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Eugénie oder Die Bürgerzeit. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Eugénie oder Die Bürgerzeit - Heinrich Mann


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brannten. Der Dichter ergriff das eine, er näherte es dem schönen Gesicht.

      »Ich schrieb noch kürzlich in ein südliches Land«, sprach er sorgfältig, »auch unter unserem Himmel wüchsen Helden und göttliche Frauen, er sei gefährlich wie irgendeiner.«

      »Danke, Herr Professor, danke«, erwiderten einstimmig die Leutnants, denn mit Recht bezogen sie dies auch auf sich. Sie nahmen die Absätze zusammen. In allem lag, daß sie ihre Pflichten gegen den Dichter kannten, wie er gegen sie die seinen. Unterdrückt lag auch noch Spott darin – zugleich mit Unsicherheit. Der Dichter warf den Kopf, sein weißer Knebelbart ward stolz gehoben, der Blick bekam Pathos.

      Der Konsul wünschte dem berühmten Gast seinen Sohn zu zeigen. Der Mutter fiel das Kind erst jetzt wieder ein. »Wo ist er? Jürgen!« Wieder begann das große Suchen. Der Junge war noch immer nicht zu Bett, keins der Mädchen kannte sein Versteck. Im Garten? Er fürchtete das Dunkel. Dennoch ward er dort zuletzt entdeckt, auch diesmal fand Leutnant von Kessel das Kind. Es lag auf dem Rasen, mit dem Gesicht im Hyazinthenbeet. Die Pflanzen dufteten nächtlich stark. Reglos lag es und atmete nur.

      »Sofort hierher!« rief der Konsul drohend. Als Jürgen aber kam, ward ihm vom Vater die Backe nur gestrichen, wie im Spiel. Der Vater lachte dabei wohlwollend. Ungeduldig war nachgerade die Mutter.

      »Ich kenne dich, du willst, daß ich mich ängstige!«

      Sie übergab das Kind dem Mädchen, damit es nur wegkomme.

      Einzig der alte Dichter hielt es an der Hand noch zurück. Er sah ihm streng in die Augen, dies Kind gefiel ihm nicht.

      »So lagest du und berauschtest dich?« fragte er – ließ das Kind aber los, bevor es antworten konnte; es verschwand gedemütigt.

      Konsul West und seine Gattin luden eindringlich zum Abendessen, dennoch überlegte der Dichter, ob hier seines Bleibens sei. Das Kind war sinnlichem Überschwang zugeneigt, der Verderbnis vielleicht bestimmt. Ihm drohte für die Zukunft ein Weg: ach! seine schöne Mutter betrat ihn schon. Verdächtige Gäste klopften hier an. Warum näherten frische junge Krieger sich den wankenden Mauern dieses Hauses? Tragisch war das Los des tätigen Mannes, der es errichtet hatte mit eigener Kraft, und dies Ende eines ganzen tüchtigen Bürgerstammes! Der Dichter war voll Eifer und Reinheit für die Dauer des Bürgertums, aller seiner Stämme. Er tat auch hier seine Pflicht. ›Dies Haus sei von den Göttern preisgegeben. Gleichviel, ich bleibe.‹

      Außerdem drängte sein altes Leiden ihn, noch zu verweilen. Er nannte es nicht, erklärte nur: »Ich holte es mir auf meinen Sängerfahrten«, und bat, sich für kurze Zeit zurückziehen zu dürfen.

      »Heines ist sonderbar«, sagte alsbald die Konsulin.

      Der Konsul lächelte. »Ihn wandeln menschliche Gefühle an.«

      Hierüber verzogen beide Damen das Gesicht, es war gewagt. Der Konsul konnte gewagt sein. Die Offiziere erlaubten sich nicht, zu lachen.

      Gabriele hatte nur sagen wollen, daß Heines trotz allem sich wichtiger nehme, als sie je geglaubt hätte. Freilich versicherte grade ihre unüberwindliche Befangenheit sie, daß er recht habe. Er wäre, für sich allein genommen, lächerlich gewesen, mit Glatze, Kopfrücken, erhabenem Blick. Aber hinter ihm gab es Welten,– er hatte sie gekannt, und sie verlor man nicht. Gabriele wußte es. Vor ihrem Innern erschienen zwei mit Standbildern gekrönte alte Säulen an einem besonnten, breiten Fluß.

      »Ich würde dich bitten, jetzt nicht zu träumen«, – der Konsul zog nur die eine seiner blonden Brauen hinan.

      Der Tisch war vorzubereiten. Während auch sie selbst dabei half, unterrichtete Fräulein Emmy Nissen doch die drei Herren über Eigenheiten des Ehrengastes. Sie war ihm in anderen Häusern begegnet; so weit entfernt die Ehrenplätze dort von dem ihren lagen, sie hatte sich umgesehen. Professor von Heines aß dies und jenes nicht, er trank vor allem keinen weißen Wein. »Sehr vernünftig«, bemerkte der Konsul.

