Die Göttinnen: Die Geschichte der Herzogin von Assy. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.
blieb stehen und lächelte sich zu.
›Das hätte ich ihnen am Mittwoch sagen sollen! Aber du bleibst immer das Kind auf dem Felsenriff im Meer, – dein Leben lang, kleine Violante. Mit Monsieur Henry verspottest du Gott und die Weltgeschichte, und dann legst du dich an das Ufer deines Sees und träumst mit Farren und mit Eidechsen.‹
Man ließ sie träumen.
Am Abend nach ihrer erstaunlichen Erzählung blieb Monsignor Tamburini länger als sonst beim Kardinal. Seine Eminenz war angeregt und wißbegierig, er näherte einige Münzen dem Lichte der dreiarmigen Ampel und sah darüber weg.
»Mit der Gesellschaft, die wir uns für unsern Mittwoch geschaffen haben, bin ich recht zufrieden. Was wir soeben wieder gehört haben, war durchaus merkwürdig und unterhaltend. Aber nun sagt mir einmal, lieber Sohn, was Ihr mit diesen so liebenswürdigen Versammlungen für eine Absicht verfolgt. Ich gestehe, daß ich mich noch gar nicht darum bekümmert habe, warum Ihr eigentlich mit der schönen Herzogin Politik treibt. Mir selbst – Ihr wißt, wie ich genügsam bin – ist sehr an den schönen, alten Geldstücken gelegen, die sie mir verehrt. Aber Ihr, ein so wirklichkeitsliebender Mann ...«
»Eminenz, das Ganze ist ein Zufall, und mein Verdienst beschränkt sich darauf, daß ich ihn nicht ungenützt gelassen habe. Ich fand die Herzogin von Assy im Klostergarten zu Palestrina –«
»Wie ein Blümchen! Und Ihr brachet es mir, Ihr Guter!«
»Ich nahm sie mit – ursprünglich nur aus Spekulation, weil eine Herzogin von Assy der Kirche stets nützen kann. Ich dachte an eine Bekehrung der allzu weltlichen Frau, an ihr großes Vermögen, auch an eine interessante und nutzbringende Verbindung mit ihrem Geschäftsmanne, dem Baron Rustschuk ...«
»Ein großes Licht unter euch praktischen Leuten, nicht wahr?«
»Ein hochbedeutender Mann. All das Geld! All das Geld! ... Leider ist die Bekehrung der Herzogin unmöglich; ich mußte mich davon überzeugen. Diese Heidin verschließt sich der Gnade. Auch wurden ihre Besitzungen eingezogen. Ich gestehe, daß mich das anfangs gegen sie einnahm.«
»Ich begreife Euch, mein Sohn.«
»Dann aber erkannte ich, daß uns gerade die Konfiskation ihrer Güter die erfreulichste Aussicht eröffne, nämlich sie ihr wiederzugewinnen und dafür belohnt werden.«
»Sie ihr wiedergewinnen? Ihr müßt mir das Kunststück zeigen. Ich habe nicht genug Genie, es selbst zu finden, doch reizt es mich gewissermaßen.«
»Sehr einfach. Die dalmatinische Regierung ist erzürnt wegen der revolutionären Umtriebe, die im Namen der Herzogin von Assy stattfinden. Wir verhandeln also mit der Regierung wegen Unterdrückung der Revolten. Alles kommt auf den Preis an, den sie uns bietet. Nach Beruhigung des Landes muß man das Assysche Vermögen freigeben, es wird keinesfalls möglich sein, die Konfiskation aufrechtzuerhalten. Die Herzogin hat zu mächtige Verbindungen, ihr Kredit bei den Höfen ist größer als der des Königs Nikolaus ... Sie erhält alles zurück und zeigt sich natürlich gleichfalls gegen uns erkenntlich.«
»Belohnung von zwei Seiten! Ihr seid stärker, als ich dachte, Tamburini. Nur möchte ich noch wissen, weil ich's ganz kurios finde – wie Ihr's anstellen wollt, daß die Revolten aufhören.«
»Aber mir scheint ... da wir sie anzetteln, können wir sie auch aufhören lassen.«
»Das ist ... Das übersteigt, ich gestehe es, meine Voraussicht. Also man erregt Aufstände; die dalmatinischen Bischöfe, die Kirche – sagen wir: wir ...«
»Jawohl, sagen wir: wir.«
»Wir erregen in jenem Lande Aufstände, dann gehen wir zu den Machthabern und sagen: ›Gebt uns Geld, so hört es auf.‹ Das ist gut erdacht, mein Sohn. Und sollte es fehlschlagen, so war es darum doch eine höchst sinnreiche Sache.«
Der Kardinal kehrte bereits zu seinen Altertümern zurück. Eine Frage machte ihm noch zu schaffen.
