Эротические рассказы

Zwischen den Rassen. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Zwischen den Rassen - Heinrich Mann


Скачать книгу
nahm so­gar, mit lei­den­schaft­li­cher Selb­st­über­win­dung, die Hand der Rat­te. Den­sel­ben Ekel emp­fand sie auch jetzt noch; aber sie sah die­ses We­sen lei­den, sah un­end­lich mehr da­von, als die an­de­ren sa­hen, und be­griff nicht mehr, wie sie solch Lei­den hat­te zu­fü­gen mö­gen! Viel lie­ber statt an­de­rer lei­den! In man­cher Nacht kam ihr die Fra­ge: »Wenn ich mich le­ben­dig be­gra­ben las­sen soll­te, oder Er­nes­te soll­te ster­ben, oder Mai: was wür­de ich wäh­len?« Sie warf sich seuf­zend und heiß um­her: nun hieß es sich ent­schei­den, das Furcht­bars­te auf sich neh­men. Und plötz­lich war sie hin­durch, sah Licht, war sanft und süß durch­ron­nen und hat­te sich dar­ge­bracht: »Oh, lie­ber, viel lie­ber will ich le­ben­dig be­gra­ben wer­den!«

      Sie war er­schüt­tert; ein Drang nach Güte, eine schmerz­li­che Wal­lung von Lie­ben­wol­len hob ihr Herz auf – und da kam recht­zei­tig der neue Ge­schichts­leh­rer, Herr Diet­rich. Er war schüch­tern und iro­nisch, und er sprach im­mer wie zu er­wach­se­nen Da­men. Alle in­ter­es­sier­ten sich für ihn, ei­ni­ge er­kun­de­ten sei­ne Le­ben­sum­stän­de. Er wohn­te mit sei­ner Mut­ter und sei­nen jun­gen Ge­schwis­tern zu­sam­men und un­ter­hielt sie. Wie Lola von sei­nem Le­ben träum­te! Lieb­reich muss­te es da­hin­flie­ßen, voll sanf­ter, gü­ti­ger, ed­ler Ge­dan­ken. Mit zwei an­de­ren, die für ihn schwärm­ten, wag­te sie es un­ter ei­nem Vor­wand, ihn auf­zu­su­chen. Kein Tep­pich lag auf den wei­ßen Die­len sei­nes Zim­mers. Herr Diet­rich stand von sei­nem Schreib­tisch auf, der da­bei ins Wan­ken kam, und deck­te ver­le­gen ein Kis­sen auf einen Riss im Le­der­so­fa. Das gan­ze Haus roch nach sau­rer Milch. Ta­ge­lang er­bit­ter­te Lola sich ge­gen Er­nes­te, die ihn nicht bes­ser be­zahl­te. Alle hät­ten hin­ge­hen sol­len und es ihr vor­hal­ten. Lola son­der­te sich ab, so­oft sie konn­te, lern­te den Leit­fa­den der Ge­schich­te aus­wen­dig, und wenn sie ihn sich wie­der­hol­te, war es ihr, als sag­te sie ihm et­was Lie­bes. Als sie an ei­nem März­tag, es lag noch Schnee, al­lein im Gar­ten ge­we­sen war, kam sie er­regt zu Er­nes­te ge­lau­fen.

      »Er­nes­te, ich weiß jetzt, wie der Früh­ling aus­sieht!«

      »Wie­so?«

      »Wie Herr Diet­rich sieht er aus!«

      Lola leuch­te­te. Die Of­fen­ba­rung, die sie so­eben emp­fan­gen hat­te, war ein­fach und tief­wahr.

      Er­nes­te dach­te: »Mit zwölf Jah­ren schon? …« Sie fass­te sich und äu­ßer­te:

      »Aber Kind, für ein Mäd­chen, das bald drei­zehn wird, ist das doch zu kin­disch. Herr Diet­rich ist na­tür­lich ein Mensch wie wir alle.«

      Lola stutz­te. War er das? Wa­rum muss­te sie dann so viel an ihn den­ken? Im­mer hat­te sie je­nen leich­ten Ge­ruch von sau­rer Milch in der Nase, so viel dach­te sie an Herrn Diet­rich. »Ich will ihn mir ganz ge­nau an­se­hen.« Gera­de heu­te war Herrn Diet­rich sein gel­ber Strumpf über sei­nen schwar­zen Schuh ge­rutscht. Lola starr­te fins­ter und nach­denk­lich dar­auf hin. Ähn­li­ches konn­te man auch bei an­de­ren Leh­rern se­hen; aber Herr Diet­rich, der so edel war, an den Lola so viel den­ken muss­te! Nun be­merk­te sie auch, wie Herr Diet­rich sich mit Jen­ny ab­gab; wie die di­cke, fre­che Jen­ny, das Kinn auf der ge­ziert aus­ge­spreiz­ten Hand, ihn an­schmach­te­te; wie er er­rö­tend weg­sah und, nach­dem er ein we­nig an sei­nem Knei­fer ge­rückt hat­te, ihr zu­lä­chel­te. Da ward es Lola kalt und zor­nig zu Sinn; es trieb sie, Herrn Diet­rich zu zei­gen, dass er für sie durch­aus kein Ide­al sei. Er stand gra­de vor ihr; sei­ne röt­li­che, kno­chi­ge Hand lag auf ih­rem Tisch, und in sei­ner Man­schet­te konn­te sie Haa­re se­hen. Vor­sich­tig führ­te sie zwei Fin­ger hin­ein, er­fass­te ein Haar, mach­te »Kieks!« – und da hat­te sie’s. Herr Diet­rich zuck­te zu­sam­men; dann rief er mit ro­ter, ent­rüs­te­ter Mie­ne:

      »So et­was tut man nicht!«

      Lola, ziem­lich er­schro­cken über ihre Tat, aber trot­zig, be­trach­te­te das Haar.

