Butler Parker Paket 3 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.
Kathy warf sich auf ihr Bett und schloß die Augen. Sie durfte zufrieden sein. Sie hatte geschafft, was Lady Agatha und Josuah Parker nicht gelungen war, sie befand sich im Hauptquartier des »Dämon« und hatte alle Aussichten, diesem geheimnisvollen Mann bald gegenüberzustehen. Wichtig war allerdings, in ihrer Rolle als Hypnotisierte zu bleiben. Und da begannen bereits die echten Schwierigkeiten. Sie war immun ge-gen Fremdbeeinflussung und wußte also nicht, was diese fremden, auf sie einwirkenden Willensäußerungen von ihr wollten. Sie war auf reine Vermutungen angewiesen und mußte improvisieren. Es war schon gut, daß sie wenigstens dieses Pochen in den Schläfen verspürte, wenn ein Fremdwille Besitz von ihr ergreifen wollte. Erhielt sie dieses Signal, wußte sie wenigstens, daß sie irgend etwas tun mußte.
Sie hatte sich fest unter Kontrolle, als die Tür geöffnet wurde. Die stämmige Wärterin betrat das Schlaf-zimmer, ignorierte Gwen Perkins und winkte Kathy zu sich heran. Sollte sie jetzt aufstehen und diesem Wink folgen? Wie verhielt eine hypnotisierte Person sich in solch einer Situation?
»Komm’ schon, Kindchen«, rief die Stämmige ihr ungeniert und auch ein wenig ungeduldig zu, »der Herr erwartet dich.«
Also der »Dämon«?
Kathy erhob sich vom Bett und ging mit etwas eckigen Schritten auf die Stämmige zu, blieb abwar-tend-gehorsam vor ihr stehen und sah sie demütig und ergeben an.
»Ich werde dich vorher noch ein wenig herrichten«, sagte die Stämmige und musterte sie sachlich, »der Herr hat seine besonderen Vorlieben, Kindchen. Komm’ jetzt, wir dürfen ihn nicht warten lassen! Er hat dir eine wichtige Mitteilung zu machen. Ich glaube, er wird dich zur nächsten Teufelsmesse einladen!«
*
»Das gute, alte Mädchen ist oben in ihrem Zimmer«, sagte Lady Agatha zu Josuah Parker, »ich denke, wir brauchen uns vorerst nicht weiter um sie zu kümmern.«
»Gibt es Personal im Haus, Mylady?« wollte der Butler wissen. Er war mit dem Rover gerade eingetroffen und hatte den eleganten Wagen in eine der Garagen gefahren und das Tor geschlossen. Die beiden Insassen im Kofferraum hatten noch Zeit und konnten vorerst nicht stören.
»Lady Ruth hat ihr gesamtes Personal in Urlaub geschickt«, erklärte die Detektivin, »was sagen Sie zu diesen Gangstermethoden, Mister Parker? Ist uns so etwas schon mal passiert? Ich muß Ihnen sagen, daß ich ziemlich empört bin.«
»Darf marl erfahren, Mylady, was sich während meiner Abwesenheit ereignet hat?«
»Dieser Frechling hat uns noch ein paar Mal die Kontonummer eingehämmert«, berichtete die streitbare Dame, »aber er wird sich in den Finger schneiden, nicht einen einzigen Penny wird er erhalten.«
»Darf ich es wagen, ein wenig zu widersprechen und anderer Meinung zu sein?«
»Sie wollen das Geld mit vollen Händen ausgeben?« Agatha Simpson sah ihn empört an.
