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Der kleine Fürst Staffel 8 – Adelsroman. Viola MaybachЧитать онлайн книгу.

Der kleine Fürst Staffel 8 – Adelsroman - Viola Maybach


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gern, und der Anblick des herrlichen Tiers, das ihr Mann auf der letzten Auktion erworben hatte, verdrängte Nora und ihren Sohn vollständig aus ihren Gedanken.

      Abends beim Essen erwähnte sie Noras Besuch dann aber den Kindern gegenüber und wurde besonders von Anna und Christian sofort mit Fragen überschüttet. »Wieso war sie denn hier, Mama?«, wollte Anna wissen.

      »Na ja, es scheint, als wollte sie die Entfremdung rückgängig machen zwischen uns und ihrer Familie.«

      »Mit Franziska sind wir gut befreundet«, warf Christian ein. »Da ist überhaupt keine Entfremdung.«

      »Das stimmt, aber zu ihr und ihrem Sohn besteht ja praktisch überhaupt keine Beziehung mehr, und das wollte sie offenbar gern ändern.«

      »Wir kennen Alexis überhaupt nicht«, stellte der sechzehnjährige Konrad fest, der dem Gespräch bis dahin schweigend gefolgt war.

      »Dann lernt ihr ihn eben bei nächster Gelegenheit kennen«, erklärte die Baronin. »Er ist immerhin Johannes’ Sohn, und Johannes haben wir ja sehr geschätzt.«

      »Aber wieso …«, begann Anna von Neuem, doch dieses Mal unterbrach der Baron seine Tochter.

      »Anna, keine weiteren Fragen, die wir nicht beantworten können«, bat er. »Nora war hier, sie hat praktisch eine freundschaftliche Annäherung angeboten, wir werden darauf eingehen – Ende. Mehr gibt es nicht zu sagen.«

      Die Baronin bemerkte den langen Blick, den Anna und Christian tauschten. Sie unterdrückte einen Seufzer. Die beiden witterten also wieder einmal ein Geheimnis, das es aufzuklären galt.

      Und vielleicht hatten sie ja sogar Recht damit …

      *

      »Wildschweine, Franzi!«, rief Elsbeth und rüttelte Franziska heftig an der Schulter. »Wir müssen sie irgendwie abdrängen, sie sind schon hinten im Garten. Wenn die über die morsche alte Terrasse trampeln, ist sie völlig hinüber.«

      Franziska war mit einem Schlag hellwach. Sie sprang aus dem Bett, fuhr in ihre alten Jeans und ein zerknautschtes T-Shirt und rannte hinter Elsbeth her. Die Wildschweine wüteten schon geraume Zeit in der Gegend, sie hatten befürchtet, dass sie auch auf ihrem Gelände auftauchen würden – nun war es also so weit. Jede von ihnen schnappte sich eine der Dachlatten, die sie zu diesem Zweck neben der Terrasse deponiert hatten. Mit lauten Schreien stürmten die beiden Frauen den Wildschweinen entgegen, wobei sie drohend die Dachlatten schwenkten, in der Hoffnung, dass die Eindringlinge diese Drohung verstanden.

      Doch zunächst sah es nicht so aus. Der Keiler, der die Rotte anführte, blieb zwar erst einmal verdutzt stehen und schien zu überlegen, was er von diesen schreienden Gestalten halten sollte, doch dann fasste er offenbar den Entschluss, seinen Weg fortzusetzen, denn er senkte den Kopf und rannte weiter.

      Franziska bekam es mit der Angst zu tun. Mit einem so mächtigen Tier konnte sie es niemals aufnehmen, und sie hatte nicht die Absicht, ihr Leben zu riskieren. »Zurück, Elsbeth!«, rief sie. »Lauf weg, die greifen uns an!«

      Doch bevor sie ihre Absicht in die Tat umsetzen konnten, knallte ein Schuss, dann ein zweiter, ein dritter. Eins der Tiere brach zusammen, der Keiler wandte sich um, sah, was passiert war und trat mit der Rotte den Rückzug an. Das verletzte Tier blieb zurück, quiekte und grunzte und hauchte schließlich vor den Augen der beiden entsetzten Frauen sein Leben aus.

      Im nächsten Augenblick näherten sich zwei schwarzhaarige, verwegen aussehende Männer mit Gewehren, einer war jung, der andere älter. Es war der Ältere, der ihnen zornig zurief: »Sind Sie verrückt geworden, diesen Tieren entgegenzulaufen? Die hätten Sie schwer verletzen können, wenn nicht Schlimmeres. War Ihnen das nicht klar?«

      In Franziska erwachte der Zorn, obwohl ihr vollkommen klar war, dass der Mann nicht nur Recht hatte, sondern sie und Elsbeth zusammen mit seinem Gefährten auch aus einer höchst misslichen Lage befreit hatte. »Sehen wir lebensmüde aus?«, fragte sie kämpferisch. »Wir haben versucht, die Tiere zu vertreiben, das haben Sie doch gesehen.«

      »Mit Dachlatten, ja«, stellte er mit leichtem Spott in der Stimme fest. »Gestatten Sie, dass wir uns vorstellen: Ich bin Ulrich Rethmann, das ist mein Neffe Lucius.«

      »Graf Rethmann?«, fragte Franziska.

