Die Beste Father Brown-Kriminalfälle. Гилберт Кит ЧеÑтертонЧитать онлайн книгу.
weißen Zähne zeigte, schien er etwas an Würde einzubüßen, ja er bekam sogar etwas Kriecherisches. Vielleicht war es auch nur Verlegenheit, denn er spielte auch gern mit seinem Schlips und seiner Krawattennadel, die ebenso schön und ungewöhnlich waren wie er selbst. Wenn es irgend jemand gewesen sein könnte – aber was soll das alles – es ist doch ausgeschlossen. Kein Mensch weiß, wer es getan hat – niemand weiß, wie es überhaupt geschehen konnte. Das heißt, mit einer Ausnahme, die ich denn doch machen möchte – und deshalb erzähle ich es gerade. Der Hund weiß es.«
*
Pater Brown seufzte und sagte zerstreut: »Sie waren zum jungen Donald zu Besuch gekommen, nicht wahr? Er hat Sie doch auf dem Spaziergang nicht begleitet?« »Nein«, lächelte Fiennes. »Der Schlingel war am Morgen zu Bett gegangen und am Nachmittag aufgestanden. Ich habe seine Vettern begleitet, zwei junge Offiziere aus Indien, und wir haben uns über höchst alltägliche Dinge unterhalten. Der Ältere, der, wenn ich nicht irre, Herbert Druce heißt, gilt für einen hervorragenden Pferdezüchter, er redete in einem fort von einer Stute, die er gekauft hatte, und dem Lumpen von einem Verkäufer; sein Bruder Harry war schlechter Laune, weil er in Monte Carlo viel Geld verspielt hatte. Ich erwähne das nur wegen der Dinge, die sich auf unserm Spaziergang ereigneten, um Ihnen zu beweisen, daß uns Telepathie ganz fernlag – von uns vieren war der Hund der einzige Hellseher.«
»Was für Rasse?« fragte der Priester.
»So einer wie der da«, erwiderte Fiennes. »Dadurch bin ich auf die Geschichte gekommen – weil Sie, wie Sie sagen, nicht glauben, daß man an einen Hund glauben soll. Der Hund war ein großer deutscher Schäferhund und hörte auf den Namen ›Nox‹ – ein sehr passender Name übrigens, denn mir scheint das, was er anstellte, viel dunkler und geheimnisvoller als der Mord. Sie müssen wissen, daß das Haus und der Garten des Obersten am Meer liegen; wir gingen etwa anderthalb Kilometer weit fort und längs des Strandes zurück. Wir kamen an einem merkwürdigen Felsen vorüber, dem »Schicksalsfelsen«; er ist in der Gegend sehr berühmt, weil, wie das manchmal so vorkommt, zwei Steine so aufeinander ausbalanciert sind, daß ein Stoß genügen würde, um den oberen herunterzuwerfen. Wirklich hoch ist er nicht, aber durch seine sonderbare Form wirkt er ziemlich wild und schaurig; mir wenigstens kam er so vor, denn die beiden jungen Kerle zeigten wenig Sinn für das Romantische. Vielleicht hatte ich auch schon Ahnungen – eben wurde die Frage aufgeworfen, ob es Zeit sei, zur Vesper zurückzugehen, und ich hatte so ein Gefühl, als ob es sehr auf die Zeit ankäme. Herbert und ich hatten beide keine Uhr mit. Wir riefen also seinen Bruder an, der ein wenig zurückgeblieben war, um sich an einer windgeschützten Stelle bei der Hecke seine Pfeife anzuzünden. Daher kam es, daß er die Zeit – nämlich zwanzig nach vier – mit seiner dröhnenden Stimme laut durch die Dämmerung gröhlte – es klang so laut, daß es wie die Verkündigung einer ungeheuer wichtigen Epoche wirkte. Besonders, weil er so ahnungslos war. Mit Vorzeichen ist das immer so – und gewisse Augenblicke waren ja an dem Nachmittag bedeutungsvoll. Nach Dr. Valentines Aussage starb der arme Druce wirklich kurz vor halb fünf Uhr.
Na, die Jungens sagten, wir hätten noch zehn Minuten Zeit. Wir gingen also am Strand weiter, ohne was Besonderes zu tun – wir warfen Steine für den Hund und schleuderten Stöcke ins Meer, die er apportieren sollte. Mir schien aber die Dämmerung immer drückender zu werden; selbst der Schatten des Schicksalsfelsens lag wie eine Last auf mir. Und da geschah das Merkwürdige. Nox hatte gerade Herberts Spazierstock aus dem Wasser apportiert, und sein Bruder warf nun auch seinen hinein. Der Hund schwamm ins Meer hinaus – aber auf einmal – es muß genau um Schlag halb vier Uhr gewesen sein – hörte er auf zu schwimmen. Er kehrte an den Strand zurück und blieb vor uns stehen. Dann warf er plötzlich den Kopf zurück und stieß ein Geheul aus – ein klagendes Wehgeheul, wie ich es nur je im Leben gehört habe.