»Solch ein gelungenes Spiel, wie nennt man es nur? Erpressung, vielleicht? Mir scheint, ja, Erpressung.«
Und er nahm die Lupe zur Hand. Tamburini entrüstete sich ehrlich.
»Es ist eine der heiligen Kirche durchaus würdige Angelegenheit, einer unglücklichen Verbannten ihr irdisches Gut zurückzugewinnen.«
»Um dafür belohnt zu werden.«
»Das ist nicht unmoralisch.«
»Ich sage ja nichts, lieber Sohn.«
Die Cucuru fragte ebensowenig nach den Träumereien der Herzogin. Vinon mußte ihr Schreibgerät ordnen und über die nächtliche Zusammenkunft beim Wechslerbogen einen reinlichen Bericht aufsetzen für den dalmatinischen Gesandten.
»Stets auf französisch, meine Vinon. Es ist die Diplomatensprache.«
»Und, Mama, wenn wir nicht so gut französisch schrieben, dann würden sie vielleicht noch weniger dafür geben.«
»Noch weniger! Die Schufte! Eine saubere Regierung, die einer armen, alten Frau für ihre mühsame Arbeit solche Hungerlöhne zahlt. Ihr könntet sticken für Geschäfte und würdet noch ebensoviel verdienen.«
Man warf rasch eine Handarbeit über das angefangene Schriftstück; Lilian betrat das Zimmer.
»Gebt euch keine Mühe«, sagte sie. »Ich habe es vorausgewußt, ihr würdet euch heute wieder mit eurem schmutzigen Gelderwerb befassen.«
»Schmutziger Gelderwerb? Vinon, hat sie schmutziger Gelderwerb gesagt? Aber das Geldausgeben, wenn man keins auszugeben hat, das ist wohl sauberer, mein Töchterchen? Da seht mir einmal die hochmütige, weiße Jungfrau an! Diesen Winter hat sie vier Promenadenkostüme angeschafft und keins bezahlt!«
»Ich wohne in einem Stall, und ich würde, wenn es sein müßte, Käse essen und nichts weiter. Aber ich muß beim Korso in seidenen Kissen liegen und trage auf der Straße ein Kleid keinen Monat lang. Ich kann es nicht, ich bin eine Dame.«
»Sie ist eine Dame! Hörst du's wohl, Vinon? Aber sorgt sie wohl dafür, daß ihr Schatz die Schneiderin bezahlt? Und wenn ihre Mutter ihr sagt, wir brauchen in der Familie einen zweiten Mann für die Schneiderin und den Konditor, dann vergißt sie sich fast und läßt es an Ehrerbietung fehlen gegen ihre alte Mutter.«
»Jetzt kommt Raphael Kalender! O mein Gott, erfinde etwas Neues. Es ist langweilig, auch die Schande wird langweilig.«
Lilian warf sich in ein Sofa; es ächzte schwach.
»Herr Raphael Kalender, was hat sie denn gegen ihn? Vinon, Töchterchen, kannst du dir denken, warum sie ihn nicht will? Herr Kalender ist ein Fremder aus Berlin, ein steinreicher Herr. Er ist hergekommen, um Geschäfte zu machen, weil die Römer dazu zu dumm sind. Jetzt gründet er ein riesiges Varietétheater, ein anständiges, in das auch Familien gehen können. Darauf war hier noch niemand verfallen, Geld zu verdienen mit Anständigkeit. Welch kluger Mann!«
»Ein Jude mit einer Glatze, der mir bis an die Brust reicht. Ich werde ihn und den Priester sich abwechseln lassen, und der eine wird mich absolvieren von den Sünden, die ich mit dem andern begehe.«
»Jetzt scherzt sie schon! Sie wird schon noch Vernunft annehmen!«
»O ja, Mama, sei unbesorgt, schließlich nehme ich doch immer Vernunft an. Du bewegst mich auch noch zu der allerschmutzigsten Sache. Du hast dafür ein so einfaches Geheimnis: du wiederholst sie mir hundertmal. Beim erstenmal halte ich sie für vollständig unmöglich, bin noch guter Dinge und lache. Beim fünfzigsten Male weine ich. Ich will in den Tiber laufen – vor Ekel. Und beim hundertsten tue ich, was du verlangst – vor Ekel.«
Vinon hatte vor sich hin gekichert. Plötzlich sah sie auf, ihre Brauen, dunkler als das Haar, grenzten aneinander. Aufmerksam und trotzig betrachtete sie ihre Schwester. Sie sagte:
»Jawohl, Lilian, so bist du.«
Darauf machte sie sich wieder an ihre Schreibarbeit.
Die