»Dieses Geld wird auf keinen Fall verloren sein«, beruhigte Parker seine Herrin, »aber eine Einzahlung dürfte das letzte Mißtrauen der Dämonenanhänger einschläfern.«
»Nun gut, ich bin ja zu überzeugen«, räumte die ältere Dame ein, »ist das nicht ein herrlicher Kriminal-stoff? Sobald wir das hier hinter uns haben, Mister Parker, werde ich in Klausur gehen und mit der Arbeit beginnen. Das erste Kapitel habe ich bereits konzipiert und fest im Kopf. Ich werde damit beginnen, daß eine Dame der Gesellschaft vor einem Bankschalter erscheint und eine beträchtliche Einzahlung vornimmt. Später stellt sich heraus, daß man sie erpreßt hat, weil sie gegen ihren Willen an irgendeiner schwarzen Messe teilgenommen hat. Wie finden Sie das?«
»Dieser Hinweis dürfte des Nachdenkens wert sein, Mylady«, antwortete Josuah Parker ernst, »Teufels- oder Satansmessen sind augenblicklich auch das, was man im Schwange nennt.«
»Was wären Sie ohne mich, Mister Parker?« gab Lady Agatha zufrieden zurück. »Was Ihnen fehlt, ist eben die Phantasie.«
»Wie Mylady meinen.«
»Macht ja nichts, Mister Parker«, tröstete die Detektivin ihn, »schweifen wir aber nicht vom Thema ab. Sie glauben, daß wir es mit Teufels- oder Satansmessen zu tun haben?«
»Das könnte durchaus sein, Mylady. Man müßte überlegen, wo solche Dinge praktiziert werden. Meiner bescheidenen Ansicht nach braucht der ›Dämon‹ ein Domizil, zu dem die Außenwelt keinen Zutritt hat.«
»Ein versteckter Landsitz, Mister Parker. So wird es wenigstens in meinem Bestseller sein.«
»Ein Landsitz«, wiederholte der Butler nachdenklich, »ein Landsitz in der engeren Umgebung von Kew Gardens.«
»Wo denn sonst?« Lady Agatha sah ihn überlegen an, »und es muß sich um ein Gebäude handeln, das erst vor kurzer Zeit seinen Besitzer gewechselt hat.«
»Das, Mylady, ließe sich feststellen.«
»Dafür sind Sie zuständig, Mister Parker«, sagte Lady Simpson, »mit solchen Kleinigkeiten und Neben-sächlichkeiten gebe ich mich nicht gern ab. Nehmen Sie das in die Hand!«
»Mylady können sich auf meine bescheidene Wenigkeit fest verlassen«, versicherte Josuah Parker gemes-sen, »dazu müßte ich allerdings Lady Glaters Sitz hier verlassen.«
»Worauf warten Sie noch?«
»Mylady müssen jederzeit mit der Rückkehr der Gangster rechnen.«
»Das wird mich nicht stören«, erklärte die Dame grimmig.
»Mylady dürfen nicht vergessen, daß Mylady stets unter Hypnose stehen.«
»Wenn diese Lümmel erscheinen, werde ich zur Bank fahren«, schlug Agatha Simpson vor, »verlassen Sie sich darauf, sie werden mich an solch einer Fahrt bestimmt nicht hindern! Und wohin werden Sie gehen?«
»Zu einem Makler oder Anwalt in Kew Gardens«, antwortete Parker, »dort wird man Einzelheiten über den Verkauf eines Landsitzes wissen. Zudem wird es an der Zeit, Kontakt mit Miß Porter aufzunehmen.«
»Wo wollten Sie sich mit ihr treffen?«
»Miß Porter wird eine Nachricht auf der Post hinterlassen haben, Mylady.«
»Hoffentlich hat sie keine Dummheiten gemacht«, sagte Lady Simpson, die Kathy Porter stets wie eine leibliche Tochter behandelte. »Kathy neigt ein wenig zum Leichtsinn, ganz im Gegensatz zu mir.«
Parker verkniff sich darauf eine Antwort, denn er war erheblich anderer Meinung. Wenn einer zum Leichtsinn neigte, dann gewiß seine Herrin, die für ihr Alter erstaunlich dynamisch und unternehmungslustig war.
»Wenn Mylady gestatten, werde ich jetzt ein wenig Maske machen«, entschuldigte sich Parker, eine knappe Verbeugung andeutend, »man soll möglichst annehmen, daß ich zermalmt auf dem Schienenstrang liege.«
»Schaffen Sie aber vorher noch die beiden Frechlinge aus dem Kofferraum«, schloß Lady Simpson, »und sputen Sie sich endlich! Sie sind wieder mal langsam wie eine Schnecke, Mister Parker!«
*
Knapp fünfzehn Minuten später verließ ein älterer Herr den Landsitz der Lady Glaters. Er trug Flanellho-sen, eine derbe Tweedjacke und ein kleines Hütchen, sah aus wie ein Landbaron und wirkte sehr seriös. Es handelte sich um Josuah Parker, der froh war, endlich wieder mal in Maske agieren zu können. Er liebte im Grund seines Herzens die Verkleidung und hatte zu seinem Leidwesen viel zu wenig Gelegenheit, seine einmalige Kunst auf diesem Gebiet zu beweisen. Selbst Lady Simpson hatte ihn zuerst nicht erkannt, nach-dem er bei ihr im Wohnraum des Landsitzes erschienen war.
Die Requisiten für seine Verwandlungskünste befanden sich in einem Spezialkoffer, der stets einsatz- und griffbereit im Kofferraum seines hochbeinigen Monstrums lag. Parker benutzte für seine Fahrt nach Kew Gardens einen Wagen der Lady Glaters und beeilte sich, hinüber zum Postamt zu kommen. Auch er sorgte sich um Kathy Porter.
Er hatte keine Ahnung, daß er die ganze Zeit über beobachtet worden war. Parker hatte, was äußerst sel-ten war, seine Gegner tatsächlich unterschätzt.