      »Da müssen Sie meinen Neffen fragen, ich verzichte gern auf meinen Adelstitel.«

      Der Jüngere der beiden Männer war dem Wortwechsel bisher stumm gefolgt, genau wie Elsbeth, die nun sagte: »Ich gehe Tee ko­-chen – oder Kaffee, falls Sie den lieber hätten. Auf den Schrecken

      hin …«

      Sie übersah Franziskas fassungslosen Blick demonstrativ.

      Ulrich von Rethmann erwiderte mit breitem Lächeln: »Tee wäre großartig, vielen Dank«, woraufhin sich Elsbeth rasch umdrehte und im Haus verschwand.

      Jetzt erst ergriff Graf Lucius von Rethmann das Wort. Er streckte die Hand aus und sagte: »Es ist mir eine Freude, dass wir uns endlich kennenlernen, Frau zu Randerhausen. Ich hatte schon mehrfach versucht, Ihnen meine Aufwartung zu machen, aber bisher hatte ich nie das Glück, Sie zu Hause anzutreffen.«

      Es blieb Franziska nichts anderes übrig, als seine Hand zu ergreifen und ihrerseits ein paar höfliche Worte zu murmeln.

      »Ein prächtiges Tier«, ließ sich nun der Onkel des jungen Grafen vernehmen, der neben der toten Wildsau am Boden kniete und sie einer genauen Untersuchung unterzog. »Am besten brechen wir sie gleich hier auf – das gibt Fleisch für viele gute Mahlzeiten. Haben Sie eine Tiefkühltruhe?«

      »Ja«, antwortete Elsbeth, die gerade mit einem großen Tablett in den Garten zurückkehrte und die Frage gehört hatte.

      Franziska atmete erleichtert auf. Offenbar hatte Elsbeth zumindest nicht vor, die beiden Männer ins Haus zu bitten. Sie musste jedoch feststellen, dass sie sich darüber gar keine Gedanken hätte machen müssen, denn Ulrich von Rethmann stellte in schöner Offenheit fest: »Das Haus braucht eine Totalsanierung, oder?«

      »Ja«, antwortete Elsbeth, die auch jetzt wieder schneller war als Franziska. »So könnte man das ausdrücken. Ich bin übrigens Elsbeth Lüders, offiziell …«

      »Elsbeth ist meine Freundin«, schnitt Franziska ihr das Wort ab.

      »Früher war ich die Haushälterin der Familie«, fuhr Elsbeth unbeirrt fort. »Aber Franziska und ich haben uns angefreundet und sind nach dem Tod ihres Vaters gemeinsam in dieses Haus zurückgezogen, das wir vor vielen Jahren verlassen hatten.«

      Franziska sah plötzlich keinen Sinn mehr darin, diesen beiden sympathischen Männern, die offenbar Augen im Kopf hatten und genau wussten, wie es um das Haus stand, noch weiter eine Komödie vorzuspielen. »Ich habe kein Geld für eine umfassende Sanierung«, sagte sie. »Dach, Heizung, Fenster, Isolierung – das ist ein Fass ohne Boden. Ich verdiene nicht schlecht als Lehrerin, aber für solche Extravaganzen reicht es einfach nicht.«

      »Und was wollen Sie machen?«, fragte Lucius und dankte Elsbeth mit einem Lächeln für den Tee.

      »Wenn ich das wüsste«, seufzte Franziska. »Wir haben im vergangenen Winter erbärmlich gefroren, und wir frieren immer noch, weil die Wände nach wie vor eiskalt sind. Das ganze Haus ist eine Eishöhle.«

      Die beiden Männer hatten mittlerweile auf zwei großen Steinen Platz genommen, Franziska und Elsbeth taten es ihnen gleich. Die tote Wildsau lag einige Meter von ihnen entfernt.

      »Ich könnte einiges machen«, ließ sich Ulrich vernehmen, nachdem er seine Blicke prüfend über die alten Mauern hatte gleiten lassen. »Aber natürlich nicht alles. Und Material kostet ja auch Geld.«

      »Ich kann Sie nicht bezahlen, Herr von Rethmann«, stellte Franziska fest.

      »Ich habe nicht gesagt, dass ich bezahlt werden will«, erwiderte er gelassen.

      »Dann kann ich Ihre Hilfe erst recht nicht annehmen«, sagte sie.

      Lucius schaltete sich ein. »Doch«, erklärte er, »das können Sie.


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