      »So nennst du ihn nicht mehr lange«, verhieß seine Kusine ihm. Hierauf erwähnte sie noch auffallendere Eigenheiten Heines'.

      Der alte Dichter war empfindlich über jedes gewohnte Maß. Sie bat ihren Vetter dringend, seine Neigung für Gewagtes ganz zu unterdrücken.

      »Vor allem aber darfst du nie bezweifeln, daß alles, was er aus seinem Leben erzählt, auch wahr ist.«

      »Du glaubst doch nicht, daß er lügt?« fragte Gabriele, die geschlossene Hand an ihrer schmalen Wange.

      Emmy zuckte die Achseln.

      »Er dichtet, – und versteht mich alle wohl! Nichts anderes steht in der Welt für ihn obenan, einzig das Dichten.«

      Die Konsulin verzog den Mund. Aber der Konsul sagte:

      »Der Ansicht kann man sein.«

      Drittes Kapitel

      Die Tür ging auf, eins der Mädchen hielt eine Lampe hoch, damit der Professor von Heines die Schwelle sehe. Seine Miene zeigte gefaßten Schmerz, sie sollten es für die Spur vergangener Seelenkämpfe halten, statt für alltägliches Leiden seines Leibes. Ihre Gesichter wurden denn auch achtungsvoll.

      Der gedeckte Tisch stand nahe der weit offenen Gartentür. Der Alte sah es mit Besorgnis. Da erblickte er den Kamin, das leichte Holzfeuer, – er machte einen schnelleren Schritt, er hob seinen langen grauen Rock auf und ließ sich von rückwärts die Beine wärmen.

      »Sie kennen den Süden«, sagte die Konsulin und legte hin, was sie in der Hand hielt.

      Sie gab ihm den Platz beim Kamin, eigenhändig wickelte sie ihm sein Plaid um die Knie. Er hatte die Hausfrau rechts, zu seiner Linken die andere Dame. Die drei Herren saßen der Tür zu, der Tisch war rund. Er trug zwei silberne Kandelaber mit Kerzen, der Kamin die beiden chinesischen Lampen aus Porzellan. Es war hell, warm, ins Zimmer duftete der Garten. Alle betrachteten einander erwartungsvoll und mit Wohlwollen.

      Die Mädchen in weißen Häubchen reichten Krebse, Spargel und russische Rebhühner, eine Seltenheit, mitgebracht von einem Kapitän der Firma. Die Gesellschaft sprach aber, sie aß nicht, obwohl die Speisen verschwanden. Es geschah nebenher, sie schienen nicht darauf zu achten. Professor von Heines unterbrach die Reden einzig, um den Wein zu loben. Konsul West hatte beide Weine zugleich anbieten lassen. Der alte Dichter ward warm von seinem Léoville und dem Kaminfeuer, er sagte aber: von Erinnerungen an Griechenland, die er ablese aus den wundervollen Augen der Hausfrau.

      Sogleich war er versetzt in Ölwälder, wo Hirten die Schalmei bliesen, ihm träumte dabei vom Flötenspiel des großen Pan. Er war versetzt unter Bogentore, um die ein wilder Rosenbusch rankte. Zwischen Säulen stieg und fiel der Brunnen, gefaßt von Porphyr. Er rundete den Namen Porphyr, die Namen Kephissia, Lorbeer, Opal. Wenige Worte: drei Palmen, Geklüfte und blaues Meer weiteten durch seinen Mund sich zur Landschaft, dorthinaus starrten alle geblendet, indes sie um diesen Tisch doch nur in das Kerzenlicht blinzelten.

      Gabriele fragte zuerst. Sie fragte nach den Frauen Griechenlands, sie hatte bisher fast nur von den Knaben gehört.

      Noch einmal erweckte er eine Stadt aus Marmor, die Treppe, das Portal. Darunter stand das Mädchen, Abendröte umspielte ihr Haar.

      »Wie war sie gekleidet?« fragte die Konsulin.

      Emmy Nissen begriff, daß sie an ein Maskenkostüm für den Winter dachte. Sie sollten es nicht erfahren.

      »Da sah ich dich zum ersten Male«, sagte statt dessen der Greis – verriet auch, daß er ein Weib von jenes Landes gottähnlichem Geschlechte fast gefreit hätte. Ihn hinderte seine Sprache, sein Lied, bei dem dort drüben niemand aufhorchte. Ja, auch Kampf und Schicksal seines Volkes riefen ihn ab. Hier erhob er sein Glas gegen die beiden Leutnants.

      Der Konsul nickte seiner Frau zu. »Ähnlich schwer ward es uns nicht gemacht«, sagte er.

      So erfuhr der Dichter, daß auch sie eine Fremde sei. Er habe es gewußt, behauptete er. Ihr beglänzter Blick verrate es ihm, ihr leichter Schritt. Er erkenne die Tochter des Südens wie eine Verwandte.

      Emmy


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