Kreation Vollblut – das Rennpferd eroberte die Welt. Erhard HeckmannЧитать онлайн книгу.
Stud war auch ein gutes Beispiel dafür, dass, will ein Gestüt mit seinen eigenen Hengsten die Spitze erklimmen und behalten, dann muss es über die besten Stallions verfügen. Lexington war der Beste, und er hatte auch noch einen Australian an seiner Seite. Und diese beiden Schwergewichte zeigten das erneut in der Zucht von Daniel Sweigert, der vorher für das „Horse Department“ auf R. A. Alexanders Woodburn Farm verantwortlich war. Dort lebten die Jährlinge bis zum Tag der Auktion ausschließlich im Freien, und die „Sales-Präparation“ bestand darin, dass man die Kletten aus ihren Schwänzen bürstete.
Mit zwei Lexington-Nachkommen hat Woodburn die Vollblutzucht der Welt ganz besonders beeinflusst: Der 1861 geborene Champion-Dreijährige Norfolk wurde väterlicher Urgroßvater von Americus Girl (1905), die 12 von 29 Rennen gewann. Und diese irische Fuchsstute wurde Großmutter der brillanten Schimmelstute Mumtaz Mahal, die Lady Sykes of Sledmere 1921 von dem ungeschlagenen The Tetrarch (1911) zog, den „Timeform“ als den besten Zweijährigen der Welt des 20. Jahrhunderts einschätzte. Und das Blut dieser Mumtaz Mahal pulsierte in der Aga Khan-Zucht, und damit auch in den Superhengsten Nasrullah (1942 Englands bester Zweijähriger; Champion-Beschäler 1951; viermal führender Deckhengst in den USA), und Mahmoud (1933; Blenheim), der vor seinem Amerika-Export in England auch im Derby und den Champion Stakes triumphierte.
Eine andere Größe des 20. Jahrhunderts war der 1935 in Italien gezogene Nearco (Pharos), der Nearctic zeugte, dessen Sohn Northern Dancer (1961) ein „Jahrhundert-Stallion“ war. Sadler’s Wells (1981), der diesen Kanadier zum Vater hatte, hinterließ mit Galileo nicht nur Europas besten Dreijährigen von 2001, sondern auch ein neues Vererber-Phänomen. Galileo, in dem auch deutsches Blut aus Schlenderhan pulsiert, ist derzeit der erfolgreichste Stallion der Welt, als auch Vater von Frankel, der als das bisher beste Rennpferd gilt. Und bei Nearco, Galileos Urur-Großvater, erscheint die von Lexington aus der Glencoe-Stute Kitty Clark 1862 gezogene Maiden als sechste Mutter in dessen Pedigree. Und Maiden (Travers Stakes-Siegerin) wurde ebenfalls von Alexander gezogen.
Als R. A. Alexander 1867 starb, übernahm sein Bruder A. J. Alexander die Woodburn-Zucht, die damals als die beste Amerikas galt, doch interessierte sich der neue Besitzer mehr für die Zucht von Shorthorn-Rindern. Diese Interessen mögen auch die Entscheidung von Daniel Swigert, den Chef der Vollblutabteilung, dazu veranlasst haben, sich 1869 auf der benachbarten Stockwood Farm selbständig zu machen, während sein Schwiegersohn Lucas Broadhead Jr. Woodburn als Manager übernahm. Als Australian 1879 verstorben war, verblasste der Ruhm des Gestüts immer mehr, und etwa 30 Jahre später war Woodburns „horse department“ liquitiert.
DANIEL SWIGERT
gehörte zu den wenigen begnadeten Züchtern, die, wo immer sie starteten, hochklassige Galopper hervorbringen konnten. Er begann auf der Woodburn Farm in Kentucky, damals die größte Zuchtstätte Amerikas. Und sie besaß mit Lexington, Australian und Planet auch die besten Hengste jener Zeit. Lexingtons einziger echter Rivale, Leamington, konnte jenen zwar für zwei Jahre vom Stallion-Thron verdrängten, doch beherrschte Alexanders Hengst seine Kollegen sechszehnmal, 14 Jahre davon in Folge.
Hindoo, 1878 von Virgil. Er war Daniel Swigerts erster Kentucky Derby-Sieger (Foto: Courtesy of Keeneland Library)
Zwischen 1878 und 1886 zog Swigert vier hervorragende Pferde, und in allen vier Stammbäumen standen Lexington oder Australian. Und auch auf der Elmendorf Farm, die er später kaufte, waren die zu ihrer Zeit am höchsten eingeschätzten Hengste stationiert, Glenelg und Virgil. Dieser 1864 geborene Glencoe-Enkel gewann Flach- und Hindernisrennen und war auch angespannt worden. Als Beschäler startete er nur, weil der eigentliche Deckhengst seines Besitzers durch Krankheit ausfiel. Danach wurde er verkauft und, als Vagrant (1873) aus seinem ersten Jahrgang das Kentucky Derby gewann, zurückgekauft. 1885 stand Virgil an der Spitze der amerikanischen Deckhengste und verstarb ein Jahr später auf Swigerts Elmendorf Farm. Der zehnfache Sieger Glenelg (1866) wurde in utero aus England eingeführt, war ein gutes Rennpferd, vertrat die Stockwell-Hengstlinie und war viermal der führende Vererber.