›Was zum Teufel hat der Hund?‹ fragte Herbert; aber keiner von uns wußte eine Antwort. Das Heulen und Winseln der Bestie erstarb auf dem verlassenen Ufer der See; dann herrschte ein langes Schweigen, das plötzlich unterbrochen wurde. Unterbrochen, so wahr ich lebe, durch den schwachen Schrei einer Frau, der von weither, aus dem Innern jenseits der Hecke, zu kommen schien. Damals wußten wir noch nicht, was es zu bedeuten hatte; aber später erfuhren wir es. Es war der Schrei, den das Mädchen ausstieß, als sie den Leichnam ihres Vaters fand.«
»Nun kehrten Sie wohl um, nicht wahr?« fragte Pater Brown geduldig. »Und was geschah weiter?«
»Ich will Ihnen sagen, was weiter geschah«, sagte Fiennes mit finsterem Nachdruck. »Als wir in den Garten kamen, war das erste, was wir erblickten, der Rechtsanwalt Traill – ich sehe ihn noch jetzt vor mir mit seinem schwarzen Hut und schwarzem Backenbart, die sich gegen den Hintergrund von blauen Blumen, die Laube, den Sonnenuntergang und den Schicksalsfelsen in der Ferne abhoben. Sein Gesicht und seine Gestalt waren im Schatten; aber ich könnte einen Eid leisten, daß man seine Zähne sah, und daß er lächelte.
Kaum hatte Nox den Menschen erblickt, so raste er nach vorn, blieb mitten auf dem Wege stehen und bellte ihn wie besessen an. Er heulte mörderisch; aus seiner Hundekehle brachen Flüche, die mit ihrem deutlichen Ausdruck von Haß fast menschlich wirkten. Der Mann kroch in sich zusammen und flüchtete zwischen den Blumen den Weg hinauf.«
Pater Brown sprang mit erstaunlicher Ungeduld von seinem Sitz auf.
»Der Hund hat ihn also angeklagt, nicht wahr?« rief er aus. »Das Hundeorakel hat ihn verurteilt. Haben Sie sich auch um den Vogelflug gekümmert, und ob die Vögel rechts oder links vorbeizogen? Haben Sie die Auguren um die Opfer befragt? Hoffentlich haben Sie nicht unterlassen den Hund aufzuschneiden, und die Eingeweide zu beschauen. Auf diese Art von wissenschaftlicher Probe scheint ihr aufgeklärten Heiden euch zu verlassen, wenn es sich darum handelt, einem Manne Leben und Ehre abzuschneiden.«
Fiennes saß einen Augenblick mit offenem Munde da, bevor er die Worte herausbrachte: »Ja, was haben Sie denn? Was hab’ ich denn getan?«
In die Augen des Priesters stahl sich ein Ausdruck von Besorgnis – die Besorgnis des Mannes, der im Dunkel an einen Pfosten angerannt ist und sich einen Augenblick lang fragt, ob er kein Unheil angerichtet hat.
»Ich bedaure unendlich«, sagte er voll aufrichtiger Betrübnis. »Ich bitte um Entschuldigung wegen meiner Unhöflichkeit – verzeihen Sie.«
Mennes sah ihn neugierig an. »Manchmal kommen Sie mir geheimnisvoller vor als alle Geheimnisse«, sagte er. »Aber – wenn Sie an das Geheimnis vom Hund nicht glauben wollen, über das Geheimnis vom Menschen kommen Sie nicht hinweg. Sie können doch nicht leugnen, daß im gleichen Augenblick, wo das Tier aus dem Wasser kam und brüllte, die Seele seines Herrn aus ihrem Leib getrieben wurde durch den Stoß einer unsichtbaren Kraft, die kein Sterblicher auffinden oder sich auch nur vorstellen kann. Und was den Rechtsanwalt betrifft; ich halte mich nicht nur an den Hund: da gibt es noch andere sonderbare Einzelheiten. Mir machte er den Eindruck eines glatten, lächelnden, doppelzüngigen Menschen, und eine seiner Angewohnheiten kam mir förmlich wie ein Anhaltspunkt vor. Wie Sie wissen, waren Arzt und Polizei sehr bald zur Stelle – Valentine wurde eingeholt, als er von Hause wegging, und er telephonierte sofort. Dieser Umstand, und dazu die Abgeschlossenheit des Hauses, die kleine Anzahl von Personen und der begrenzte Raum haben es sozusagen möglich gemacht, jeden genau zu durchsuchen, der in der Nähe war – und es wurde auch jeder durchsucht – nach einer Waffe. Das ganze Haus, der Garten und der Strand wurden aufs Genaueste nach einer Waffe abgesucht. Daß der Dolch so einfach verschwinden konnte, ist fast ebenso widersinnig, wie daß der Mörder verschwand.«
»Daß der Dolch verschwand –« Pater Brown nickte. Er schien plötzlich aufmerksam zu werden.
»Nun passen Sie auf,« fuhr Fiennes fort, »ich habe Ihnen schon gesagt, daß dieser Traill die Gewohnheit hatte, fortwährend an seinem Schlips und an der Krawattennadel herumzubasteln – besonders an der Nadel. Seine Nadel war gleichzeitig auffallend prächtig und altmodisch – genau wie er selbst. Sie bestand aus einem Stein mit konzentrischen farbigen Kreisen, die wie ein Auge aussahen – und je mehr er sich damit befaßte, desto mehr fiel sie mir auf die Nerven, gerade als wäre er ein Zyklop mit einem einzigen Auge mitten im Körper. Aber die Nadel war nicht nur groß, sondern auch lang und mir fiel ein, daß er sich vielleicht so große Mühe gab, sie richtig zu stecken, weil sie noch