah­re den Brief gut auf, Kind.«

      Den nächs­ten schrieb Lola – sie war vier Mo­na­te bei Er­nes­te – ganz deutsch, und ihr Va­ter ant­wor­te­te eben­so. In­zwi­schen aber war ein Brief an­ge­kom­men; Lola wuss­te nicht gleich, wer ihn ab­ge­schickt habe. Sie war sehr ge­spannt.

      »Ah!«

      »Nun?« frag­te Er­nes­te.

      »Von Mai!« – und sie be­trach­te­te ihn an­ge­strengt.

      »Was schreibt dir dei­ne Mama?«

      »Ja, ja«, mach­te Lola, und: »Gleich kom­me ich wie­der.«

      Sie lief ins Schlaf­zim­mer und buch­sta­bier­te. Mais Schrift sah Lola zum ers­ten Mal; die schö­ne Mai lag im­mer nur in der Hän­ge­mat­te. Wie muss­te sie Lola lieb­ha­ben, dass sie ihr schrieb! Lola küss­te den Brief. Dann ver­such­te sie es noch­mals: nein; wirk­lich, sie ver­stand nichts, oder nur hier und da ein paar Wor­te. »Mai, Mai«, stam­mel­te sie, und plötz­lich wein­te sie. Klein­laut be­rich­te­te sie spä­ter Er­nes­te:

      »Jetzt ist es sehr heiß in Rio, schreibt Mai, und hier ist es so kalt.«

      Tags dar­auf wuss­te sie:

      »Nene war krank und ist nun wie­der ge­sund.«

      Sie las im­mer in dem Brief; er hat­te schon Ris­se, Fett­fle­cke und Trä­nen­spu­ren. Ei­nes Mor­gens beim Er­wa­chen fand Lola ihr Händ­chen hoch in der Luft. Im Traum hat­te sie’s nach ei­ner Frucht aus­ge­streckt, die Mai ihr hin­hielt – und zog es nun leer zu­rück. Noch sah sie Mais Ge­sicht: und da ver­stand sie plötz­lich ei­ni­ge von Mais Wor­ten in ih­rem Brief. Schon war Lo­las ers­te Spra­che, Wort für Wort, zu­rück­ge­drängt von ih­rer zwei­ten; neue Ge­sich­ter scho­ben sich ihr vor die al­ten, und eine neue Luft mal­te alle Din­ge an­ders. Drau­ßen schnei­te es; das ers­te Mal hat­te Lola den Schnee für Zu­cker ge­hal­ten, und Mai kann­te ihn noch im­mer nicht. Mai lag in großer Wär­me in ih­rer Hän­ge­mat­te und kann­te, ob­wohl sie Mai war, nichts von al­lem, was Lola sah. Wie rät­sel­haft das war! Lola dach­te sich dar­in fest; sie saß am Bo­den, den Blick nach in­nen, die Lip­pen lei­se ge­löst, und hielt mit al­len Kräf­ten den Ge­schmack sol­ches Ge­dan­kens fest. Manch­mal war es nur ein Wort, ein Name, den sie in sol­cher Wei­se ganz aus­zu­kos­ten such­te: Er­nes­te, wie konn­te je­mand so hei­ßen; Er–­ne–s­te, wie jede der Sil­ben plötz­lich ver­wun­der­lich und ko­misch war. Je­den Au­gen­blick wur­den sie frem­der! Im Früh­ling, auf ei­nem Aus­flug, ward Lola ver­misst und al­lein zwi­schen Wald­hü­geln bei ei­ner Quel­le ge­fun­den. Das nas­se Laub hing um sie her, es roch herb nach Kräu­tern, die Quel­le rann, Lola saß ohne Re­gung. Wor­über sie nach­ge­dacht habe. »Über die Quel­le.« Im Som­mer lag sie oft am Ran­de ei­nes He­lio­trop­bee­tes auf dem Bauch, schob den Kopf zwi­schen die Blu­men und lausch­te in die große Tie­fe die­ses Duf­tes.

      Ein Ge­sicht, das sie lan­ge schon kann­te, ward ihr auf ein­mal wie durch­leuch­tet; nun fühl­te sie’s. Ein­mal, im Schul­zim­mer, sah sie, an­statt nach­zu­schrei­ben, un­ver­wandt auf ihre Lieb­lings­leh­re­rin, auf die ra­schen klei­nen Mie­nen und die flin­ken, pi­cken­den Be­we­gun­gen des Fräu­leins.

      »Lola, warum siehst du mich im­mer­fort an?« frag­te Fräu­lein Mina. Lola er­klär­te:

      »Du aus­siehst wie ein klein Vo­gel.«

      Die fran­zö­si­sche Leh­re­rin ward ge­hasst von Lola, be­son­ders seit sie Lola ge­droht hat­te, wenn sie noch län­ger die Kirsch­ker­ne ver­schlu­cke, wer­de ihr ein Kirsch­baum aus dem Hal­se wach­sen. Lola wühl­te sich mit dem Blick in die­ses fet­te, graue, schnüf­fel­na­si­ge Ge­schöpf hin­ein, bis sie in dem Fräu­lein deut­lich eine große, di­cke Rat­te sah und bei ei­ner zu­fäl­li­gen Berüh­rung be­sin­nungs­los auf­schrie!

      In eine Vor­stel­lung, eine Be­gier­de konn­te sie sich ret­tungs­los festren­nen, bis zu klei­nen Ver­bre­chen. Ein­mal log sie, in dem un­ver­mit­tel­ten Dran­ge, eine Sa­che ganz für sich zu ha­ben. Nun hat­te sie’s: ein Ge­heim­nis, und kos­te­te ta­ge­lang aus, dass nie­mand wis­se, was sie wuss­te. Das war ein neu­es Le­ben, eine ei­ge­ne Welt! Et­was spä­ter stif­te­te sie, um des Aben­teu­ers wil­len, eine große Ver­schwö­rung an, ver­bun­den mit Dieb­stahl. Zwar han­del­te es sich um die »Rat­te«, die oh­ne­hin je­den Streich ver­dien­te. Mitt­ler­wei­le nann­ten alle sie so; Lola hat­te den Na­men durch­ge­setzt und in vie­len Wi­der­wil­len er­regt ge­gen die Leh­re­rin. Es war


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