Als Swigert auf eigener Scholle zu Stockwood begann, erwarb er Jährlinge und verkaufte sie wieder, sobald sie als Rennpferd Form zeigten. Dass er diese Jünglinge auf den Woodburn-Auktionen kaufte, war logisch, denn diese Zucht kannte er ganz genau. Und zu den Champions, die er auf Stockwood auf diese Art entwickelte, zählte auch der 1868 für 490 Dollar eingekaufte Lexington-Sohn Kingfisher, für den August Belmont nach den Siegen in den Belmont- und Travers Stakes 15.000 $ zahlte. Mit 430 Dollar war Springbok, ein 1870 geborener Australian-Hengst aus der Lexingtonstute Hester, eine ähnliche Anschaffung. In den Stockwood-Farben lief sie nur kurzfristig, wechselte für 2.000 Dollar plus Gewinnbeteiligung den Besitzer, gewann 17 Rennen (Belmont Stakes, zwei Saratoga Cups) und war 1874 Amerikas bestes Handicap-Pferd. Nach gleichem Rezept wie Springbok war auch der spätere Zweijährigen-Champion Spendthrift (1876) gezogen, dessen Lexington-Mutter Aerolite war. Für ihn hatte Swigert als Jährling 1.000 Dollar auf den Tisch legen müssen, doch nach seiner ersten Saison, in der er ungeschlagen blieb, war er James R. Keene 15.000 $ wert. Als Rennpferd war er ein Erfolg, gewann neun von 16 Rennen, darunter die Belmont Stakes und das Jersey Derby, in der Zucht jedoch war er sensationell und, 1902 und 1908, zweifacher US-Champion-Beschäler.
Spendthrifts Sohn Kingston (1884) stellte mit rund 140.000 Dollar einen US-Gewinnrekord auf, und ein anderer, Lamplighter, gewann in fünf Saisons 29 von 66 Rennen und wurde als Zuchthengst ebenfalls erfolgreich. In der Zucht war jedoch der Belmont Stakes-Sieger Hastings (1893) der große Trumpf, denn dieser schwierig zu handhabende Hengst führte schon mit seinen ersten beiden Jahrgängen die Rangliste der Beschäler 1902 an und wiederholte das auch sechs Jahre später. Der Ruhm dieses überdurchschnittlichen, zehnfachen Siegers, der in einer langen Gestütskarriere viele Stakes-Sieger zeugte, stützt sich jedoch auf seinen großen Sohn Fair Play. Der von August Belmont II 1905 gezogenen Hengst war in seinem Jahrgang nur Drittbester, überflügelte in der Zucht jedoch alle Gleichaltrigen. Er war dreimaliger Champion-Stallion, und diese Position nahmen auch drei seiner Söhne in der amerikanischen Zucht ein. Hastings Einfluss wurde in Amerika über Intentionally (1956), und in Europa durch Relic (1945) verkörpert. Dieser zeugte sechs Champions, kam 1950 nach Frankreich, wo er 16 Jahre später bei den Stutenvätern an der Spitze stand, und wechselte 1956 nach England. Intentionally, amerikanischer Champion-Sprinter 1959, war als „The Black Bullet“ bekannt und zeugte In Reality, der das Jersey- und Florida Derby gewann und in den Preakness Stakes den Ehrenplatz belegte.
1874 wurde auch Baden-Baden (Australia) zu Woodburn geboren, den Swigert ebenfalls ersteigerte und zu dem späteren „Hall of Fame-Trainer“ Edward D. Brown in Arbeit gab. Als Zweijähriger gewann er die Young American Stakes, und in der klassischen Saison nach dem Jersey-Derby auch das zu Kentucky Derby. Anschließend lief er, in den Farben des New Yorker Geschäftsmannes William Astor, in den Belmont Stakes auf den dritten Platz und gewann zu Saratoga die wichtigen Travers Stakes. In seinem nächsten Rennen verletzte er sich und bezog auf Astors Ferncliffe Stud eine Beschälerboxe. Besonders erfolgreich war er als Vererber jedoch nicht.
1881 hatte Swigert genug Geld, um für 150.000 Dollar das 544-Acker große Preakness Stud nördlich von Lexington von Milton H. Sanford zu kaufen. Und damit gehörten ihm auch die beiden genannten Beschäler Glenelg und Virgil. Die Farm, die im zeitigen 19. Jahrhundert im Fayette County entstand und als North Elkhorn Farm bekannt wurde, hatte zwischen 1806 und 1881 schon mehrfach den Besitzer gewechselt. Nach Robert Carter Harrison folgte 1840 Carter Henry Harrison; 1855 übernahm sie Thomas Hughs, der den Besitz schon 1862 William Thomas Hugs überließ, der das Anwesen 12 Jahre später an M. S. Sanford verkaufte. Die von Swigert in Elmendorf umbenannte und 1891 wieder verkaufte Farm, wechselte auch nach ihm noch mehrfach den Besitzer und wurde am Ende in andere Gestüte aufgeteilt.
Auf einem Teil des ursprünglichen Landes errichtete Swigerts Urenkel Leslie Combs II seine Farm und benannte sie nach dem großen Stallion Spendthrift. Während jener Zeit wurde hier auch der Kentucky Derby- und Preakness Stakes-Sieger Majestic Prince (1966; Raise A Native) geboren, der allerdings als Jährling für die damalige Rekordsumme von 250.000 Dollar verkauft wurde. 1988 ging das Gestüt in Konkurs, bekam verschiedene Eigentümer