      »Gib’s her!« – und Herr Diet­rich nahm es ihr weg.

      Als er sie spä­ter et­was frag­te, ant­wor­te­te sie nicht, ob­wohl sie’s wuss­te. Sie be­schloss, ihm brief­lich ihre Ver­ach­tung aus­zu­spre­chen. Den gan­zen Nach­mit­tag ar­bei­te­te sie dar­an. »Wenn ich einen Men­schen gern habe, ver­lan­ge ich mehr von ihm als von an­de­ren; Sie ha­ben mich sehr ent­täuscht«, woll­te sie ihm sa­gen, und: »Ich bin viel zu stolz, um je­mand noch gern zu ha­ben, der eine an­de­re liebt.« In­des fiel ihr ein, dass Herr Diet­rich von ih­rer Nei­gung nichts ge­wusst habe, und dass ihn dar­um auch ihre Ent­täu­schung nichts an­ge­he. Wahr­schein­lich wür­de er ihr mit sei­ner ent­rüs­te­ten Mie­ne den Brief zu­rück­ge­ben und dazu schrei­en: »So et­was tut man nicht!«

      Sie hielt sich nun für fer­tig mit der Lie­be. Den­noch ver­lor sie den Win­ter dar­auf ihr Herz an einen ita­lie­ni­schen Lei­er­kas­ten­mann. Sie lag im Fens­ter und leb­te in sei­nen Au­gen. Bleich und trau­rig schmach­te­te er her­auf. Lola sag­te:

      »Wie ist er schön! Ich habe noch nie einen so schö­nen Mann ge­se­hen.«

      Die di­cke Jen­ny stör­te sie dies­mal nicht, im Ge­gen­teil, sie frag­te, ob Lola sei­ne Be­kannt­schaft ma­chen wol­le, sie be­glei­te sie gern. Lola schrak zu­rück, sie wuss­te noch nicht, wo­vor. Aber am Sonn­tag war­te­te sie mit ih­rem gan­zen Wo­chen­geld. Der Ita­lie­ner kam, nur war er be­trun­ken und kot­be­spritzt, fing Streit an und ward ver­haf­tet. Lola warf aufs Ge­ra­te­wohl ihre zehn Mark hin­un­ter und ret­te­te sich.

      Die Tren­nung von die­ser Lie­be war hart. Wo­chen­lang zuck­te Lola schmerz­lich zu­sam­men, pfiff je­mand auf der Stra­ße eine von des Ita­li­e­ners Ari­en. Bei der An­kün­di­gung der Oper, aus der sie stamm­ten, ge­riet Lola in Er­re­gung und ver­lang­te hin. So­gar die Beglei­tung der Rat­te nahm sie mit in den Kauf. Auf ih­rem Bal­kon­platz be­kam sie Herz­klop­fen; aber wie sie sich den Lei­er­kas­ten­mann vor Au­gen ru­fen woll­te, be­merk­te sie, dass sein Bild un­auf­find­bar war und dass nur die Klän­ge und Ge­bär­den von dort drü­ben sie er­füll­ten und be­weg­ten. Ihr schi­en es der ers­te Thea­ter­be­such; und al­les mu­te­te sie wie ei­ge­ne tie­fe Erin­ne­run­gen an. Woran sie je­mals ah­nungs­voll ge­rührt hat­te, das war hier auf­ge­schlos­sen und ent­zau­bert. Der letz­te Duft schö­ner Blu­men, Na­men, Ge­sich­ter schi­en hier her­aus­ge­presst. Die Wor­te klan­gen alle vol­ler und sinn­rei­cher, die Din­ge hat­ten hö­he­re Far­ben, die Mie­nen er­glänz­ten in­ni­ger. Hier wie­der­hol­te sich, hät­te man mei­nen sol­len, das Le­ben Lo­las in stär­ke­rem Licht: als habe sie dort auf der Büh­ne ihr ei­ge­nes Herz, hö­her schla­gend, vor Au­gen. Al­les, wo­für man sonst kei­ne Ver­wen­dung wuss­te, konn­te hier spie­len. Man konn­te sich ganz ge­ben, wie man war; denn die Men­schen hiel­ten end­lich das, was man sich von ih­nen ver­sprach. Der Held die­ser Oper war so edel, wie Herr Diet­rich hät­te blei­ben sol­len, und so schön wie der Ita­lie­ner, ohne sich da­bei zu be­trin­ken.

      Bei der Heim­kehr war es Lola, als habe sie nun ein Zau­ber­wort er­fah­ren: Schau­spie­le­rin, und sei da­durch er­löst und mit sich selbst be­kannt ge­macht.

      »Wie son­der­bar!« dach­te sie im Bett und starr­te zur dunklen De­cke hin­auf; »das also bin ich!« Er­nes­te rühr­te sich, und Lola hät­te sie fast, in ra­scher Re­gung, auf­ge­weckt und ihr Schick­sal Er­nes­te of­fen­bart. Noch hielt sie zu­rück; sie hat­te sich erst selbst an sei­ne Er­kennt­nis zu ge­wöh­nen. Beim Auf­wa­chen aber er­schüt­ter­te sie so­gleich


Скачать книгу
Яндекс.Метрика